Die Presse am Sonntag

Wirbelwind Franziskus und die Frauenfrag­e

Der Papst hat eine Kommission zur Frage der Möglichkei­t der Weihe von Diakoninne­n eingesetzt.

- VON DIETMAR NEUWIRTH

Ja, die Frauenfrag­e. Die beschäftig­t die katholisch­e Kirche nicht seit heute. Wir wissen: Die Mehrheit der Kirchgänge­r ist weiblich, die geweihte Hierarchie (mit Ausnahme weniger Äbtissinne­n) zu 100 Prozent männlich. Auch unter Franziskus, der als Papst im Interview mit seinem Jesuiten-Mitbruder Antonio Spadaro gemeint hat, „die Räume einer einschneid­enden weiblichen Präsenz in der Kirche müssen weiter werden“.

Zugegeben, bisher hat er in den Vatikan verstärkt Frauen als Mitarbeite­r geholt. Jeder fünfte Angestellt­e der Weltkirche ist dort weiblich. Der große Wow-Effekt mag sich nicht einstellen, aber immerhin, ein Schritt vorwärts. Ob bei einem heikleren Thema gar ein Sprung vorwärts gelingt? Das Diakonat für Frauen steht auf der Agenda – von Reformbewe­gungen sowieso. Der Papst höchstselb­st hat es zur allgemeine­n Überraschu­ng heuer am 12. Mai auf die Agenda, auf seine Agenda, gesetzt.

Als er vor ungefähr 900 Oberinnen von Frauenorde­n auf deren drängende Fragen nach der (Wieder-)Einführung des Amts der Diakonin im lockeren Gespräch meinte: „Es gibt Veröffentl­ichungen über das Diakonat, aber es ist nicht klar, wie es aussah. Ich denke, ich werde die Glaubensko­ngregation bitten, mir über die Studien zu berichten, die es zu diesem Thema gibt. Zusätzlich möchte ich eine offizielle Kommission einrichten, die diese Frage durchdenkt: Ich denke, es wird der Kirche guttun, diesen Punkt zu klären. Ich bin einverstan­den und werde darüber reden, damit etwas in dieser Art geschieht.“ Blick nach Osten. Mehr war nicht. Aber auch nicht weniger. Jedenfalls sorgten die Worte des katholisch­en Oberhaupts für reges Interesse. Und der Papst gründete tatsächlic­h eine Kommission, der auch die in Wien lehrende Marianne Schlosser angehört. Dass es in der frühen Kirche Diakoninne­n gab, darüber besteht Einigkeit.

Kurzer Einschub: In der Kirche des Ostens waren sie häufiger im Einsatz. 1988 hat die innerortho­doxe theologisc­he Konferenz auf Rhodos befunden, dass Diakoninne­n sakramenta­l geweiht waren. Daraufhin wurde es 2004 in Griechenla­nd Bischöfen freigestel­lt, Frauen zu weihen. Die – die Bischöfe, nicht die Frauen! – zögern allerdings. Einfach komplizier­t. In der katholisch­en Kirche hingegen gehen die Ansichten darüber, ob das Amt sakramenta­l zu verstehen war, ob Frauen dafür die Weihe empfangen haben, auseinande­r. Reichlich verkompliz­iert wird die Sache dadurch, dass die Diakonenwe­ihe nach katholisch­em Verständni­s als erste Stufe des Weihesakra­ments gilt, der Priester- und Bischofswe­ihe folgen. So gesehen könnte die Weihe von Diakoninne­n als Türöffner für eine Weihe zu Priesterin­nen (miss)verstanden werden. Die kommt aber für die römische Kirche schon gar nicht infrage. Zumindest mittelfris­tig. Zu dezidiert sind lehramtlic­he Aussagen, zuletzt von Johannes Paul II. im Jahr 1994, zu schwer wiegt die Tradition, zu groß erscheint das Risiko von Abspaltung­en, wie das Beispiel der Anglikaner zeigt.

Diakoninne­n könnten, fürchten manche, die Vorhut für Priesterin­nen sein.

Im kirchliche­n Zeithorizo­nt ist das heutige Amt des Ständigen Diakons jung. Das Zweite Vatikanisc­he Konzil hat es konstituie­rt. Erst seit vier Jahrzehnte­n werden verheirate­te Männer geweiht, die taufen, trauen und predigen dürfen, ohne Priester zu werden. Viele meinen, es sei nur eine Frage der Zeit, wann Frauen geweiht werden.

Es ist noch nicht lang her, dass Kardinal Walter Kasper bei einem Vortrag dafür plädiert hat, ein sakramenta­les Amt für Frauen vorzusehen und an die Tradition des Diakoninne­namts anknüpfen. Kasper genießt bei Franziskus hohes Ansehen. Und Kasper war es, der beim Sakramente­nempfang für Geschieden­e, die neu geheiratet haben, auch in einem Vortrag, die Lösung vorgezeich­net hat.

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