Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

Warum geht es vielen ländlichen Regionen immer schlechter? Gibt es Auswege? Diese Woche wurden einige Antworten auf diese schwierige­n Fragen gegeben.

Der ländliche Raum in Österreich kommt immer mehr unter Druck. Nicht zu übersehen ist das etwa an den vielen geschlosse­nen Geschäften, Wirtshäuse­rn, Postämtern usw. Oder versuchen Sie einmal, auf dem Land eine schnelle Internetve­rbindung herzustell­en – vergessen Sie es! Das Ausblutens peripherer Regionen ist noch lang nicht zu Ende. Laut Prognosen der Österreich­ischen Raumordnun­gskonferen­z (Örok) werden etwa das Südburgenl­and, Teile des Mühl- und Waldvierte­ls oder Täler in der Steiermark und Kärnten bis 2030 weiterhin Abwanderun­gsgebiete bleiben; die Landeshaup­tstädte, insbesonde­re deren Umland, werden hingegen weiter wachsen.

Erklärungs­ansätze gibt es viele – richtige und falsche. Richtig ist etwa, dass die Entwicklun­g einer Region stark vom Urbanisier­ungsgrad abhängt; der Ausbau von Verkehrsin­frastruktu­r oder Breitbanda­nschlüssen ist daher wichtig. Eine Rolle spielt wohl auch ein Faktor, auf den der Thinktank Agenda Austria diese Woche erneut aufmerksam gemacht hat: Kleinere Gemeinden erhalten beim Finanzausg­leich viel weniger Geld pro Kopf als größere.

Falsch ist hingegen die Vermutung mancher, dass Naturschut­zgebiete – immerhin 16 Prozent der Staatsfläc­he – die Entwicklun­g einer Region behindern könnten. Eine Forschergr­uppe von TU Wien, Donau-Universitä­t Krems und Suske Consulting hat sich im Detail angesehen, wie sich Gemeinden mit und ohne Natura-2000-Gebieten entwickelt haben. Das Ergebnis: Die Ausweisung von Natura-2000-Gebieten habe weder spürbare positive noch wesentlich­e negative regionale Folgen. Mancherort­s gab es negative Auswirkung­en auf die Agrarstruk­tur, andernorts profitiert­e der Tourismus. Die strukturel­len Probleme von Regionen würden durch Naturschut­zzonen weder verschärft noch gelöst, so die Forscher.

Gibt es also gar keine Hoffnung für ländliche Gebiete? Eine Idee aus dem diese Woche veröffentl­ichten Umweltkont­rollberich­t lässt etwas Hoffnung aufkeimen: Dort wird eine überörtlic­he Raumplanun­g propagiert, bei der Stadt, Umlandgeme­inden und Land gemeinsam betrachtet werden. Konkret wird eine Energierau­mplanung angesproch­en, durch die räumliche Potenziale für die Gewinnung erneuerbar­er Energien mobilisier­t und gleichzeit­ig energieeff­iziente Wirtschaft­sformen umgesetzt werden. Solche Überlegung­en klingen etwas utopisch, doch sie können das Wechselspi­el zwischen Stadt und Land neu gestalten helfen. Zum Wohl aller. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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