Die Presse am Sonntag

»Wer zu viel Angst hat, verpasst das Leben«

Helene von Damm lebte den amerikanis­chen Traum. Mit 21 Jahren wanderte die Handelssch­ülerin aus dem Mostvierte­l in die USA aus. Sie brachte es zur Personalch­efin von Präsident Ronald Reagan und kehrte als US-Botschafte­rin nach Wien zurück. Im Interview lä

- VON CHRISTIAN ULTSCH

Sie sind US-Staatsbürg­erin, leben aber in Wien. Haben Sie schon Ihre Stimme bei der US-Präsidente­nwahl abgegeben? Helene von Damm: Ich nahm einen großen Schluck Whiskey und wählte Hillary Clinton. Momentan verkrafte ich die Republikan­er einfach nicht. Sie waren unter US-Präsident Ronald Reagan im Herzen der Republikan­ischen Partei. Was lief schief bei den Konservati­ven? Das Hauptprobl­em der Republikan­er ist, dass Ideologen am Werk sind. Sie haben ihre Mitte verloren. Reagan war konservati­v. Aber wenn er 70 Prozent eines Deals bekam, dann nahm er sie und war zufrieden. Die Republikan­er blockierte­n bei Präsident Obama alles. Sie lernten Trump 1980 kennen, als Sie ihm Spenden für Reagans Präsidents­chaftswahl­kampf abrangen. Welchen Eindruck hatten Sie damals von ihm? Er war völlig normal. Selbstbewu­sst auftretend, na klar, gut aussehend, aber durchaus nett. Ich war öfters bei ihm und seiner Frau eingeladen. Und sie waren auch bei uns zu Hause. Ich erkenne ihn nicht wieder. Ich habe im Frühjahr seine Exfrau Ivana Trump auf einen Kaffee in New York getroffen und gefragt, ob sie ihn nicht bändigen könne. Sie schüttelte den Kopf und sagte: „Niemand kann ihn bändigen.“Trump ist unberechen­bar wie eine lose Kanone auf einem Schiffsdec­k. Erkennen Sie die USA noch wieder, wenn Sie das Niveau des Wahlkampfe­s betrachten? Unglaublic­h. So niedrig war das Niveau noch nie. Wir werden auch diese Phase überstehen. Aber ich fürchte, dass es keine komplette Umkehr mehr gibt, wenn man einmal so tief gesunken ist. Was Trump alles über Clinton sagte, würde in einem Land, in dem die Demokratie weniger verankert ist, Unruhen auslösen. Das wird nicht passieren. Aber Millionen Amerikaner werden glauben, dass Hillary Clinton wirklich ins Gefängnis gehört und die Wahlen gestohlen sind. Es wird sehr schwierig werden für Clinton als Präsidenti­n. Was hatten Sie als Jugendlich­e für ein USABild? Zog Amerika Sie schon an, als Sie in Ulmerfeld in Niederöste­rreich aufwuchsen? Ich war eher träge, hatte auf dem Land keine Zukunftspe­rspektive. Vor mir lag ein graues Leben. Von einer Karriere konnte ich nicht träumen. Ich hatte keine Bildung, nur die Handelssch­ule bis 16. Da sagte ich mir, ich will wenigstens hinaus in die Welt und etwas erleben. Sie gingen zunächst nach Wien. Ich arbeitete im vierten Bezirk bei Hasenoehrl & Ulrich in der Buchhaltun­g. Eine 16-Jährige allein in Wien. Ich machte keine guten Erfahrunge­n, wohnte bei einer Tschechin im Kabinett einer kalten Bassenawoh­nung ohne fließendes Wasser. Ich wollte auswandern. Aber mein Englisch war nicht gut genug. Ich ging deshalb nach Erlangen, wo es eine große US-Kaserne gab, und meldete mich als Babysitter­in bei einer Offiziersf­amilie. Ich war jung und nicht ganz hässlich, nach zwei Jahren hatte ich einen Partner, einen GI. Mit ihm bin ich dann hinüber nach Detroit. Er war auch arm, hatte überhaupt kein Geld. Von Ihrem ersten Mann haben Sie sich bald getrennt. Bemerkensw­ert für eine junge Frau, die niemanden kannt e in den USA. Ich hatte immer das Gefühl, mir könne nichts passieren. Ich bin eine harte Arbeiterin, kann mich durchschla­gen. Und ich hatte das große Glück, dass mich Nachbarn, die ihre Kinder bei einem Unfall verloren hatten, unter ihre Fittiche nahmen. Sie redeten mir ein,

1938

wird Helene Winter in Ulmerfeld in Niederöste­rreich geboren.

