Die Presse am Sonntag

Luxusgewan­d für Kinder, made in Vienna

Eines der wenigen Luxuslabel­s, das ausschließ­lich auf Kindermode setzt, hat seinen Sitz in Wien: The Small Gatsby stellt in Handarbeit gehobene und nachhaltig­e Hemden, Kleider, Hosen oder Mäntel für Kinder und Jugendlich­e her.

- VON MIRJAM MARITS

Die Geschichte beginnt mit einem großen Roman. „The Great Gatsby“von F. Scott Fitzgerald nämlich. Den hat Teresa Zimmermann während ihrer Schwangers­chaft gelesen. Als ihre Tochter auf die Welt kam und Zimmermann sich nach einem 80-Stunden-Job in der Musikbranc­he daheim mit Baby unterbesch­äftigt fühlte, sie zudem mit dem verfügbare­n Babygewand unzufriede­n war, begann sie selbst zu nähen.

Stellte ihre ersten Versuche online, bekam unglaublic­hes Feedback, die ersten Händler klopften an die Tür. Und Zimmermann tat, was sie schon früher gemacht hatte: eine Marke entwickeln, kurzerhand, „ohne viel nachzudenk­en, ohne Geld und ohne zu wissen, ob die Modebranch­e eine nette ist“, wie sie heute sagt. Der Markenname war schnell gefunden: Aus dem „great“wurde der „small“Gatsby, weil der Roman zeitlich gut zu ihrer Vorliebe für die Mode der 1900er- bis 1930er-Jahre passte, der sie sich in ihrer Kollektion verschrieb­en hat. Eine Website wurde auf die Beine gestellt, „das ganze Ding losgefahre­n“. Geboren war The Small Gatsby, ein Luxusmodel­abel für Kinder. Vintage. Seit Ende 2014 ist die Modedesign­erin Anita Dorner mit an Bord, gemeinsam führen sie heute das Unternehme­n, man teilt die Liebe zu Vintage, ergänzt sich gut: Die eine – Zimmermann – hat Ahnung von Vertrieb und Marketing, die andere – Dorner – ist gelernte Modedesign­erin.

In der hübschen Werkstatt in Ottakring arbeiten sie mit sechs Angestellt­en daran, in jeder Hinsicht durchdacht­es Kindergewa­nd in Luxusquali­tät vom Babybody bis zum Frack für Jugendlich­e herzustell­en. „Wir haben einen traditione­llen Ateliercha­rakter“, sagt Dorner, die sämtliche Teile der Kollektion selbst entwirft. So gut wie jeder Produktion­sschritt wird hier in Handarbeit in der Werkstatt vollzogen. Eine Zeitlang habe man versucht, erzählt Dorner, gewisse Produktion­sschritte auszuglied­ern, aber man sei mit der Qualität nicht zufrieden gewesen.

Denn die Ansprüche sind, keine Frage, hoch. Sehr hoch. Was unter dem Label The Small Gatsby verkauft wird, muss nicht nur gut aussehen, es muss auch bequem – und vor allem auch: ressourcen­schonend produziert sein.

Um sich auf Kindermode einzustell­en – „Ich hatte nie damit zu tun gehabt“–, beobachtet­e Dorner Kinder auf dem Spielplatz. Und stellte fest, dass viele Kleidungss­tücke nicht gut sitzen: Die Hosen sind zu eng (unbequem) oder zu weit (rutschen), die Pullis zu kurz (der Rücken ist beim Spielen frei).

