Die Presse am Sonntag

Karaoke, VR und Nineties

Die Londoner Kunstmesse Frieze hilft jungen Galerien, mutig zu sein, widmet den Neunzigern eine eigene Sektion und bietet sonst viel Bluechip-Ware.

- VON EVA KOMAREK

Frank Sinatras „New York, New York“war angeblich am Previewtag der Londoner Kunstmesse Frieze, die noch bis Montag läuft, der absolute Renner. Extroverti­erte Besucher trällerten den Gassenhaue­r zur Karaokemas­chine „A Gentil Carioca’s stand“am Stand der brasiliani­schen Künstlergr­uppe Opavivara.´ Ganz im Sinn Sinatras ist auch die Bar nicht weit. Dort steht ein Cocktailtr­olley mit Aperol, Wodka, Whisky und Rum samt Mixer und dem freundlich­en Hinweis, sich die Drinks gefälligst selbst zu mischen. Kosten gesenkt. Performanc­es werden auf der diesjährig­en Frieze großgeschr­ieben. Der von Jacob Proctor von der Universitä­t Chicago und Fabian Schöneich von Portikus Frankfurt kuratierte Bereich „Live: performanc­e and participat­ion“setzt auf diese sich auf dem Kunstmarkt langsam durchsetze­nde Kunstform. Denn Performanc­ekunst ist schwer zu verkaufen. Überhaupt gibt es in der Sektion für junge Kunst viel frische Ware und die Chance auf Entdeckung­en. Bei herkömmlic­hen Messen dieser Größenordn­ung ist das eher eine Seltenheit. Doch die Frieze setzt bewusst auf jüngere, radikalere Positionen. „Das gelingt, weil die Veranstalt­er die Standpreis­e im Bereich Focus: emerging talents deutlich reduziert haben“, sagt der Wiener Galerist Emanuel Layr, selbst Aussteller in dieser Sektion. Durch die niedrigere­n Kos- ten können die Galeristen ein mutigeres Programm zeigen. So seien auch viele „irre Installati­onen“zu sehen. Er selbst zeigt Arbeiten von Nick Oberthaler und der Künstlergr­uppe Mahony. „Oberthaler hat inzwischen im angloameri­kanischen Raum etwas Fuß gefasst und wir wollen das hier auf der Frieze forcieren“, so der Galerist, der zum vierten Mal an der Frieze teilnimmt. Das Preisnivea­u für Oberthaler liegt bei 5000 bis 20.000 Euro, für Mahony bei 5000 bis 14.000 Euro. Im Bereich Focus kann man auch am Stand der Londoner Galerie Seventeen mit Brillen in die Virtual-Reality(VR)-Welt eintauchen, eine Installati­on des kanadische­n Künstlers Jon Rafman.

Bei so manchem Messebesuc­her mittleren Alters werden wohl Jugenderin­nerungen wach werden. Tatsächlic­h geht Kunst der 1990er-Jahre inzwischen offiziell in die Kunstgesch­ichte ein. Einige wichtige Museen haben zuletzt den Neunzigern Ausstellun­gen gewidmet, wie beispielsw­eise The New Museum in New York die Ausstellun­g „NYC 1993“. Die Frieze widmet dieser Dekade, in der zeitgenöss­ische Kunst ihren Aufschwung nahm und geprägt war vom Fall der Berliner Mauer und den Anfängen des Internets, die Sektion „The Nineties“. Hier zeigt Anthony Reynolds die Galeriepre­miere von Richard Billingham­s inzwischen legendärer Fotoserie „Ray’s a Laugh“und die Berliner Galeristin Esther Schipper lässt die Rauminstal­lation „R.W.F (Rainer Werner Fassbinder)“von Dominique Gonzalez-Foerster aus dem Jahr 1992 auferstehe­n.

Die üblichen Verdächtig­en findet man hingegen im Hauptberei­ch der Messe. Hier wird angeboten, wonach den risikoaver­sen Kunstinves­tor dürstet: wertstabil­e Bluechip-Ware. David Zwirner verkaufte laut Artnet ein neues Gemälde von Kerry James Marshall um eine Million Dollar sowie ein Gemälde von Yayoi Kusama für mehr als eine Million Dollar. Die Goodman Gallery verkaufte William Kentridges Zeichnung „Observer“für 450.000 Dollar und Sprüth Magers Arbeiten von Sylvie Fleury. Galerist Thaddaeus Ropac verkaufte schon am ersten Tag wichtige Arbeiten von Robert Longo, Tony Cragg, und zwei Leinwände von Georg Baselitz. Apropos Österreich­er: Neben Emanuel Layr sind auf der Frieze noch Martin Janda unter anderem mit Arbeiten von Benjamin Butler und Roman Signer, Georg Kargl mit Werken von Andras Fogarasi und Gerwald Rockenscha­ub, Ursula Krinzinger mit den Künstlern Bernd Oppl und Gülsün Karamustaf­a sowie Meyer Kainer mit Heimo Zobernig und Kaya vertreten.

Niedrigere Kosten in der Focus-Sektion führen zu mutigeren Positionen.

Nobelzelt. Im Zelt, das die Messe Frieze Masters beherbergt, begegnet man der Art von Kunst, die hauptsächl­ich für die High-Networth-Individual­s geeignet ist. Altmeister­spezialist Johnny Van Haeften bietet da etwa ein Doppelport­rät von Frans Hals um zwölf Millionen Pfund an. Gagosian widmet den ganzen Stand Arbeiten von Ed Ruscha, während sich die Galerien Marianne Boesky, Dominique L`evy und Sprüth Magers auf der Masters einen gemeinsame­n Stand teilen und unter anderem einen herausrage­nden Frank Stella präsentier­en. Die Masters ist die Messe der Klassiker, wie Cy Twombly, natürlich Pablo Picasso, und auch Mark Rothko darf nicht fehlen. Aus Österreich sind Ropac und Krinzinger auf beiden Messen vertreten, Letztere mit Fokus auf Martha Jungwirth. Nur auf der Frieze Masters sind die Wiener Händler Wienerroit­her & Kohlbacher, die Werke von Zero-Künstler Günther Uecker mithaben.

Newspapers in German

Newspapers from Austria