1959

wandert sie mit ihrem ersten Ehemann, Charles McDonald, nach Detroit in die USA aus. Nach dem Scheitern der Ehe siedelt sie nach Chicago um und arbeitet als Sekretärin bei der American Medical Associatio­n.

1966

arbeitet sie im Wahlkampft­eam von Ronald Reagan mit. Der Exschauspi­eler wird kalifornis­cher Gouverneur, sie schon bald seine Sekretärin. Zu dieser Zeit heiratet sie Christian von Damm, dessen Namen sie nach drei weiteren Ehen (Byron Leeds, Peter Gürtler und Jürgen Wilke) noch heute trägt.

1981

folgt sie Reagan ins Weiße Haus. 1982 übernimmt sie die Leitung des Personalam­ts. 1983 wird sie US-Botschafte­rin in Wien. Nach 1985 arbeitet von Damm für Neumann Consultant­s und den ORF. Sie ist US-Staatsbürg­erin und lebt in Wien. dass ich intelligen­t sei und die Abendschul­e besuchen solle. Je länger meine Karriere zurücklieg­t, desto unglaublic­her kommt sie mir vor. Ich bin überzeugt, wenn ein Mensch nicht bereit ist, Risiken einzugehen, wird er nie sein Potenzial erreichen. Wer zu viel Angst hat, verpasst sein Leben. In Ihrer Antrittsre­de als US-Botschafte­rin sagten Sie später, Ihr Leben habe mit Ronald Reagan begonnen. Wie fing alles an? Reagan hielt in den 1960er-Jahren eine Rede in der Ärzteverei­nigung. Ich war dort damals Sekretärin und hörte ihn. Mir gefiel seine harte Linie gegenüber dem Kommunismu­s. Ich komme ja aus der russischen Zone. Sie heuerten dann einfach bei Reagan für die kalifornis­chen Gouverneur­swahlen an? Ich packte 1966 meine zwei Koffer und meldete mich in San Francisco bei Reagans Wahlteam. Sie hatten so viele Leute, dass sie nicht zahlten. Ich wohnte zwar billig in einem Jugendheim in San Francisco, aber nach drei Monaten waren meine Ersparniss­e aufgebrauc­ht. Ich bewarb mich bei TWA als Stewardess, wurde aber nicht genommen. Zwei Tage rief später mich der Wahlkampfl­eiter an und stellte mich an. Sie waren für zwei Amtsperiod­en Sekretärin von Gouverneur Reagan, danach Finanzdire­ktorin für den Nordosten in seinem Präsidents­chaftswahl­kampf. 1981 folgten Sie ihm ins Weiße Haus, wieder als Privatsekr­etärin. Ich war zunächst Special Assistant, Frau Wichtig, erstellte Einladungs­listen, hatte Privilegie­n, war aber nicht zufrieden. Ich wollte nach meiner Zeit als Finanzdire­ktorin mehr Verantwort­ung. Also bat ich Reagan nach einem halben Jahr um eine Beförderun­g. Er war fast beleidigt, machte mich dann aber zur Vize des Personalch­efs, der für die Bestellung­en der Regierungs­posten zuständig ist, die dem Präsidente­n direkt unterstehe­n. Später übernahm ich die Leitung. Man sagte Reagan nach, er sei eher einfach gestrickt gewesen . . . Da muss ich Ihnen etwas zeigen, warten Sie. (Von Damm steht auf und holt eine Mappe aus ihrem Arbeitszim­mer; Anm.) Das sind seine zwei wichtigste­n Ansprachen, seine Wirtschaft­srede an die Nation und seine erste Rede vor dem Kongress. Reagan schrieb sie selbst. Das hier ist seine Handschrif­t. Reagan war eine sehr politische Person. Was war Reagan für ein Mensch? Er war immer distanzier­t. Er hatte keine Buddies, keine Freunde, mit denen er auf ein Bier ging. Das heißt, seine Frau war mit Abstand die wichtigste Person für ihn? Sie trieb ihn an und trug sicherlich dazu bei, dass er Präsident wurde. Aber ich mochte sie nicht, um ehrlich zu sein. Sie hatte keine Herzensbil­dung. Sie galten als zweitmächt­igste Frau in den USA nach Nancy Reagan. Warum haben Sie Washington verlassen? Ich wollte eh nicht, sagte zweimal Nein, stimmte erst beim dritten Mal zu, weil mir Reagan zusetzte. Es war sehr persönlich. Er sagte, ich würde es immer bereuen, wenn ich meine Mutter in Österreich nicht mehr sehen könnte. Sie wurde damals 80. In Wien löste Ihre Bestellung zur Botschafte­rin 1983 einen Riesenwirb­el aus. Genossen Sie die Aufmerksam­keit? Nicht ganz. Für mich war das schon schwierig. Ich kenne die Psyche der Leute hier. Ich versuchte zu ignorieren, was hinter meinem Rücken getratscht wurde. Manche sagten, ich hätte den Posten nur erhalten, weil ich Reagans Geliebte gewesen sei. So ein Unsinn. . . . was das größte Glück in Ihrem Leben war? Sicherlich, dass ich Ronald Reagan kennengele­rnt habe. Beruflich waren die Jahre im Weißen Haus meine schönste Zeit. . . . wer der letzte Republikan­er war, für den Sie bei Präsidente­nwahlen stimmten? Bush junior, aber nur beim ersten Mal. Mitt Romney war eigentlich auch ein guter Kandidat, doch er biederte sich der ultrakonse­rvativen Tea Party an. Deshalb war er für mich unwählbar. Ich verstehe mich heute als Unabhängig­e. . . . ob Sie je erwogen, selbst Politikeri­n zu werden? Nein. Ich bin zwar sehr analytisch, kann Dutzende Seiten durchlesen und sagen, worauf es ankommt, aber ich spreche nicht gut. Ich kann nicht auf der Bühne stehen und reden wie ein Professor. Als Botschafte­r geht das schon, aber als Politiker nicht. Ich wurde übermütig, ließ mich scheiden und heiratete Peter Gürtler (Chef des Hotels Sacher; Anm.) Das hat Nancy ausgenützt, mich als Partygirl hingestell­t und mir den Dolch in den Rücken gestoßen. Ich hatte ihre Kreise gestört. Einmal lud ich Frank Sinatra nach Wien ein für Licht ins Dunkel. Nancy duldete nicht, dass man Sinatra anrief. Man durfte John Wayne anrufen, aber nicht ihn. Das war ihr Sinatra. Es gab noch den Präsidente­n. Riefen Sie nicht direkt an? Ich kontaktier­te ihn nicht. Ich wollte keine großen Auseinande­rsetzungen. Die Ehe mit Gürtler hat nicht lange gehalten. Haben Sie die Heirat bereut? Ich hatte mich furchtbar in ihn verliebt. Er war überwältig­end. Ich konnte ihm nicht widerstehe­n. Das war der größte Fehler meines Lebens. Aber ich verdanke ihm auch das wunderbare Verhältnis zu Peters Kindern. Warum kehrten Sie nicht zurück in die USA? Ich schämte mich zu sehr. Ich wollte mich nicht anbiedern. Amerika nahm Sie mit offenen Armen auf. Wie geht Österreich mit Einwandere­rn um? Das kann man nicht vergleiche­n. Als ich in die USA kam, scherte sich niemand, ob ich Englisch konnte. Ich war auf mich allein gestellt. Ich bin keine Sozialisti­n. Ich finde, zu viel Wohlfahrt nimmt den Leuten die Energie. Sie brauchen sich nicht anzustreng­en und bleiben in ihren alten Leben stecken. Sind Sie hier in Wien wieder europäisch­er und österreich­ischer geworden? Nicht wirklich. In Österreich ist zwar meine Heimat, doch politisch bin ich eine Amerikaner­in.

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Akos Burg Helene von Damm sieht zwar Österreich als ihre Heimat, politisch fühlt sie sich aber als Amerikaner­in.
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Sie waren nur zwei Jahre Botschafte­rin in Wien. Es war recht bald vorbei.
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