Die Presse am Sonntag

»So many pussies«

Der Kreml präferiert Donald Trump, doch noch wichtiger für ihn ist die US-Wahl als westliche Farce.

- VON JUTTA SOMMERBAUE­R

Das Zitat zum amerikanis­chen Wahlkampf, das am tiefsten unter der Gürtellini­e lag, hat sich ausgerechn­et der oberste russische Diplomat erlaubt. Im Interview mit CNN-Journalist­in Christiane Amanpour antwortete Sergej Lawrow auf die Bitte nach einem Kommentar zur Prahlerei Donald Trumps über seine sexuellen Übergriffe: „There are so many pussies around your presidenti­al campaign on both sides that I prefer not to comment.“Der für gewöhnlich schlagfert­igen Amanpour verschlug es kurz die Sprache.

Angesichts des sich zuspitzend­en Ost-West-Konflikts hat der Kreml kaum sanfte Worte für die Vereinigte­n Staaten übrig. Davon zeugt nicht nur Lawrows markiger Kommentar, davon zeugen auch andere Äußerungen aus Moskau. Dem Kreml kommt der schrille Wahlkampf jenseits des atlantisch­en Ozeans zupass, um jene These zu verbreiten, die man seit einiger Zeit über westliche Demokratie­n verbreitet: Politik sei dort ein sinnentlee­rtes Spektakel, Chaos regiere, die Wahlen seien vorbestimm­t, vielleicht gar geschoben.

Trump wäre das bevorzugte­re Gegenstück für Präsident Wladimir Putin, der ihn für „sehr talentiert“befand. Auch Putin präsentier­t sich als Fürspreche­r des kleinen Mannes. Ob die beiden Männer mehr Gemeinsamk­eiten haben als Macho-Rhetorik, bleibt abzuwarten. Außenpolit­isch ist Trump ein weißes Blatt. Sein angekündig­ter Entspannun­gskurs auf Russland und seine Unerfahren­heit lassen den Kreml hoffen. Während Trump als bizarr, aber ungefährli­ch gilt, kommt Hillary Clinton in russischen Medien nicht gut weg, die WikiLeaks-Veröffentl­ichungen tun ihr Übriges. Apropos Leaks: Moskau streitet offiziell eine Verantwort­lichkeit für die Cyberattac­ken gegen die Demokraten ab. Jedoch muss man sagen: Die Aktion passt ins Konzept.

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