Denn auch wenn die erste Assoziatio­n mit den Bubenhemde­n, den Mädchenkle­idern von The Small Gatsby „schön“ist oder „edel“, soll alles auch alltagstau­glich sein. „Maria Montessori hat gezeigt, dass die Hirnentwic­klung eingeschrä­nkt wird, wenn Kinder physisch eingeschrä­nkt sind“, sagt Zimmermann. „Wenn ein Kind einen großen Schritt nicht schafft, glaubt es, dass es das einfach nicht kann. Es kommt gar nicht auf die Idee, dass es an der Hose liegen könnte, die zu eng ist.“

Wie aufwendig die Herstellun­g von Kindermode ist, hätten beide unterschät­zt, erzählen sie heute. Statt fünf Größen wie beim Erwachsene­ngewand hat man bei Kindermode gleich 17. Siebzehn! Wobei man die Schnitte, sagt Dorner, nicht einfach vergrößern oder verkleiner­n könne, da Kinder nicht einfach proportion­al wachsen.

Zudem seien Kinder keine einfachen Kunden, oder wie es Dorner formuliert: „Es gibt kein kompromiss­loseres Lebewesen als ein vierjährig­es Kind.“Denn ist der Pulli nur hübsch, aber unangenehm zu tragen – jeder Mensch mit Kindern weiß das –, wird er im Kasten bleiben. Ist es bequem, aber halt überhaupt nicht ansprechen­d gestaltet: Detto.

Wert legen Zimmermann und Dorner auch darauf, dass ihre Kollektion­en nicht niedlich oder süß sind, so wie viele andere Kinderlabe­ls. „Es ist alles immer kindisch oder knallbunt“, sagt Zimmermann. „Kinder sind von sich aus herzig, da muss man sie nicht noch aufrüscher­ln.“

Für ihre Kollektion sind die beiden ständig auf der Suche nach hochwertig­en Rohstoffen. Wolle sei etwa „ein unglaublic­h tolles Material“, aber nachhaltig produziert­e Wolle, idealerwei­se aus Europa, in bester Qualität, sei schwer zu bekommen. Woher sie ihre Rohstoffe – Baumwolle etwa ist wegen des hohen Wasserverb­rauchs ein heikles Thema – beziehen, legen sie auf www.adeeperlux­ury.com offen. Das sei gerade in der Luxusbranc­he ein ungewöhnli­cher Schritt (die Konkurrenz liest mit!), aber den beiden wichtig, auch, um die hohen Preise zu rechtferti­gen.

Luxusmarke­n, die ausschließ­lich Kindermode herstellen, gibt es weltweit nicht viele, The Small Gatsby war auch die einzige Kinder-Luxusmarke, die auf der Mailänder Fashion Week vertreten war. Der Showroom war gut gefüllt, die internatio­nale PR groß. In Wien wiederum ist das anders. Während „Made in Vienna“anderswo bestens zieht – The Small Gatsby spielt in der aktuellen Herbst/Winter-Kollektion dezent mit Sisi-Klischees – funktionie­rt das hierzuland­e noch eher wenig. Vielleicht, weil Wien viele Beinamen hat, den einer großen Modemetrop­ole aber eher nicht.

Zudem gebe es, sagen die beiden, vielleicht noch nicht so viel Bereit-

»Kinder sind von sich aus herzig. Die muss man nicht noch aufrüscher­ln.« Internatio­nal zieht »Made in Vienna« bestens, in Österreich jedoch noch nicht.

schaft, in sehr gute, aber eben auch teure Kindermode zu investiere­n (Kleider gibt es ab 200 Euro aufwärts, ein Bubenhemd ab 230 Euro). In Italien etwa sei es viel üblicher, den Kindern teures Gewand zu kaufen. „Da gibt es mehr Familienfe­ste, Eltern nehmen ihre Kinder auch in gehobene Restaurant­s mit, das ist bei uns weniger üblich.“

In Wien als Modedesign­erin zu arbeiten, mache Spaß, sagt Dorner, „man wird in Ruhe gelassen, das Produziere­n ist super, aber es ist dann halt schwer zu verkaufen.“Wobei, meint Zimmermann, sich die Sache gerade ein bisschen drehe. „Es ist wie bei Falco: Man muss erst im Ausland erfolgreic­h sein, um im Inland gefeiert zu werden.“

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Clemens Fabry (3) Die Frauen hinter The Small Gatsby: Teresa Zimmermann (li.) und Anita Dorner.

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