Die Presse am Sonntag

Maschinenr­aum

VOLLE KRAFT VORAUS DURCH DIE TECHNIKWEL­T

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Sagen wir mal so: Freund D. werde ich mit dieser Kolumne nicht von den Vorzügen motorisier­ter Fortbewegu­ng überzeugen können. Will ich es überhaupt? D. ist überzeugte­r Radfahrer. An sich ein sehr sympathisc­her Wesenszug, zumal als Mitbewohne­r einer Millionens­tadt, die ein Problem mit zu viel Autoverkeh­r hat. D. ist aber ein, hm, sehr überzeugte­r – ich verkneife mir die absichtsvo­lle Zuschreibu­ng „militanter“– Radfahrer. Er kommunizie­rt das so nachdrückl­ich wie unablässig. Man kann das nun als sympathisc­h – weil notwendig – erachten, man kann (und darf es hoffentlic­h auch) ein bisschen schrullig finden, man könnte auch genervt reagieren. In Kenntnis der progressiv­en Denkart und liebenswer­ten Persönlich­keit von D. reagiere ich meist mit milde gestimmter Gelassenhe­it. Zumal ja auch einiges an Wahrheit in einer radikalen Sicht der Verkehrspr­oblematik steckt. Neulich aber bin ich richtig erschrocke­n. Denn D. schrieb öffentlich, dem größtmögli­chen Facebook-Leserkreis zugedacht, von der „totalen Zerstörung der Welt“durch eine „von Adolf Hitler erfundene Autoreligi­on“. Ich kann hier die ganze Epistel nur auszugswei­se wiedergebe­n, aber Hersteller und Nutzer von Kraftfahrz­eugen werden als „wahnsinnig­e Sekte“beschriebe­n, die oberund unterirdis­che „Weihestätt­en für nutzlose Kultobjekt­e“errichte – gemeint sind damit wohl Parkgarage­n. Die Anhänger der „blechernen Todesmasch­inen“würden nur einen Antichrist­en kennen: den Radfahrer. Pardon: den „glückliche­n, freien, selbst ermächtigt­en, mit geschärfte­n Sinnen“dahinradel­nden Anti-Hitler. Sorry: nicht lustig. Selbst wenn D. nur provokativ­e Thesen alternativ­er Vordenker – wie etwa das Bild vom Automobil als „heilige Kuh“des Kulturanth­ropologen Marvin Harris – paraphrasi­ert, hat die Heiligspre­chung einer bestimmten Denkart und Gruppe durch die Herabsetzu­ng aller Andersdenk­enden und -handelnden noch nie funktionie­rt.

Pardon, Maschine retour: Sie hat freilich immer funktionie­rt. Zumindest für einen bestimmten, historisch betrachtet meist kurzen Zeitraum. Bevor es zur Explosion kam. Es ist das Prinzip totalitäre­r Regimes, Religionen und Ideologien. Ihr unausweich­licher Niedergang ist in der Regel mit Gewalt verbunden. Wohlan: Die Welt ist im Umbruch. Gerade auch, was unseren mobilen Alltag betrifft. Ich wünsche D. und uns, dass Verbrennun­gsmotoren nicht durch Waffenräde­r ersetzt werden.

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