Die Presse am Sonntag

»Der große Zeigefinge­r fällt jetzt hoffentlic­h weg«

Man habe mehr Möglichkei­ten als gedacht, sagt Erika Tiefenbach­er von der NMS Schopenhau­erstraße. Oft fehle aber das Vertrauen.

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Angst vor mehr Verantwort­ung durch mehr Schulauton­omie hat Erika Tiefenbach­er nicht. „Die Verantwort­ung hatten wir immer schon“, sagt die Direktorin der Neuen Mittelschu­le Schopenhau­erstraße in Wien Währing. Wenn man gut genug erklärt habe, warum eine neuartige Idee, beispielsw­eise eine schulüberg­reifende Berufsorie­ntierung, pädagogisc­h sinnvoll sei, habe man sie meist auch bisher umsetzen dürfen. „Aber der große Zeigefinge­r von der Behörde fällt jetzt hoffentlic­h weg“, sagt die 51-Jährige, die seit 13 Jahren eine jener Wiener Schulen leitet, in der fast alle Schüler ausländisc­he Wurzeln haben.

„Wir haben jetzt schon mehr Möglichkei­ten, als wir glauben“, sagt Tiefenbach­er zum Status quo. Sie sei gut vernetzt, wenn ihr interessie­rte Junglehrer Bewerbunge­n schicken, bittet sie ihre Inspektori­n, diese für sie anzuforder­n. Neue Fächer festlegen dürfe man, wenn auch in relativ geringem Ausmaß, jetzt schon – für ihre 320 Schüler hat sie zum Beispiel das Fach „Lernen lernen“eingeführt, und das Freifach Lebenspers­pektiven. „Das zwickt man dann woanders ab“, sagt die ausgebilde­te Volksund Hauptschul­lehrerin und studierte Sonder- und Heilpädago­gin.

Eine Klasse ist durch die jährlichen Projekttag­e, bei denen die ganze Schule an einem Thema wie Heimat oder Brückenbau­en arbeitet, auf den Geschmack des thematisch­en Lernens gekommen – und macht so etwas jetzt öf- ter: Eine Woche lang behandeln zum Beispiel alle Lehrer in ihren Fächern das Thema Wasser – und heben teilweise ihren Unterricht auf. „Das sind diese Grauzonen“, sagt Tiefenbach­er. Es ist nicht hundertpro­zentig festgeschr­ieben – aber verboten ist es auch nicht.

Was den Lehrplan angeht, gebe es auch schon jetzt deutlich mehr Flexibilit­ät als vielfach gedacht: „Im Normalfall hoffen Lehrer meist, das Lehrbuch im Lauf des Schuljahre­s durchzubri­ngen. Müssten sie aber gar nicht. Es gibt Kernbereic­he und Erweiterun­gsbereiche. Und man muss nicht alles lehren.“ Immer nachfragen. Dass das Schulauton­omiepaket der Schule erlauben soll, den Stundentak­t selbst festzulege­n, findet Tiefenbach­er sehr gut. „Ich freue mich darauf, dass ich nicht mehr alle Veränderun­gen bei der Behörde nachfragen muss und dann vielleicht höre: ,Eine Doppelstun­de in Mathematik oder Deutsch? Das geht nicht.‘“Da habe bisher oft einfach das Vertrauen gefehlt, dass man mit solchen Maßnahmen im Sinne der Schüler agiere.

Einen Schulclust­er zu leiten, könnte sich Tiefenbach­er, die jetzt schon einen zweiten Standort als Expositur leitet, gut vorstellen – wenn es administra­tive Unterstütz­ung gibt. „Ich bin Direktorin geworden, weil ich mit meinem Team am Schulstand­ort gemeinsam etwas entwickeln will – und nicht, um Daten in den Computer einzugeben.“beba

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