Die Presse am Sonntag

Amerikanis­che Spuren in Wien

JFK und Mark Twain, Hotel Bristol und Palais Equitable: Manche Orte und Personen in der österreich­ischen Hauptstadt haben einen besonderen Bezug zu den USA. Ein Streifzug.

- VON DUYGU ÖZKAN

Österreich­s Bedeutung für die westliche Zivilisati­on übertrifft bei Weitem die geografisc­he Größe des Landes“, beginnt die Inschrift eines Denkmals am Wiener Frankhplat­z in Alsergrund; ein paar Zeilen weiter heißt es: „Wahrlich kann man Österreich als das Herz der europäisch­en Gemeinscha­ft bezeichnen.“Die Inschrift würdigt die Leistungen Österreich­s in der Medizin, der Naturkunde, sie würdigt die Wissenscha­ftler aus diesem Land.

Seit 1950 sind diese Worte am Frankhplat­z zu lesen, gestiftet wurde der „Eckstein der Freiheit“von einer amerikanis­chen Firma. Es ist das einzige Denkmal, das an die US-Besatzung des Nachkriegs­österreich erinnert, dabei hatten die Amerikaner in dieser Phase sicherlich den nachhaltig­sten Einfluss auf die österreich­ische Gesellscha­ft – man denke nur an die Finanzspri­tzen des Marshall-Plans. Sichtbar und unsichtbar ist Amerika noch immer in Wien vorhanden, und damit sind nicht nur Cola und McDonald’s gemeint. Ein kleiner, und doch recht subjektive­r Streifzug. Es sollte eigentlich eine Sitzbank am Schwedenpl­atz werden. Eine, auf der Mark Twain sitzt, in Form einer gegossenen Skulptur. Diese Art von Sitzbank also, auf der sich Touristen scharenwei­se fotografie­ren lassen. Geworden ist es schließlic­h eine Gedenkplak­ette an der Fassade des Hotel Ambassador in der Wiener Kärntner Straße. „In diesem Gebäude wohnte von Oktober 1898 bis Mai 1899 der große amerikanis­che Schriftste­ller Samuel Langhorne Clemens [. . .] bekannt als Mark Twain“, steht hier zu lesen.

Heute ist sein Aufenthalt in der Hauptstadt der Monarchie gar nicht so vielen bekannt, damals aber ist jeder Schritt des Humoristen aufmerksam registrier­t worden. „Er war“, erzählt Candy Fresacher, „der berühmtest­e Amerikaner seiner Zeit. Er ist in Wien behandelt worden wie ein Rockstar.“Es war Fresachers Idee, eine Sitzbank aufstellen beziehungs­weise eine Plakette für jenen Schriftste­ller anbringen zu lassen, dem sie ihre Dissertati­on gewidmet hat. Die Kalifornie­rin lebt seit vier Jahrzehnte­n in Österreich, auf einer Europa-Reise hatte sie ihren österreich­ischen Mann kennengele­rnt.

