Die Presse am Sonntag

American Girl am heimischen Pophimmel

Noa Ben-Gur, geãürtige AmerikŻner­in, versucht ihr Glück in ©er österreich­ischen Musikszene. Unter ©em Signet PlŻying SŻvŻge hŻt sie nun mit »Wil©« ein ein©rucksvolle­s DeãütŻlãum vorgelegt.

- VON SAMIR H. KÖCK

Donald Trump? Falls er gewinnt, wird er wohl gleich wieder zurücktret­en, weil er dann realisiere­n wird, was das für ein intensiver Job ist. Er hat mit seiner Nominierun­g den größten vorstellba­ren PR-Deal lanciert, aber ich zweifle stark daran, dass er für das Amt geeignet ist.“Noa Ben-Gur, Sängerin und Komponisti­n, die gerade mit ihrer Formation Playing Savage durchstart­et, hat vor fünf Jahren Wien zu ihrer neuen Heimat erkoren. Aufgewachs­en zunächst in Brooklyn, dann in Jerusalem, wo sie auf die American School ging, gehen ihr die Vorgänge in den USA nahe. „Ich denke, die USA sind reif für eine Präsidenti­n und hoffe, dass Hillary Clinton gewinnt. In meiner Musik spielt das Frausein in unserer immer noch von Männern dominierte­n Gesellscha­ft eine große Rolle.“ Funk, Rock, Ballade. Bei Ben-Gur hat es ein wenig gedauert, bis sie wusste, was sie wirklich will. Viele Jahre studierte sie klassische­n Gesang, kam schließlic­h davon ab und orientiert­e sich neu. Zunächst belegte sie Soziologie, dann „Science, Technology and Society“. Dann verfiel sie wieder der Musik. Diesmal in der Spielart Pop. „Ja, ich bin umgestiege­n. Jetzt kann ich singen, wie ich will. Im Pop spüre ich endlich die große Freiheit.“Vor wenigen Tagen hat sie ihr eindrucksv­olles Debütalbum „Wild“auf dem heimischen Independen­tlabel Seayou vorgelegt. Elf selbst komponiert­e Songs, die verspielt zwischen Funk, Rock und Ballade changieren und das urbane Feeling Brooklyns abstrahlen.

In „Time To Shine“reflektier­t sie ihre frühen Schwierigk­eiten in Österreich. „Sprache, Mentalität, Lebensstil, das alles musste ich erlernen. Leicht war es nicht, aber meine Eltern versichert­en mich ihrer Hilfe. Daher rührt auch die Zeile „Dad said ,Girl do what feels right‘.“

Anschluss an die hiesige Musikszene fand sie rasch, wenngleich etwas skurril. Lukas Hillebrand, Produzent des mittlerwei­le auch internatio­nal erfolgreic­hen Julian Le Play, lernte sie über die Dating-Plattform Tinder kennen. „Wir haben gesagt, wir daten nicht, weil er viel kleiner ist als ich, aber treffen uns freundscha­ftlich auf einen Kaffee. Das wiederholt­e sich, und nach vierzehn Tagen hat er mich dazu eingeladen, als Komponisti­n am Album von Thorsteinn Einarsson mitzuarbei­ten.“Für das Lied „Leya“hat sie 2015 gemeinsam mit Lukas Hillebrand, Axel Pohn und Einarsson den Amadeus in der Kategorie „Songwriter des Jahres“verliehen bekommen. Die aufwendige Zeremonie im Volkstheat­er amüsierte sie. „Das war so hübsch hysterisch, als würde man etwas in der Volksschul­e gewinnen.“ Geschäftss­inn. Zur juvenilen Ausgelasse­nheit gesellt sich bei Ben-Gur ein Gefühl für Realismus. „Ohne Geschäftss­inn kommt man heutzutage als Künstlerin nicht weiter. Man muss grenzenlos denken können und möglichst alle technologi­schen Möglichkei­ten ausnützen.“So alert sie in den sozialen Medien ist, so beharrlich ist sie, was ihre künstleris­che Grundierun­g in der Musik der Sechziger- und Siebzigerj­ahre anlangt. „Vorbilder aus alten Zeiten sind für mich Nina Simone und Aretha Franklin. Bedauerlic­herweise ist der Schrei a` la Janis Joplin in der Popmusik verloren gegangen.“Dann erweitert sie die Palette in die Gegenwart herauf. „Amy Winehouse und Adele sind Vorbilder, wie man das Alte ins Neue übersetzen kann. Von der Attitüde her finde ich die britische Mädchenban­d Bananarama unerreicht. Das waren sehr coole, androgyne Mädels, die die Burschen unter den Tisch saufen konnten.“

»Lei©er ist ©er Schrei `Ż lŻ JŻnis Joplin in ©er Popmusik verloren gegŻngen.«

Erinnerung an Betty Davis. Auf „Bigger“, dem vielleicht auffälligs­ten Song ihres Debüts, erinnert sie an die giftige Betty Davis, die eine Zeit lang mit Jazztrompe­ter Miles Davis verheirate­t war und diesem Alphamännc­hen zeigte, was harter Funk ist. Für „Bigger“, diese Hymne weiblicher Selbstermä­chtigung, hat Ben-Gur viel positives Feedback von Frauen bekommen. „Es geht um das Gefühl, abgelehnt zu werden, und diese negative Erfahrung zu überwinden.“Eingefalle­n ist ihr die Melodie auf einer Straße in Brooklyn. „Ich summte die Melodie so lang vor mich hin, bis ich zu einem Sam Ash Store (eine Musikalien­handlung) kam, wo ich mir dann auf einem Klavier die Akkorde bewusst machte. Da war ich bald von Menschen umringt, die mitgroovte­n.“Ein unvergessl­icher Moment, der ihr künstleris­ches Potenzial aufzeigte. „Ich wurde oft unterschät­zt. Vieles läuft in der Musikszene in Cliquen ab. Das ist infantil. Man muss rausgehen zu den Menschen.“

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Michele PŻuty Noa Ben-Gur lebt und arbeitet seit fünf Jahren in Wien.

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