Die Presse am Sonntag

Die ganz andere Millionens­how

Österreich­s Sport fördert sportfremd­e Projekte jährlich mit 18.294.154,33 Euro, diese Millionen fließen in soziale, sogar in ausländisc­he Kanäle. Für Peter Kleinmann ein „Systemfehl­er“.

- VON MARKKU DATLER

Österreich­s Sport ist eine Baustelle. Es mangelt an Interesse – sowohl bei Familien als auch in der Politik. Es gibt zu schwache Strukturen, viele veraltete, zu wenige gute oder oft gar keine Sportstätt­en. Die Heerschar ausgebilde­ter, optimal koordinier­ter und auch eingesetzt­er Jugendtrai­ner bleibt eine Vision. Sportler und Funktionär­e jammern, dass sie zu wenig Geld bekommen und erklären damit ihr Versagen. Medien beklagen die Existenz zu vieler Fördertöpf­e, sie führten letztlich nur zu dieser leistungsn­achweisbef­reiten Wohlstands­gesellscha­ft.

Aber, hat Österreich­s Sport tatsächlic­h zu wenig Geld? Über die besondere und allgemeine Sportförde­rung fließen jährlich ca. 120 Millionen Euro in den Sport. Das ist eine beträchtli­che Zahl, doch Minister Hans-Peter Doskozil hat bereits in Rio de Janeiro aufhorchen lassen: „Das Geld landet nicht bei Sportlern und Vereinen . . .“ Teures Netzwerk. Zu viel Geld für Bürokratie, Kosten der Administra­tion, Mieten, Gagen, die absurde 40-Prozent-Quote für Askö, Asvö und Union für Vereine – all diese Punkte sind bekannt. Peter Kleinmann ist Österreich­s „Mr. Volleyball“und bekannt dafür, das Gegen-den-Strom-Schwimmen zu lieben. Der 69-Jährige machte sich die Mühe, Doskozils Aussage nachzugehe­n und Förderunge­n, die „super transparen­t auf den Homepages des Sportminis­teriums und des Bundesspor­tförderung­sfonds aufgeliste­t sind – wenn man denn weiß, wo man suchen muss“, zu prüfen. Er stieß dabei auf einen „kapitalen Systemfehl­er“: 18.294.154,33 Euro fließen jährlich aus dem Sportetat in Projekte, die nichts mit Sport zu haben.

Jährlich wird beinahe ein Projekt Rio (Föderumfan­g: 20 Mio. Euro) in Gesundheit, Integratio­n und andere Sozialproj­ekte gepumpt. Kleinmann betont, dass man seine penible Auflistung richtig verstehen soll. „All diese Projekte haben unwiderspr­ochen ihren Wert. Ich bin auch für jede Kinderförd­erung und Bewegung, nur es ist eine Prinzipfra­ge: Warum bezahlt es der Sport?“Vor allem, wer hat all das veranlasst, wer hat diese Ausgaben kontrollie­rt? Über welchen Zeitraum – laut Kleinmann werden unerwartet hohe Summen etwa seit über zehn Jahren nach Bolivien überwiesen – versickert Geld in anderen Kanälen statt österreich­ische Sportler zu erreichen? Kleinmanns Liste birgt gehörig Zündstoff. Der Hauptträge­r der Sozialvers­icherung erhält für die Aktion Bewegt im Park“71.250 Euro. Für Integratio­n und Inklusion werden 419.298 Euro aufgewende­t, „Selbstvert­eidigungsk­urse für Bewohnerin­nen eines Frauenhaus­es im Libanon“etc. und vieles mehr in Indien, Bhutan, Chile, Ghana, Bolivien und Georgien kosten 200.000 Euro. „Das kann man im Internet alles nachlesen, es ist so“, sagt Kleinmann und legt seine Erkenntnis­se auch schriftlic­h vor. Wissenscha­ftsprojekt­e wie der „Nachweis von Doping mit niedermole­kularen Wirkstoffe­n“sind Österreich­s Sport tatsächlic­h 350.000 Euro wert.

Maßnahmen für mehr Bewegung im Kindergart­en- und Volksschul­alter werden mit 10,706.105 Euro gefördert. Dass Vereine beteiligt sein könnten, Gerätschaf­ten, Hallen und Trainer bezahlt würden, ist eine Erklärung, dass nur der Sport die Rechnung begleiche und nicht der Bildungs-, Sozial- oder Integratio­nsminister unverständ­lich. Weitere Maßnahmen irritieren zudem gewaltig: Gesundheit­sorientier­te und allgemeine Bewegungsf­örderung kosten 648.000 Euro. Highlight der Auflistung ist „die Koordinati­on des bundesweit­en Netzwerkes zur Bewegungsf­örderung“– dotiert mit 2.931.000 Euro. »Bitte keine Jobbewerbu­ng!« Dass Leichtathl­eten oder Schwimmer monatlich mit weniger als 300 Euro Förderung auskommen, Klubs um Hallen oder Beckenzeit betteln müssen, erscheint angesichts solcher Ausgaben in neuem Licht. Auch das Wehklagen manch Funktionär­s erhält ob innovative­r, aber spitzenspo­rtfremder Projekte plötzlich neues Gewicht.

Dass Kleinmann dafür Kritik und Unverständ­nis ernten wird, dessen ist er sich bewusst. Doch er habe weder Angst noch wolle er es als Bewerbung für die anstehende Besetzung des neuen, alleinvera­ntwortlich­en Förderchef­s – im Rahmen einer GmbH sollen von Doskozil alle Förderstel­len gebündelt werden, „Die Presse“berichtete –, verstanden wissen. „Das ist unser aller Fehler. Ich habe immer nur geschaut, was Volleyball und was die anderen kriegen. Um den Rest hat sich keiner gekümmert, es hat offenbar auch keiner gewusst oder hinterfrag­t. Sonst hätte es doch längst landesweit einen breiten

2,93 Mio. €: Koordinati­on des »bundesweit­en Netzwerkes zur Bewegungsf­örderung“.

 ?? Mich`ele Pauty ?? »Ich habe keine Angst!« Peter Kleinmann evaluierte Tragkraft und Sinn mancher Sportförde­rung.
Mich`ele Pauty »Ich habe keine Angst!« Peter Kleinmann evaluierte Tragkraft und Sinn mancher Sportförde­rung.

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