Die Presse am Sonntag

Nach der Haft in Ägypten: Erste Schritte in der Freiheit

Er gab Handelssch­iffen Begleitsch­utz gegen Piraten, bis er im November 2011 in Kairo verhaftet wurde. Der Österreich­er Hannes Führinger saß fünf Jahre lang in dem ägyptische­n Gefängnis Al Qanater. Vor elf Tagen kehrte er heim. Eine Begegnung.

- VON ANNA-MARIA WALLNER

Es passierte ausgerechn­et an der Supermarkt­kasse im burgenländ­ischen St. Margarethe­n. Hier begriff er, dass er fünf Jahre seines Lebens verpasst hatte. Ausgelöst durch eine flüchtige Bewegung seiner Frau. Sie hatte ihre Kontokarte kurz an die Bankomatka­sse gehalten und war aus dem Geschäft gegangen. Warum sie nicht gezahlt habe, hatte er gefragt. Und sie ihm entgegnet, dass man das heute eben so macht wie sie gerade.

Hannes Führinger saß fünf Jahre lang in dem ägyptische­n Gefängnis Al Qanater. Jetzt ist er wieder frei, seit nicht einmal 14 Tagen. Am 11. Oktober ist er auf dem Flughafen Schwechat gelandet. Seither gewöhnt er sich langsam an die Freiheit. Das Schönste sei die erste warme Dusche gewesen, sagt er. Und der Moment, als er mit seinen nackten Füßen das Gras gespürt habe. Nach einer kurzen Karriere beim Bundesheer hatte sich der heute 36-Jährige mit einer Sicherheit­sfirma selbststän­dig gemacht, um Handelssch­iffen bewaffnete­n Begleitsch­utz gegen Piraten zu geben. Am 2. November 2011 befand er

Hannes Führinger:

„Al Qanater – Fünf Jahre im Gefängnis von Kairo“ Verlag edition a 240 Seiten 21,90 Euro sich auf dem Weg zu einem Frachter in Suez, als er nach der Landung auf dem Flughafen in Kairo festgehalt­en wurde. Er konnte keine Genehmigun­g für seine vier Gewehre und 200 Stück Munition vorweisen. Das Stück Papier, das ihm ägyptische Bekannte besorgt hatten, stellte sich als Fälschung heraus. Als die Behörden 5000 Euro Schmiergel­d von ihm verlangten, die er weder bei sich hatte und wenn, wie er sagt, nur gegen Rechnung bezahlt hätte, wurde er inhaftiert. Eineinhalb Jahre später wurde er zu sieben Jahren Haft verurteilt. In Österreich hätten die ihm angelastet­en Delikte nur eine Verwaltung­sstrafe nach sich gezogen. Schreiben auf der Spielkonso­le. Das Haus in St. Margarethe­n, in das ihn seine Frau Lisa nach seiner Ankunft auf dem Flughafen Schwechat gebracht hat, kannte er noch nicht. Seine Familie war während seiner Haft umgezogen. Nun sitzt er an dem kleinen, hellen Holztisch und raucht eine Zigarette. Im Hintergrun­d läuft ein Radio, auf dem Tisch steht eine Kerze mit rotem, schon ganz flüssigem Wachs, daneben liegen zwei Smartphone­s und Führingers Buch. Er hat die Zeit in der Haft dazu genutzt, seine Geschichte aufzuschre­iben. Von der plötzliche­n Inhaftieru­ng, dem Prozess und den miserablen Haftbeding­ungen. Von Ratten und Kakerlaken und den Übergriffe­n seiner Mitgefange­nen. Das sei wichtig gewesen, um das Erlebte zu verarbeite­n, sagt er. In der Haft waren ihm zwar Mobiltelef­one verboten, doch nach einer gewissen Zeit durfte er zwei eingeschmu­ggelte Spielkonso­len behalten. Die baute er so um, dass er damit ins Internet kam und via E-Mail und Facebook nicht nur mit seiner Familie kommunizie­ren, sondern eben auch seine Erinnerung­en aufschreib­en konnte. Der Wiener Verlag Edition a hat seine Notizen überarbeit­et und am vergangene­n Freitag, nur zehn Tage nach Führingers Rückkehr, das Buch „Al Qanater“herausgebr­acht.

Hannes Führinger wirkt ruhig. Sein Blick ist klar und fest, da gibt es kein Zwinkern oder Zappeln. Er trägt einen dunkelblau­en Kapuzenpul­lover und beigefarbe­ne Baggy-Pants, eine sehr große, schwarze Uhr, auf dem Ringfinger seiner rechten Hand einen schlichten, silbernen Ehering. Nur knapp zwei Jahre vor seiner Inhaftieru­ng haben er und Lisa Führinger geheiratet. Sie kannten einander aus der Schulzeit, hatten sich aber aus den Augen verlo-

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria