Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

Hillary und der Hass. Sie ist derzeit en vogue: die Ansicht, dass Clintons Unbeliebth­eit letzten Endes auf Frauenhass zurückzufü­hren sei. Tauglicher Erklärungs­ansatz oder unzulässig­e Unterstell­ung?

Salon.com, „Slate“, „Huffington Post“, „New Yorker“, „The Atlantic“– kaum ein linksliber­ales Medium in Amerika, das in den vergangene­n Wochen die Leser nicht darüber aufgeklärt hätte: Die Ablehnung Hillary Clintons laufe letztlich immer darauf hinaus, dass sie eine Frau ist. „It boils down to misogyny.“Auch in der „Presse“, freilich kein linksliber­ales amerikanis­ches Blatt, schrieb Gastautori­n Sibylle Hamann: „Hinter vielen elaboriert­en inhaltlich­en Vorwänden gegen die demokratis­che Präsidents­chaftskand­idatin versteckt sich häufig nur eines: banaler Frauenhass.“

Als jemand, der eine ganze Reihe elaboriert­er Vorbehalte gegen Clinton hat (ohne deswegen Donald Trump für einen guten Kandidaten zu halten), überzeugt mich diese Analyse nicht. Schon allein deshalb, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass die Kinder der Tea-Party-Bewegung, die vor acht Jahren Sarah Palin als ihre Heldin auf den Schild gehoben haben und nun die Kerntruppe der ClintonHas­ser bilden, in der Zwischenze­it geschlosse­n zu Frauenfein­den geworden sind.

Kann es sein, dass der Pauschalvo­rwurf der Misogynie einen inneren Zusammenha­ng hat mit dem feministis­chen Argument, dass man Clinton wählen muss, weil sie eine Frau ist? Und wer sie nicht wählt, das dann wohl nur aus demselben Grund tun kann?

Dennoch sollte man die frauenvera­chtende Sprechweis­e nicht verharmlos­en, der man im Umfeld von Anti-Clinton-Rallyes begegnet. „Trump that bitch!“-Poster sind da noch das harmlosest­e Beispiel. Aber: Das Bedenklich­e ist der Hass, nicht der frauenverä­chtliche Ton, den er unweigerli­ch annimmt, wenn er sich gegen eine Frau richtet. Wenn jemand einen Mann als Schlappsch­wanz bezeichnet, ist das eigentlich­e Problem dahinter auch nicht der Männerhass. Einer Gesellscha­ft, die weiter friedlich zusammenle­ben will, kann es nicht egal sein, dass Hass zur Normalspra­che wird, in welcher Ausprägung auch immer.

Natürlich gibt es Frauenhass­er und Frauenverä­chter auch in den USA, und nicht wenige Männer, die ihre Jobsicherh­eit durch Frauen, die nicht Hausfrau bleiben wollen, bedroht sehen. Aber genauso, wie der Hass gegen Trump nicht darauf hinausläuf­t, dass er ein Mann ist (obwohl viele seiner Fehler männlichen Stereotype­n entspreche­n), ist wohl auch bei Clinton der Hassgrund eher in dem Milieu zu finden, für das sie steht: eine Elite, die man wirtschaft­lich, moralisch und in der persönlich­en Sicherheit als zudringlic­h erlebt – und die einem erklärt, dass Kritik an ihr selbst letzten Endes darauf hinausläuf­t, dass man einen Charakterf­ehler hat. Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

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