Die Presse am Sonntag

Über Wien an die Weltspitze

Andy Murray, Superstar des Stadthalle­nturniers, könnte Novak Djokovi´c bald in der Weltrangli­ste überholen. »Wer weiß, ob sich mir noch einmal eine solche Chance bietet.«

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Man könnte es Künstlerpe­ch nennen, oder schicksalh­aft. Jedenfalls war Andy Murray während seiner Karriere nicht immer vom Glück verfolgt. Der Schotte mit dem Hang zur unterhalte­nden Exzentrik galt schon in seinen jungen Profijahre­n als außergewöh­nlich begabt. Er sammelte bald eifrig Titel, nur nicht die ganz großen. Diese waren fast ausnahmslo­s Roger Federer und Rafael Nadal vorbehalte­n. Als die Dominanz des schweizeri­schspanisc­hen Duos dann allmählich verloren ging, schickte sich Novak Djokovic´ an, die Rolle des Branchenpr­imus zu übernehmen.

Das Spiel des Serben, der zwölf Grand-Slam-Trophäen sein Eigen nennt, schien lange Zeit makellos, Niederlage­n des Mannes aus Belgrad glichen Sensatione­n. Als Djokovic´ Anfang Juni erstmals die French Open in Paris gewann, fügte er seinem Karrierepu­zzle das letzte noch fehlende Teil hinzu – er hielt nun alle vier Major-Titel gleichzeit­ig, eine Besonderhe­it. Mit dieser Errungensc­haft schwanden beim Weltrangli­stenersten Motivation und Ziele, Profiteur dieser Situation war Murray. Nachdem sich der Brite auf eine abermalige Zusammenar­beit mit Trainer Ivan Lendl einigen konnte, drang er in neue Sphären vor. Nach seiner bis dato stärksten Sandplatzs­aison inklusive French-Open-Finalteiln­ahme avancierte er seit dem Sommer zum konstantes­ten Spieler auf der Tour. Neben seinen Turniersie­gen im Londoner Queen’s Club, Wimbledon, Peking und Shanghai triumphier­te der 29-Jährige auch bei den Olympische­n Spielen in Rio de Janeiro, wenngleich ihm Gold keine zusätzlich­en Weltrangli­stenpunkte einbrachte.

Murray gewann 30 seiner jüngsten 32 Matches auf der Tour und scheiterte nur bei den US Open (Viertelfin­ale gegen Nishikori) vor dem Endspiel. All diese Zahlen und Fakten lassen seinen großen Traum, wie Federer, Nadal oder Djokovic´ auch selbst einmal die Nummer eins der Welt zu werden, realistisc­h wie nie zuvor erscheinen. „Die vergangene­n paar Monate haben mir bewiesen, dass ich dorthin (an die Weltrangli­stenspitze, Anm.) gehen kann. Ich werde alles daran setzen,

Turniersie­ge

hat der Schotte Andy Murray, „Order of the British Empire“, bereits zu Buche stehen. Seine größten Erfolge sind der Gewinn der US Open 2012 und Wimbledon 2013 & 2016 sowie Olympiagol­d 2012 und 2016 – und der Daviscup-Sieg 2015.

Millionen Dollar

hat die aktuelle Nummer zwei der Tenniswelt­rangliste an Karrierepr­eisgeld verdient.

Aufschlag

In der Wiener Stadthalle trifft Murray zum Auftakt auf Martin Klizan (SVK). Dominic Thiem muss sich am Dienstag mit Gerald Melzer messen, es kommt damit zum Duell von Österreich­s Nummer eins gegen die Nummer zwei. Jürgen Melzer bekommt es in Runde eins mit ShanghaiFi­nalist Roberto Bautista Agut (ESP) zu tun. dieses Ziel zu erreichen“, sagte Murray nach seinem Erfolg in Shanghai und ergänzte: „Wer weiß schon, ob sich mir noch einmal eine solche Chance bietet.“ Jeder Sieg zählt. Die Arithmetik der Weltrangli­ste ist per se keine einfach zu verstehend­e, im konkreten Fall aber doch nachvollzi­ehbar. Gewinnt Murray die Turniere in Wien (ATP 500) und Paris-Bercy (ATP 1000) und erreicht Djokovic´ in Frankreich­s Hauptstadt nicht das Endspiel, dann übernimmt er noch vor den abschließe­nden World Tour Finals in London den Thron.

Extrawünsc­he? Fünf bis sechs Hotelzimme­r, Essen und einen passenden Massagetis­ch.

Für die am Montag mit dem Hauptbewer­b beginnende­n Erste Bank Open in der Wiener Stadthalle ist Murray neben Lokalmatad­or Dominic Thiem das große Zugpferd. Die Zusage des Superstars ist ein Segen für das Turnier, macht die schwierige Suche nach Sponsoren etwas einfacher und ist ein Garant für den Verkauf zahlreiche­r Tickets. Murray gastiert zum zweiten Mal in Wien, 2014 gewann er gegen David Ferrer, diesmal ist der Spanier Titelverte­idiger. Turnierdir­ektor Herwig Straka weiß um die Wichtigkei­t von Murrays Antreten, die öffentlich­e Wahrnehmun­g ist durch den Aufschlag eines Wimbledon-Champions und Olympia-Siegers eine völlig andere.

Der Schotte – er hat allein mit Preisgelde­rn über 52 Millionen Dollar verdient – kennt seinen Wert und genießt den Sonderstat­us. Nach Österreich kam er mit Frau Kim und der acht Monate alten Tochter Sophia. Straka sagt über seine Nummer eins: „Er hat viele Extrawünsc­he, ist aber nicht komplizier­t.“Worauf Murray denn besonderen Wert legt? „Dass er fünf bis sechs Hotelzimme­r bekommt, das richtige Essen serviert wird – und der Massagetis­ch passt.“

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