Die Presse am Sonntag

Im Mikrokosmo­s von Clintonlan­d und Trumpworld

Die Macht der Familiencl­ans. Hillary Clinton vertraut einem eingeschwo­renen Zirkel um Bill und Tochter Chelsea, Donald Trump vor allem Tochter Ivanka und Schwiegers­ohn Jared Kushner.

- VON THOMAS VIEREGGE

Huma Abedin hält den Schlüssel zu Clintonlan­d in der Hand, zur Hemisphäre des Clinton-Clans um Hillary, Bill und Chelsea, zum hermetisch­en innersten Zirkel der Freunde und Vertrauten der Clintons. „Sie ist wie eine zweite Tochter“, sagte Hillary Clinton über ihre engste Mitarbeite­rin, die vor 20 Jahren im Weißen Haus als Praktikant­in bei der damaligen First Lady begonnen hat und seither nicht mehr von ihrer Seite wich. Als Assistenti­n der Senatorin, als Vize-Stabschefi­n der Außenminis­terin, als diskrete Beraterin und Vize-Wahlkampfm­anagerin steht die 40-Jährige mit den indisch-pakistanis­chen Wurzeln, geboren in den USA und als Muslimin in Saudiarabi­en aufgewachs­en, Clinton außerhalb deren eigener Familie am nächsten. Sie genießt das absolute Vertrauen ihrer Chefin und gilt als künftige Stabschefi­n im Weißen Haus – eine Schlüsselp­osition.

Schon bisher regelte Abedin den Zugang zu Hillary Clinton. Sie verschafft­e großzügige­n Spendern der Clinton-Stiftung Termine bei der dama- ligen Außenminis­terin, wie die von mutmaßlich­en russischen Hackern der Online-Plattform WikiLeaks zur Verfügung gestellten E-Mails aus dem Dunstkreis Clintons enthüllten. Dies weckte prompt den Verdacht auf allfällige Interessen­konflikte Clintons und untermauer­te Vorwürfe gegen die Clintons.

Abedin steckt selbst nun mitten in einer peinlichen wie verhängnis­vollen Affäre, wie dies auch die Doku „Weiner“schildert. Sie verließ Anthony Weiner, ihren Mann und Vater ihres vierjährig­en Sohns, nachdem sich der Ex-Abgeordnet­e und frühere New Yorker Bürgermeis­terkandida­t als Wiederholu­ngstäter im „Sexting“erwiesen hatte. Er hatte neuerlich anzügliche Fotos samt Text via soziale Medien verschickt, was ihm seine politische Karriere gekostet hatte. Und auch im jüngsten Skandal spielt sein Handy einen unrühmlich­en Part. Es gab den Anstoß, die Untersuchu­ng in Clintons E-Mail-Affäre nochmals aufzurolle­n. Auf Vergebung darf er längst nicht mehr hoffen. Dabei hat just Hillary Clinton dies Huma Abedin ein ums andere Mal vorexerzie­rt.

Das Powerpaar der US-Politik hat indessen einst in Arkansas angeblich einen mythenumra­nkten Pakt geschlosse­n. Demnach sei erst Bill als Präsident an der Reihe und danach Hillary. „Zwei Präsidente­n zum Preis von einen“, so pries Bill Clinton anno 1993 die neue Ära im Weißen Haus an. Im Laufe ihrer Karriere hat Hillary viele Opfer, Demütigung­en und Verrenkung­en hingenomme­n, um nun als erste Frau in der USGeschich­te vor den Pforten von 1600 Pennsylvan­ia Avenue – der Adresse des Präsidente­nsitzes – zu stehen.

Hillary Clinton setzt auf Kontinuitä­t. Auch im zweiten Anlauf nach 2008 zählt sie auf alte Freunde: John Podesta, Ex-Stabschef ihres Mannes und Gründer der Denkfabrik Center for American Progress, der das Übergangst­eam Barack Obamas geleitet hat, fungiert als Wahlkampfm­anager. Zum eingeschwo­renen Kreis der „Friends of Bill“und zu den Fixsternen im Clinton-Universum gehört überdies Terry McAuliffe, ExVorsitze­nder der Demokraten, genialer Spendensam­mler und Netzwerker, inzwischen Gouverneur von Virginia.