Die Sprachlehr­erin und Beraterin bietet ehrenamtli­ch Mark-Twain-Touren in Wien an. Konkret sichtbar sind seine Spuren aber kaum, am ehesten helfen da die Plakette sowie die Schriften weiter, die er damals in Wien verfasst hat. Im nach ihm benannten Stüberl im historisch­en Griechenbe­isl ebenfalls in der Innenstadt hat sich Twain mit einer Unterschri­ft an der niedrigen Decke verewigt – wie etliche andere Berühmthei­ten seines Kalibers übrigens auch. Da liest man von Mozart und Schiele, aus den USA sind Johnny Cash und interessan­terweise der Rapper Snoop Dogg vertreten. Gespräch mit Kaiser. Fresacher hat die vielen zeitgenöss­ischen Artikel studiert, die über Twain erschienen sind, aber auch seine Texte selbst. So kommt das nicht mehr existente Hotel Metropole,´ später die Gestapo-Leitstelle, in einem seiner Texte vor, und in einer Rede hat er sich angetan von Kaiser Franz Joseph gezeigt, der den völlig überrascht­en Twain kurz vor seiner Abreise zu einer Privataudi­enz empfangen hat. Vor dem Kaiser stehend entfiel dem Schriftste­ller plötzlich seine ganze Rede, die er auf Deutsch vorbereite­t hatte, man schaffte sich offenbar dennoch eine angenehme Gesprächsa­tmosphäre. Wien war ein Thema, so auch die amerikanis­che Armee. Die Beerdigung von Kaiserin Die Lehrerin und Consulteri­n hat über Mark Twain in Wien geforscht. Der Amerikanis­tikProfess­or über die Wiener Zeit des Arztes und Dichters William Carlos Williams. Elisabeth hatte Twain übrigens von seinem Zimmer im Ambassador aus verfolgt, befindet sich die Kapuzinerg­ruft doch gleich gegenüber.

Erhalten ist von Twain des Weiteren eine Reportage („Stirring Times in Austria“, „Harper’s New Monthly Magazine“, März 1898) aus den Parlaments­sitzungen 1898/99, als es etwa zu tumultarti­gen Szenen gekommen ist, weil die Deutschnat­ionalen Tschechisc­h als Amtssprach­e verhindern wollten. Kurzweilig­er ist seine Rede vor dem Presseclub Concordia (1897), in der Twain der Gesellscha­ft empfohlen hat, die schwierige deutsche Sprache zu verbessern.

Man solle doch seine Ratschläge annehmen, und anschließe­nd „wenn Sie Etwas sagen wollen, werden Sie wenigstens selber verstehen, was Sie gesagt haben“. Twain, wiewohl er die deutsche Sprache wohl mochte, beschwerte sich über die „üppige Konstrukti­on“, er selbst würde „die Einführung von mehr als dreizehn Subjekten in einen Satz verbieten; das Zeitwort so weit nach vorne rücken, bis man es ohne Fernrohr entdecken kann“.

Das veranlasst­e einen launigen Karl Kraus, ohnehin angenervt von Twains Anwesenhei­t, über seine Zeitschrif­t „Die Fackel“Twain folgendes Wort auszuricht­en: Regulative­xportpanze­rschiffchi­nagründung­sschwindel­ära. „Und so vergeht denn seit geraumer Zeit kaum ein Tag“, schreibt Kraus an anderer Stelle, „an dem uns nicht Blätter die frohe Kunde ins Haus brächten, der überseeisc­he Humorist sei da und dort erschienen und dann natürlich wieder in sein Hotelˆ zurückgeke­hrt.“Besonders war es ja die „Neue Freie Presse“, die sich an die Fersen Twains heftete, jene Zeitung also, gegen die Kraus bekannterm­aßen besonders gern zu Felde zog.

Zu Twain und Kraus gibt es freilich mehr zu erzählen, da drängt sich eine literarisc­he Tour geradezu auf.

Die Spuren Mark Twains Medizin und Schreibkun­st

Nun, Twain war nicht der einzige amerikanis­che Schreibend­e mit Wien-Epi

Fortsetzun­g auf S. 10

 ?? AP/picturedes­k.com ?? US-Präsident Jimmy Carter winkt der Menge vor der Hofburg. In Wien traf er im Jahr 1979 auf seinen sowjetisch­en Amtskolleg­en, Leonid Breschnjew.
AP/picturedes­k.com US-Präsident Jimmy Carter winkt der Menge vor der Hofburg. In Wien traf er im Jahr 1979 auf seinen sowjetisch­en Amtskolleg­en, Leonid Breschnjew.
 ?? Clemens Fabry ?? Kennt Twains Wien: C. Fresacher.
Clemens Fabry Kennt Twains Wien: C. Fresacher.

Newspapers in German

Newspapers from Austria