Going to San Francisco
Aaron Englund hat eine Liste mit Dingen, die ihn an seinem Partner stören. Als sie voll ist, zieht er aus: ein leiser Roman aus dem skandinavisch geprägten Minnesota. „Es ist schon eigenartig, aber jeder, der vermisst wird, soll irgendwann in San Francisco gesehen worden sein“, soll Oscar Wilde gesagt oder geschrieben haben. Lori Ostlund stellt das Zitat ihrem Debütroman voran und lässt wenig später ihren Protagonisten in Richtung San Francisco folgen.
Zuvor hat Aaron eine Liste mit all den Dingen geschrieben, die ihn an seinem Partner, Walter, stören, hat seine Habseligkeiten aus dem behaglichen Heim in Albuquerque in einen Transporter gepackt und das gemeinsame Leben nach 20 Jahren hinter sich gelassen. In San Francisco wohnt er dann in der Garage unter der Wohnung eines streitenden chinesischen Ehepaars und bringt in einer heruntergekommenen Sprachschule Einwanderern Englisch bei.
Doch das mit dem Neuanfang ist nicht so einfach – und führt in die Vergangenheit zurück, in der Aarons sadistischer Polizistenvater die Familie quälte, ehe er von einem Paradewagen fiel und starb. Und in der Aarons Mutter ihren scheuen, höflichen, verspotteten Sohn allein aufzog, ehe sie eines Tages spurlos verschwand.
Mit „Das Leben ist ein merkwürdiger Ort“ist Ostlund, einer Antiquitätenhändlerin und Englischlehrerin, ein sympathisches, feinfühliges Buch gelungen, das von den skandinavischstämmigen Bewohnern Minnesotas ebenso erzählt wie von autoritären Vätern, Wahlfamilien, Lebensformen und Entscheidungen, die man nur selbst treffen kann – und manchmal muss. tes Lori Ostlund: „Das Leben ist ein merkwürdiger Ort“, übersetzt von Pieke Biermann, DTV-Verlag, 416 Seiten, 22,70 Euro.