Der amerikanische Traum auf Eis
Thomas Vanek zog als 14-Jähriger aus, um die stärkste Eishockeyliga der Welt zu erobern. Ein Siebenjahresvertrag machte ihn einst zum bestbezahlten Spieler der Welt, seine Sehnsucht nach dem Stanley Cup ist bis heute noch nicht gestillt.
Der 26. Oktober 2016, also der Nationalfeiertag, sollte in die österreichische Sportgeschichte eingehen. Mit dem Wiener Jakob Pöltl, 21, kam im Trikot der Toronto Raptors erstmals ein Österreicher in der nordamerikanischen Profi-Basketballliga NBA zum Einsatz. Vor gar nicht allzu langer Zeit ein unvorstellbares Bild, Basketball und Österreich hatten nicht viel gemein.
Zum American Football und der NFL gab es da schon mehr rot-weiß-roten Bezug, Toni Fritsch (Dallas Cowboys, San Diego Chargers, Houston Oilers, New Orleans Saints), Toni Linhart (New Orleans Saints, Baltimore Colts, New York Jets) und Raimund „Ray“Wersching (San Diego Chargers, San Francisco 49ers) waren allesamt angesehene Kicker. In den Geschichtsbüchern der Baseball-Liga MLB findet sich auch ein Österreicher. Der Niederösterreicher Kurt Krieger war von 1949 bis 1951 als Pitcher bei den St. Louis Cardinals engagiert.
Die medial größte Aufmerksamkeit der Übersee-Sportarten war hierzulande seit der Jahrtausendwende aber Eishockey versprochen. Insgesamt sieben Österreicher liefen bislang in der NHL auf. Torhüter Reinhard Divis agierte als Pionier, er debütierte am 7. April 2002 für St. Louis Blues. Erster Feldspieler war Christoph Brandner (Minnesota Wild), ebenfalls auf nordamerikanisches Eis begaben sich Thomas Pöck (New York Rangers, New York Islanders), Andreas Nödl, Michael Raffl (beide Philadelphia Flyers) und Michael Grabner (Vancouver Canucks, Florida Panthers, New York Islanders, Toronto Maple Leafs, New York Rangers). Ausnahmekönner. Der mit Abstand erfolgreichste aller NHL-Österreicher aber war und ist Thomas Vanek. Die Geschichte des 32-Jährigen ist beeindruckend. Nach der Flucht seiner Eltern aus der Tschechoslowakei in Baden geboren, in Graz und Zell am See aufgewachsen, wagte Vanek im Alter von 14 Jahren den Sprung über den großen Teich, in ein Abenteuer, dessen Ausgang nicht absehbar war. Nach drei erfolgreichen Saisonen an der Highschool in South Dakota zog es den Teenager ans College nach Minneapolis, Minnesota. Sein Einstand verlief sensationell. Vanek brach jahrzehntealte Uni-Rekorde und beendete die Spielzeit als bester Torschütze der Liga.
Im Rahmen des NHL-Drafts 2003, bei dem sich Klubs die Rechte an Spielern sichern, wurde der Steirer in der ersten Runde an fünfter Position von den Buffalo Sabres gezogen. „Wenn ich an diesen Tag zurückdenke, wird mir klar, dass das eigentlich ein Tag war, an dem ich Historisches für Österreichs Eishockey erreicht habe. Vor mir wurden ja schon eine Handvoll Österreicher von NHL-Klubs gedraftet, aber keiner an so prominenter Position“, schrieb Vanek in seinem 2010 erschienenen Buch „Das Spiel meines Lebens“.
Bis zu seinem Debüt in der besten Liga der Welt musste sich der Stürmer noch über zwei Jahre gedulden. Seine Gedanken vor dem Spiel gegen die New York Islanders am 5. Oktober 2005 beschrieb er wie folgt: „Ich stand in der Kabine und blickte auf die Uhr: Noch fünf Minuten, noch vier, noch drei . . . Meine Gedanken waren in diesem Moment gar nicht beim bevorstehenden Spiel, sondern bei allem, was ich in den letzten Jahren erlebt hatte, seit ich aus Österreich ausgewandert war, um meinen Traum von der NHL zu erfüllen. In diesem Moment wusste ich, dass sich die Arbeit gelohnt hatte.“In Buffalo stieg Vanek zum umjubelten Torjäger auf, speziell im Powerplay glänzte er. Seine Spezialität ist bis heute das Abfälschen des Pucks, „seit meiner Zeit auf der Highschool übe ich es“. Geld und Tore. Als Buffalo 2007 mit einem Angebot der Edmonton Oilers über 50 Millionen Dollar für sieben Jahre gleichzog, wurde Vanek kurzerhand zum bestbezahlten Eishockeyspieler der Welt. Die Erwartungen stiegen, der Superstar erfüllte sie zunächst, doch die Sabres bauten nach dem Erreichen des Conference-Finals 2007 kontinuierlich ab, verpassten regelmäßig die Playoffs.
Nach neun Saisonen und 254 Toren verließ Vanek Buffalo, es folgten wenig erfolgreiche und turbulente Zeiten. Die Form litt, weder bei kürzeren Engagements in New York bei den Islanders oder in Montreal (jeweils 2013/2014) noch im Dienste der Minnesota Wild (2014 bis 2016) konnte Vanek überzeugen. Wenig zuträglich war auch sein Auftritt am Rande der Olym- pischen Spiele in Sotschi 2014. Vor dem so wichtigen Spiel gegen Slowenien – Österreich hatte die einmalige Chance, das Viertelfinale zu erreichen – machten Vanek und Co. die Nacht zum Tag. Die Folge war eine desaströse Vorstellung, die zur 0:4-Niederlage führte. Vaneks Leistungen im Teamtrikot wurden schon zuvor stets kritisch beäugt, von einem Spieler seiner Klasse wurde immer mehr erwartet.
Der Gedanke, als Österreicher Erfolge bei Olympia oder Weltmeisterschaften zu feiern, war für Vanek ohnehin stets nur Utopie. Umso mehr klammert sich der Familienvater an seinen größten Traum, den Gewinn des Stanley Cups. „Ich möchte wenigstens einmal das Gefühl auskosten, diese historische Trophäe in die Höhe zu stemmen. Es ist der Gipfel für jeden Eishockeyspieler“, sagt Vanek, der in der laufenden Saison neben Grabner (NY Rangers) und Raffl (Flyers) als einer von drei ÖEHV-Exporten für die Detroit Red Wings auf Torjagd geht. Der Einstand ist geglückt, in sieben Spielen gelangen ihm vier Tore und ebensoviele Assists. Für den Routinier sind die kommenden Monate entscheidender Natur. Sein Vertrag in Detroit läuft nach dieser Saison aus.
Tore und Assists am Fließband: Vanek überzeugte schon an Highschool und College. Im Erkennen von Situationen ist Vanek auch mit 32 Jahren immer noch Weltklasse.