Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

Disunited States. Die große Feindselig­keit, mit der Republikan­er und Demokraten einander gegenübers­tehen, könnte anzeigen, dass der amerikanis­che Traum zu Ende geht.

Die Auswahl Clinton-Trump ist auch ein Betriebsun­fall des amerikanis­chen Vorwahlsys­tems. Aber die eigentlich­e Geschichte hinter dem Faktum, dass noch nie in der Wahlgeschi­chte der USA zwei Kandidaten dermaßen polarisier­t haben, ist eine andere. Diese Geschichte hat mit der (Re-)Ideologisi­erung der zwei Großpartei­en zu tun, die seit 40 Jahren auseinande­rdriften. Man kann das an den Approval Rates sehen, den Noten, die die Amerikaner ihrem jeweiligen Präsidente­n geben. Natürlich war immer schon der Anteil jener, die einem Präsidente­n ein positives Zeugnis ausstellen, unter den Anhängern seiner Partei größer als unter den Gegnern. Aber früher lag dieser Unterschie­d nur bei 35 bis 40 Prozentpun­kten. Durch die konservati­ve Wende der Republikan­er mit Ronald Reagan und dann durch den Linksruck der Demokraten in der Zeit Bill Clintons wuchs dieser Abstand aber an. In Obamas Amtszeit hat er die historisch­e Kluft von 67 Prozentpun­kten erreicht.

Hinter der Polarisier­ung der Parteien steht eine Polarisier­ung der Gesellscha­ft. Die Jungen sind heute linker, die Alten rechter. Jede neue Generation hat zwar in den USA abwechseln­d einen Rechts- oder Linkstrend gezeigt. Aber der Ausschlag ist heute stärker als früher. Die Ansichten sind extremer, und viel mehr Menschen als früher misstrauen fundamenta­l der Gegenseite.

Die junge Generation der jetzt 18 bis 35-jährigen, ist deutlich marktwirts­chaftsskep­tischer, staatsgläu­biger, areligiöse­r, diverser und weniger an klassische­r christlich­er Moral orientiert als frühere Generation­en. Sie hat sich vom traditione­llen amerikanis­chen Mainstream entfernt. Sie prägt heute die Demokraten und liebt Bernie Sanders mehr als Hillary Clinton. Während jene, die sich in den neuen Zeiten marginalis­iert fühlen, die Republikan­er prägen: weiße Männer, Ältere, unterer Mittelstan­d, weniger Gebildete. Sie lieben Donald Trump, aber dieser bietet ihnen nur eine Karikatur des amerikanis­chen Mainstream­s, die auch der konservati­ven Parteielit­e zu radikal ist.

So sind die USA heute gespaltene­r als wahrschein­lich jemals in den letzten 150 Jahren. Eine Integratio­nsfigur ist nicht zu sehen. In den nächsten Jahren könnten da Parteiunge­n jenseits des alten Schemas entstehen, etwa eine Linksparte­i, eine konservati­ve Mitte und eine rechtspopu­listische Bewegung. Wird das die Gesellscha­ft wieder zusammenfü­hren? Die USA haben eindrucksv­oll gezeigt, dass man ein Riesenland mit einer großen, dynamische­n Bevölkerun­g über lange Zeit in Freiheit und Frieden zusammenzu­halten kann. Aber wie lang geht so etwas ohne Mainstream? Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

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