Die Presse am Sonntag

Die verheirate­ten Geistliche­n

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Manchmal, wenn Uwe und Simone Hand in Hand die Straße entlanggeh­en, drehen sich die Leute nach ihnen um. Ihre Augen wandern dann von Simones Gesicht zu Uwes Hals und verharren auf seinem schwarzen Hemdkragen und dem weißen Kollar, das er darunter trägt. In den Blicken der Leute liegen Skepsis, Verwunderu­ng, oft ein Vorwurf, und immer eine Frage: „Was macht der Priester mit einer Frau?“Uwe und Simone sind ein Liebespaar. Aus diesen Blicken machen sie sich nichts.

Seit Uwe Eglau denken kann, sagt er, spüre er einen inneren Ruf in sich. Schon früh engagierte er sich in der Kirche und wollte Priester werden. „Aber so wie viele andere“, sagt er, „bin auch ich am Zölibat gescheiter­t.“

Uwe Eglau, 50 Jahre alt, sitzt an diesem regnerisch­en Abend Anfang Oktober auf einem braunen Ledersofa, das in seinem Zuhause, einer Wohnung im 17. Wiener Gemeindebe­zirk, steht. Simone Eglau, 39 Jahre alt, holt eine Flasche Rotwein an den Couchtisch, setzt sich neben ihn und greift nach seiner Hand. Die Wohnzimmer­wände sind dicht behängt mit Kreuzen und goldenen Heiligenbi­ldern. Dazwischen Fotos von Frida Kahlo, Winston Churchill, Viktor Frankl, Sigmund Freud. Uwe arbeitet als Psychother­apeut, Simone ist klinische Psychologi­n und Kunstthera­peutin, beide haben ihre Praxis hier im ersten Stock. Die Eglaus sind Eltern zweier Kinder, im Jahr 2002 haben sie geheiratet. Als sich Uwe sieben Jahre später zum Geistliche­n weihen ließ, saß Simone ganz vorn im Stephansdo­m und war stolz auf ihren Mann.

Uwe Eglau ist Teil einer Ausnahme in der katholisch­en Kirche. Auch als Ehemann und Familienva­ter traut er regelmäßig verliebte Paare, führt Beerdigung­en durch, segnet die Wohnungen seiner Verwandten und tauft die Kinder seiner Freunde. Seit 2009 ist er ständiger Diakon. Es ist das einzige geistliche Amt, das auch verheirate­te Männer bekleiden dürfen. Zahl der Diakone nimmt zu. Während es in Österreich von Jahr zu Jahr weniger Priester, Ordensmänn­er und Ordensfrau­en gibt, nimmt die Anzahl der ständigen Diakone stetig zu. Landesweit gibt es aktuell rund 700 Männer in diesem Amt, 200 allein in der Erzdiözese Wien. „Der Zölibat spielt hier sicher eine große Rolle“, sagt Andreas Frank. „Die Verbindung von Beruf, Familie und geistliche­m Amt ist für viele attraktiv.“Frank ist Vize-Ausbildung­sleiter des Diakonenin­stituts in Wien und leitete den diesjährig­en Jahrgang. Am 15. Oktober wird Erzbischof Christoph Schönborn erneut 15 Männer zu ständigen Diakonen weihen, 13 davon sind verheirate­t.

Sie sind Beamte und Pensionist­en, arbeiten als Ärzte und Architekte­n, als Pädagogen und Projektman­ager. Nach ihrer Weihe dürfen sie bis auf die Leitung der Eucharisti­efeier, des Bußsakrame­nts und der Krankensal­bung alle Aufgaben eines Priesters übernehmen.

„Hauptaufga­be der Diakone ist es aber, den Kranken und Armen zu dienen“, sagt Andreas Frank. „Und für die Menschen am Rande der Gesellscha­ft da zu sein.“Viele Diakone engagieren sich neben Tätigkeite­n in der Pfarre in Pflegeheim­en, Altenhäuse­rn oder der Flüchtling­shilfe. Andere arbeiten ehrenamtli­ch als Seelsorger bei der Feuerwehr, der Rettung oder – wie Uwe Eglau – bei der Polizei.

Seit 2007 besucht Eglau einmal pro Woche sechs Polizeista­tionen in Wien und erkundigt sich nach dem Seelenlebe­n der Beamten. Er trägt dann eine Polizeiuni­form, die an den Schultern mit kleinen Kreuzen bestickt ist. Die

In den Blicken der Leute liegt eine Frage: »Was macht der Priester mit einer Frau?«

Arbeit bei der Polizei ist für ihn eine wichtige Aufgabe. „Die Polizisten haben in der Bevölkerun­g keinen wirklich guten Stand oder Ruf“, sagt er. „Der Beruf ist sehr herausford­ernd geworden, und viele stehen unter starkem Druck.“Neben seiner Arbeit als Psychothe-

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