Zwischen Rooseveltplatz und Hotel Bristol Zwischen Cocktails und Jazzmusik
Fortsetzung von S. 9 soden. John Irvings Affinität zur österreichischen Hauptstadt mag bekannt sein, und schon vor ihm haben sich viele Schriftsteller, Dichter und nicht zuletzt Journalisten in Wien getummelt. In den 1920er- und 1930er-Jahren, als sich der europäische Kontinent neu formierte, waren nicht weniger als zwölf amerikanische Auslandskorrespondenten in Wien ansässig, allein aus Chicago waren zwei Blätter vertreten. Man traf sich im (nicht mehr existenten) Cafe´ Louvre in der Wipplingerstraße, man war mit den Intellektuellen der Stadt bekannt und befreundet.
Diese Freundschaften haben etlichen Vertriebenen des Nazi-Regimes das Leben gerettet, erzählt Waldemar Zacharasiewicz, „Das waren Persönlichkeiten, die sie nach Amerika einladen konnten. Es gab in Amerika ja eine rigide Einwanderungspolitik.“Zacharasiewicz, Amerikanistik-Professor an der Uni Wien und an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, arbeitet derzeit an einem Sammelband über den Einfluss der Rückkehrer („Exiles and Returnees and their Impact in the Humanities and Social Sciences in Austria and Central Europe“).
Was die Nazis mit der kulturellen und literarischen Welt Wiens gemacht haben, ist hinlänglich bekannt. Nach 1945 kamen einige Künstler, die in die USA geflohen waren und dort freilich auch geprägt wurden, wieder zurück und beeinflussten die kulturelle Nachkriegswelt. So hat sich Ernst Haeusserman, der in den USA Assistent von Max Reinhardt war, als Burgtheaterdirektor geweigert, Stücke des Kommunisten Bertolt Brecht aufführen zu lassen (Wiener Brecht-Boykott). Fünf Mal die Oper. Von den amerikanischen Schriftstellern, die noch in den 1920er- und 1930er-Jahren nach Wien beziehungsweise Österreich gekommen sind, nennt Zacharasiewicz etwa den Nestroy-Verehrer Thornton Wilder sowie den Arzt und Avantgarde-Dichter William Carlos Williams, der sich 1924 in Wien für medizinische Kurse eingeschrieben hat. „Er hat während Das Palais Equitable in der Wiener Innenstadt, erbaut von einer New Yorker Versicherungsgesellschaft. eines Monats fünf Mal die Oper und vier Konzerte besucht. Da erkennt man diesen Stellenwert der Musik.“
Dass Williams als Arzt nach Wien kam, war nicht ungewöhnlich, es war sogar eher die Regel. Wien um die Jahrhundertwende, das war auch die Stadt der Doktoren, ein „Mekka der Medizin“, wie Zacharasiewicz sagt. Für Studenten aus den USA gab es gar eigene Kurse, und zwischen 1904 und 1938 haben sich insgesamt 11.000 amerikanische Ärzte in Wien fortbilden lassen. Aus den USA kam man aber auch wegen Doktor Freud, viele Patienten ließen sich psychoanalytisch behandeln. Oft stiegen sie allesamt im Hotel Regina ab, günstig gelegen zwischen der Berggasse – wo sich die Praxis von Sigmund Freund befand – und der Universität. Apropos Hotel Regina im Palais Angerer. Während des Zweiten Weltkriegs war das Hotel ein Lazarett, ehe die Amerikaner das Haus beschlagnahmten. Die Adresse: Rooseveltplatz. 1946, ein Jahr nach dem Tod des US-Präsidenten Franklin Delano Roosevelt ist der Platz nach ihm benannt worden. Im Lauf der Zeit hat die (nicht übertrieben große) Grünfläche vor der Votivkirche mehrere Namen getragen: Maximilianplatz, Freiheitsplatz, Dollfußplatz, Hermann-Göring-Platz.
In Wien ist es dieser Platz und eine Brücke, die den Namen von US-Präsidenten tragen. Die Kennedybrücke befindet sich in Hietzing, kurz nach dessen Ermordung ist der ehemaligen Hietzinger Brücke dieser Name verliehen worden. In Wien spielte sich ein nicht unwichtiges Kapitel während John F. Kennedys Präsidentschaft ab. Es war im Juni 1961, die amerikanischsowjetischen Beziehungen waren während des Kalten Kriegs enorm angespannt, als es im neutralen Österreich zu einem Gipfeltreffen zwischen JFK und UdSSR-Regierungschef Nikita Chruschtschow kam. Schauplätze des zweitägigen Mammuttreffens waren unter anderem das Hotel Imperial, die jeweiligen Botschafterresidenzen sowie Schloss Schönbrunn.