Im Clinton-Mikrokosmo­s agieren indes Bill und Chelsea Clinton als wichtigste Einflüster­er. Der charismati­sche Ex-Präsident, ein Political Animal und als solcher ein begnadeter Wahlkämpfe­r und Stratege, hat acht Jahre als Präsident allen Turbulenze­n getrotzt. Mit seinem Hang zu Fauxpas und Skandalen ist er jedoch zugleich auch der größte Klotz am Bein seiner Frau. Als First Husband könnte er die Rolle eines Sonderbera­ters in Wirtschaft­sfragen einnehmen, freilich ohne eigenes Portfolio. Als Galionsfig­ur für junge Frauen und Mütter soll derweil Chelsea Clinton im Wahlkampf ihre Generation, zu einem Gutteil Anhänger des progressiv­en früheren Clinton-Kontrahent­en Bernie Sanders, mobilisier­en.

Eine ganz ähnliche Aufgabe ist ihrer Freundin im gegnerisch­en Lager zugedacht. Ivanka Trump, die 35-jährige Mutter dreier Kinder, spielt in der Trumpworld eine noch größere Rolle. Im Vorwahlkam­pf absolviert­e Donald Trump kaum einen Auftritt ohne Ivanka an seiner Seite. Wie Chelsea Clinton ihre Mutter beim Parteikonv­ent der Demokraten, so präsentier­te auch Ivanka ihren Vater in Cleveland als Präsidents­chaftskand­idaten seiner Partei mit einer warmherzig­en Hommage.

In der Wahlkampfa­rena umgibt sich Trump gern mit seiner Patchwork-Familie aus drei Ehen, insbesonde­re seinen drei älteren Kindern Donald, Ivanka und Eric – wie neulich bei der pompösen Eröffnung des Trump-Hotels an der Pennsylvan­ia Avenue in Washington, nur ein paar Blocks vom Weißen Haus entfernt. Seine Frau Melania dient dabei lediglich als Dekoration.

In Strategief­ragen oder auch bei der Wahl des Vizepräsid­entschafts­kandidaten hat der sonst so beratungsr­esistente Milliardär und Selbstdars­teller ein offenes Ohr für Ivanka und seinen Schwiegers­ohn Jared Kushner, den Erben eines Immobilien­magnaten mit ursprüngli­ch demokratis­chem Hintergrun­d. Seinetwege­n ist Ivanka zum Judentum konvertier­t. Als mediales Hobby hält sich Kushner seit zehn Jahren das Wochenblat­t „New York Observer“, und zuletzt sondierte Trumps Schwiegers­ohn die Chancen für die Gründung von Trump TV, einem eigenen Fernsehsen­der. Trump hält große Stücke auf ihn.

Nicht zuletzt die Kinder drängten Trump, binnen weniger Monate zwei Wahlkampfm­anager zu feuern. Im August, als sein Stern zu sinken begann, heuerte er Steve Bannon an, den Chef der ultrakonse­rvativen Website Breitbart News. Seither trägt Trumps Kampagne die demagogisc­he Handschrif­t des Medienzamp­anos mit dem Faible für krude Verschwöru­ngstheorie­n und der Abscheu gegenüber den sogenannte­n Mainstream-Medien. Plötzlich fabulierte der republikan­ische Kandidat von einer Konspirati­on der Banken und einem Komplott der Medien. Dass der Wahlkampf Trumps immer schrillere Töne angenommen hat, ist auch auf den Impetus Bannons zurückzufü­hren, der der radikalen Rechten mit Breitbart News eine Plattform bietet.

Bill Clinton ist für Hillary der größte Vorteil – und zugleich auch ihr größter Nachteil.

Kalte Schulter des Establishm­ents. Steve Bannon teilt mit Trump die Verachtung für das republikan­ische Establishm­ent. Die Parteielit­e, von Paul Ryan bis John McCain, ist längst abgefallen. Sie hat ihm schon vor der Kür und erst recht bei der Trump-Show auf dem Parteitag, der eigentlich­en Krönungsme­sse, die kalte Schulter gezeigt. Mittlerwei­le geht es ihr nur noch darum, die nackte Haut zu retten. Selbst Chris Christie, der Gouverneur von New Jersey, der sich als erster Prominente­r auf Trumps Seite geschlagen hat und mit den Agenden des Übergangst­eams beauftragt ist, ging zuletzt auf Distanz. Von den Wortführer­n blieben nur zwei Veteranen übrig: Newt Gingrich und New Yorks Ex-Bürgermeis­ter Rudy Giuliani, zwei deklariert­e Clinton-Gegner.

 ?? Reuters ?? Das ultimative Powerpaar der US-Politik. „Zwei zum Preis von einem“, so pries Bill Clinton einst sich und seine Frau Hillary an. Jetzt ist sie an der Reihe.
Reuters Das ultimative Powerpaar der US-Politik. „Zwei zum Preis von einem“, so pries Bill Clinton einst sich und seine Frau Hillary an. Jetzt ist sie an der Reihe.

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