Die Presse am Sonntag

Altes Geld, junge Kunst

Die USA sind Weltmacht der Kunst. Viel altes Geld, eine Kultur des Mäzenatent­ums und steuerlich­e Anreize schmieren den Wachstumsm­otor.

- VON EVA KOMAREK

Während Europa viel Kunst besaß, waren Amerikaner steinreich.“Dieses Zitat stammt von Joseph Duveen, einem der führenden Londoner Kunsthändl­er des 20. Jahrhunder­ts. Duveen machte sein Vermögen, indem er Gemälde vom europäisch­en Adel aufkaufte und an amerikanis­che Millionäre weiterverk­aufte. Tatsächlic­h basiert das Wachstum des US-Kunstmarkt­es auf der enormen wirtschaft­lichen Kraft des späten 19. und frühen 20. Jahrhunder­ts. Waren im 18. und 19. Jahrhunder­t noch Europa und hier insbesonde­re Paris und London die Zentren des Kunsthande­ls, verschob sich die Marktkraft ab Mitte des 19. Jahrhunder­ts Richtung USA. Erste Kunstbeweg­ung. Eine eigene amerikanis­che Kunstbeweg­ung, die auch auf ausländisc­he Künstler Einfluss haben sollte, entwickelt­e sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine Gruppe junger New Yorker Künstler etablierte den abstrakten Expression­ismus. Zu den führenden Kräften der Bewegung zählten Jackson Pollock, Willem de Kooning und Mark Rothko. Die nächste Künstlerge­neration arbeitete mit Medienmix. Zu dieser Generation gehörten Robert Rauschenbe­rg und Jasper Johns, die für ihre Kompositio­nen Fotos, Zeitungsau­sschnitte und Abfallobje­kte verwendete­n. Schließlic­h sei noch die Pop-Art erwähnt, die ebenfalls die Kunst revolution­ierte, allen voran Künstler wie Andy Warhol, Larry Rivers und Roy Lichtenste­in, die mit satirische­r Genauigkei­t Alltagsgeg­enstände und Bilder der amerikanis­chen Popkultur wie Coca-Cola-Flaschen, Suppendose­n oder Comics reproduzie­rten.

Mit der Entwicklun­g eigener Kunstbeweg­ungen begann auch der Aufstieg New Yorks zum internatio­nalen Zentrum für zeitgenöss­ische Kunst. In den Sechziger- und Siebzigerj­ahren etablierte­n sich Auktionshä­user und große Galerien, so Kunstökono­min Clare McAndrew in einem Spezialber­icht zum US-Kunstmarkt. Die USA haben eine lange Tradition im Mäzenatent­um, das wirke sich positiv auf die Kunstszene aus, schreibt McAndrew. Die Förderung von Kreativitä­t, Individual­ität und Innovation sei tief in der amerikanis­chen Kultur verankert, so die Kunstökono­min. Auch öffentlich­e Museen leben nicht von Steuergeld­ern, sondern vorrangig von privaten Geldern, ganz im Gegensatz zu Europa. So verfügen amerikanis­che Museen meist über höhere Ankaufsbud­gets als europäisch­e, die immer mehr mit schrumpfen­den öffentlich­en Ausgaben im Kulturbere­ich kämpfen. Dass in den USA Private tief in die Tasche greifen, hänge aber auch mit attraktive­n steuerlich­en Anreizen für Sponsoring und Spenden zusammen, betont McAndrew.

Bei der zeitgenöss­ischen Kunst haben die USA längst eine Vorreiterr­olle eingenomme­n. Von den 50 teuersten Gegenwarts­künstlern kommen 2016 laut Kunstpreis­datenbank Artprice 17, also gut ein Drittel, aus den USA, und sie belegen auch die ersten vier Plätze. Jean-Michel Basquiat, Christophe­r Wool, Jeff Koons und Richard Prince sind derzeit die weltweit teuersten Künstler unter den Zeitgenoss­en.

Doch steuerlich­e Anreize und eine Kultur des Mäzenatent­ums allein machen die USA noch nicht zum weltweit führenden Kunstmarkt. Und das sind sie seit Jahrzehnte­n. Laut Art Market Report, der jährlich im Auftrag der European Fine Art Foundation von McAndrew erstellt wird, haben die USA im Vorjahr 27,3 Milliarden Dollar mit Kunst umgesetzt. Das ist ein Plus von vier Prozent und entspricht einem weltweiten Marktantei­l von 43 Prozent. Zudem war der US-Kunstmarkt 2015 der einzige Markt, der wuchs. Denn der weltweite Umsatz mit Kunst ist 2015 zum ersten Mal seit 2008 gefallen, und zwar um sieben Prozent auf 63,8 Milliarden Dollar. China wird zwar nach Umsatz zum Konkurrent­en, allerdings ist China von nationalen Käufen geprägt. Anders gesagt: Chinesen kaufen chinesisch­e Kunst, während die USA der größte internatio­nale Handelspla­tz mit einem In- und Exportante­il von 38 Prozent sind. Viele Superreich­e. Die Beobachtun­g von Joseph Duveen, dass die Amerikaner steinreich seien, hat bist heute ihre Gültigkeit, sagt Andrea Jungmann, Geschäftsf­ührerin von Sotheby’s Österreich, Ungarn und Polen. Statistike­n belegen die weltweite Dominanz der Superreich­en in Amerika: Laut Credit Suisse Global Wealth Report 2015 leben 24 Prozent der weltweit reichsten zehn Prozent in den USA. Unter Milliardär­en gehört die Veranlagun­g in Kunst quasi schon zum Standardin­vestmentpl­an. Das bestätigt auch Jungmann: „Ein Großteil der Milliardär­e investiert in Kunst. Im Schnitt investiere­n sie pro Jahr mindestens 0,5 Prozent ih- rer Assets oder 31 Millionen Dollar in Kunst.“Wenig überrasche­nd befinden sich auch die meisten Kunstsamml­er der Welt in den USA. Der ehemalige Galerist Magnus Resch gründete 2012 die Online-Kunstsamml­erdatenban­k Larry’s List und publiziert­e 2014 erstmals einen umfangreic­hen Sammlerrep­ort. Laut diesem Bericht sind 25 Prozent aller Kunstsamml­er in den USA beheimatet. Nach Städten gerankt führt New York vor London. Viele der

Im 19. Jahrhunder­t verschob sich die Marktkraft des Kunstmarkt­es Richtung USA. Ein Drittel der teuersten 50 Gegenwarts­künstler der Welt stammt aus den USA.

Topsammler leisten sich eigene Museen. Laut Larry’s List gibt es weltweit rund 350 Privatmuse­en, davon sind 48 wiederum in den USA. Zudem ist diese Entwicklun­g noch recht jung. Nur 27 Prozent der privaten Häuser wurden bereits vor der Jahrtausen­dwende gegründet. Gerade Museen jüngeren Datums haben Aufholbeda­rf und kaufen Kunst im großen Stil. Mit dem Ende der US-Vorherrsch­aft auf dem Kunstmarkt ist also nicht zu rechnen.

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