Die Präsidenten
Zu spät, zu jung. Das erste Gespräch fand in der US-Residenz in Hietzing statt. Die Niederschrift des Aufeinandertreffens zeigt: Man will angesichts der kritischen Weltlage Freundlichkeit zeigen, aber übertreiben muss man es auch nicht.
Kennedy zitiert aus dem Protokoll an SED-Chef Walter Ulbricht: „Ich freue mich, Sie zu sehen, Herr Vorsitzender. Wir sind uns bereits in Washington begegnet, als Sie eine Unterredung mit Mitgliedern der Senatskommission für Auswärtige Angelegenheit hatten. [. . .]“
Chruschtschow: „Ich halte das Zusammentreffen mit Ihnen ebenfalls für nützlich. Ich erinnere mich daran, wie wir uns in Washington begegneten, ich erinnere mich u. a., daß Sie, glaube ich, damals zu meiner Unterredung mit amerikanischen Senatoren etwas zu spät kamen und wir deshalb nur mehr die Zeit hatten, einige Worte zu wechseln [. . .]“
Kennedy: „Ich erinnere mich, daß Sie damals, während unseres ersten Zusammentreffens bemerkten, ich sei noch sehr jung. Aber seit der Zeit bin ich schon um vieles älter geworden.“
Chruschtschow: „Habe ich das wirklich gesagt? Ich bin gewöhnlich bemüht, jungen Menschen nicht zu sagen, daß sie jung sind, weil ich weiß, daß die Jungen immer älter aussehen wollen. [. . .]“
Genau 18 Jahre später kann die Lage zwischen den USA und der Sowjetunion noch immer nicht als entspannt betrachtet werden. „Das wichtigste Ziel meines Treffens mit Breschnjew wird sein“, so Jimmy Carter vor seinem Abflug nach Wien, „einen Atomkrieg zu verhindern und gleichzeitig die Sicherheit der Vereinigten Staaten zu bewahren.“Die Regierungschefs Jimmy Carter und Leonid Breschnjew trafen im Jahr 1979 in Wien (erstmals!) aufeinander, um in der Hofburg den Salt-II-Vertrag zur Begrenzung der atomaren Ausrüstung zu unterschrieben. In Erinnerung ist der spontane Kuss geblieben, den Carter nach der Besiegelung einem völlig verdutzten Breschnjew aufgedrückt hat.
In Wien besuchten beide auch die Staatsoper, um Mozarts „Entführung aus dem Serail“anzusehen. Beobachter zeigten sich überrascht, dass Breschnjew tatsächlich auftauchte, war doch nichts von einer möglichen Opernliebe bekannt. Es hieß, Breschnjew wollte der Presse zeigen, dass er gesundheitlich nicht so massiv angeschlagen war, wie Medien kolportierten.
Nun, Wien putzte sich freilich auch für diese historische, von der Weltöffentlichkeit aufmerksam verfolgte Zusammenkunft heraus: Die Sicherheitsvorkehrungen waren enorm, da wurden selbst Studenten, die sich im Burggarten nackt sonnten, von den Einheiten mit viel Gezänk herausgezerrt.
Jazz und die Bars
Präsidentenhaft geht es in der Bar New York New York in der Annagasse (erster Bezirk) auch weiterhin zu. Die Getränkekarte bietet an: JFK, ein ordentlicher Longdrink mit Southern Comfort, Bourbon Whiskey, Pfirsichlikör und Orangensaft, sowie einen fruchtigen Abraham Lincoln mit Amaretto, Sherry Dry, Fraise de Bois und Grapefruitsaft. In dieser Bar ist sogar Barack Obama trinkbar, und ein Bodyguard Hillary Clintons soll sich einen eigens gemixten Cocktail bestellt haben, den der Inhaber Farhat Ellouzi spontan Washington D. C. genannt hat, wie dem Wiener Barbuch (Metroverlag) zu entnehmen ist.
Wien kann mit mehreren American Bars aufwarten, also Lokalen mit einer die Gäste dezent überfordernden Cocktailkarte sowie einer gründlichen Auswahl von Gin bis Rum und Wodka. Die American Bars etablierten sich ab der Mitte der 1980er-Jahre. Neben