Eine Schneise der Verwüstung
Hurrikan Matthew hat in Haiti massive Schäden angerichtet. Ein schwerer Schlag für den armen Karbikstaat, der mit einer politischen Krise und den Spätfolgen des Erdbebens von 2010 kämpft.
Erst langsam wird das gesamte Ausmaß der Katastrophe klar – jetzt, da der Sturm vorübergezogen ist und die Hilfskräfte in abgelegene Gegenden vordringen können, um in den Ruinen der Häuser nach Überlebenden zu suchen. Mindestens 900 Menschen sind auf Haiti durch den Hurrikan Matthew gestorben, der zunächst durch die Karibik gerast ist und nun weiter durch den Südosten der USA zieht. So lautete die schreckliche Opferbilanz, die gestern, Samstag, bekannt geworden ist. Und die Zahl der Toten könnte noch weiter steigen. Denn noch konnten die Behörden Haitis nicht alle Informationen über die Verwüstungen zusammentragen, die der Sturm hinterlassen hat. Zehntausende Menschen wurden obdachlos.
Besonders schwer getroffen wurden mehrere Städte und Siedlungen an der westlichen Spitze der Insel – darunter auch die Ortschaft Chantal. „Ein Baum ist auf unser Haus gefallen und hat es zerstört. Das Gebäude ist über uns eingestürzt. Ich konnte nicht mehr raus“, erzählt der 27-jährige Jean-Pierre Jean-Donald der Nachrichtenagentur Reuters. „Leute sind gekommen, um die Trümmer wegzuräumen. Dann haben wir die Leiche meiner Frau gesehen“, sagt der verzweifelte Mann. Er hatte erst vor einem Jahr geheiratet. Viele Tote durch umstürzende Bäume. Mindestens 86 Menschen sind in Chantal gestorben, als der Hurrikan Matthew durch den Ort fegte – die meisten davon durch umstürzende Bäume, schildert der Bürgermeister von Chantal. Etwa 20 Personen werden nach wie vor vermisst. Nicht nur Bäume, sondern auch Strommasten wurden vom Sturm geknickt.
Auch die Provinzhauptstadt Jer´e-´ mie wurde vom Wirbelsturm schwer gezeichnet. Der Hurrikan zerstörte nicht nur Gebäude, er sorgte auch für massive Überflutungen. Augenzeugen berichten, dass eine Mischung aus Wasser, Schlamm und Geröll die Straßen verstopft. Menschen sitzen in den Ruinen ihrer einstigen Häuser, mit dem Rest ihrer Habseligkeiten, die sie aus den Trümmern retten konnten.
Die meisten der Dächer wurden abgetragen – auch von großen Gebäu- den wie der Kirche und dem Krankenhaus. Aus der Luft aufgenommene Bilder, die die Nachrichtenagentur AFP veröffentlicht hat, zeigen großflächige Verwüstungen in der Stadt. Laut einer Mitarbeiterin der Hilfsorganisation Care sind 80 Prozent der Häuser in Jer´emie´ zerstört oder beschädigt.
schicken Hilfe. Wegen des schmutzigen Wassers in den Straßen befürchten Helfer den Ausbruch von Krankheiten wie Cholera. Auch die Nahrungsmittel in den betroffenen Ge- bieten werden knapp. Um den Menschen auf Haiti zu helfen, entsandten die USA am Samstag das amphibische Transportschiff Mesa Verda. Das Schiff der US-Marine hat schwere Transporthubschrauber und Bulldozer an Bord, Fahrzeuge zur Trinkwasserversorgung und zwei medizinisch voll ausgestattete OP-Räume. Politische Krise. Die Hurrikankatastrophe hat Haiti noch tiefer in die Krise gestürzt. Denn der Inselstaat zählt ohnehin zu den ärmsten Ländern Lateinamerikas. Zudem ist die politische Lage instabil. Ein Dauerstreit zwischen Opposition und Regierung lähmt Haiti. Heute, Sonntag, hätten eigentlich Par-
Menschen
sind bei der jüngsten Hurrikankatastrophe auf Haiti ums Leben gekommen, berichteten Medien am Samstag. Die Zahl der Todesopfer könnte aber noch weiter steigen, weil sich die Helfer erst langsam in den abgelegeneren Gegenden des Inselstaates ein Bild von den Verwüstungen machen können.
Millionen Euro
Nothilfe will die EU nun für die betroffenen Menschen auf Haiti bereitstellen. Das Land gilt als Armenhaus Lateinamerikas. laments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden sollen. Wegen der Ausnahmesituation durch den Wirbelsturm wurde der Urnengang verschoben. Das Ergebnis der letzten Präsidentschaftswahl wurde nach Betrugsvorwürfen für ungültig erklärt. Seit Monaten ist eine Übergangsregierung im Amt.
Zudem leidet der Inselstaat nach wie vor an den Folgen des verheerenden Erdbebens vom Jänner 2010. Damals wurden etwa 300.000 Menschen getötet. Das Beben richtete gewaltige Schäden bei Gebäuden und Infrastruktur an. Etwa 1,8 Millionen Menschen verloren ihr Zuhause.
Ein Dauerstreit zwischen Opposition und Regierung lähmt den Inselstaat.
Zwei Millionen Menschen fliehen. Am Wochenende zog Hurrikan Matthew weiter über die Südostküste der USA. Im Vergleich zu den schweren Verwüstungen auf Haiti waren die Schäden durch den Sturm in den USA zunächst weit geringer. Laut dem Sender CNN kamen mindestens vier Personen ums Leben. Insgesamt verließen zwei Millionen Menschen mehrerer US-Bundesstaaten ihre Häuser, um sich in Sicherheit zu bringen.
Matthew schrammte knapp an Florida vorbei. Er erreichte bis zu 165 Stundenkilometer. Das Hurrikan-Zentrum NHC berichtete am Samstag von Sturmfluten in South Carolina und Georgia. Es warnte zudem davor, dass es in den kommenden Stunden entlang der Küste dieser Bundesstaaten zu lebensbedrohlichen Überschwemmungen kommen könnte.