Nachrichten vom Ende der Welt sind verfrüht
Apokalyptiker lassen ihren Fantasien nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten freien Lauf. Doch vielleicht überrascht der Unberechenbare letztlich mit außenpolitischer Kontinuität.
Man kann die Lust an der Angst auch übertreiben, wie der „Spiegel“in seiner aktuellen Ausgabe beweist. Auf dem Cover ist zu sehen, wie der zu einem brennenden Meteoriten stilisierte Donald Trump mit aufgerissenem Mund auf die Erde zurast. Darunter der Titel: „Das Ende der Welt (wie wir sie kennen)“. Das ist einfach nur noch hysterisch.
Vieles, was der künftige US-Präsident aufgeführt und angekündigt hat, treibt auch optimistischsten Beobachtern Sorgenfalten auf die Stirn. Das fängt bei seiner Persönlichkeitsstruktur an, die im Wahlkampf der vergangenen Monate wie durch ein Vergrößerungsglas sichtbar geworden ist. Es drängen sich akute Zweifel auf, ob ein dünnhäutiger, fahriger, unberechenbarer Provokateur, Sexist und Rassist wie Donald Trump die nötigen charakterlichen Eigenschaften für das Amt des US-Präsidenten mitbringt. Mindestens ebenso nachhaltig verstören seine radikalen Ansagen, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen oder keine Muslime mehr in die USA einreisen zu lassen.
Kein Zweifel: Dieser Mann kann Schaden anrichten, vor allem, wenn er sein Versprechen wahr macht, Schutzzölle einzuführen, Freihandelsabkommen aufzukündigen und die Globalisierung zurückzuspulen. Sinkendes Wirtschaftswachstum und höhere Produktpreise im globalen Maßstab wären die Folge. Am Ende verlören alle. Doch das wird dem US-Präsidenten hoffentlich demnächst ein Wirtschaftsberater ins Ohr flüstern.
Auch außenpolitisch könnten sich manche Horrorszenarien als übertrieben erweisen, etwa die Angst, die Nato könnte zerfallen. Schon vor Trump haben unzählige USPräsidenten eindringlich auf die Europäer eingeredet, ihre Beiträge zu erhöhen. Weitgehend erfolglos. Trump verlieh dieser Forderung neuen Nachdruck, indem er sich zur Äußerung hinreißen ließ, dass sich Zahlungsunwillige künftig selbst verteidigen müssten. Das war unbedacht und verunsicherte. Doch Trump stellte nie das transatlantische Bündnis per se infrage.
Der neue US-Präsident wäre gut beraten, die Alliierten in Europa und auch in Asien schleunigst mit klaren Zusicherungen zu beruhigen, statt neoimperial von Tributgeldern für das US-Militär zu fantasieren. Denn sonst kommt Russland oder China auf die Idee, die Bündnistreue der USA zu testen. In Obamas Spur. Es mag paradox klingen angesichts ihrer gegensätzlichen Rhetorik und Wertehaltungen: Doch in mancherlei Hinsicht stellt sich Trump in die Tradition seines Vorgängers. Schon Barack Obama versuchte nach den Kriegen im Irak und in Afghanistan, seine Außenpolitik strikter als zuvor an amerikanischen Interessen auszurichten und die Weltpolizistenrolle abzustreifen. Trump will diesen Kurs offenbar beschleunigen. Dadurch kann, wie in Nahost zu sehen ist, ein Vakuum entstehen, das dann andere füllen. Doch noch ist unklar, wie weit Trumps Rückzugsabsichten gehen. Sein realpolitischer Zugang ist jedenfalls rigider und moralbefreiter als Obamas: Trump hat auch kein Problem mit autokratischen Verbündeten, solange sie für Stabilität sorgen – und keine radikal-islamistischen Ideen verbreiten. Den Reset-Knopf mit Russland hatte schon Obama gedrückt, Trump will es nun auch versuchen. Dabei könnten ihm jedoch geopolitische Deals a` la Jalta vorschweben, was für die Osteuropäer schlechte Nachrichten wären.
Ein gravierender außenpolitischer Unterschied zu Obama besteht freilich darin, dass sich Trump nicht als Multilateralist versteht, sondern glaubt, dass Amerika am stärksten allein ist. Er fühlt sich nicht an Verträge wie den Pariser Klimapakt oder das Atomabkom- men mit dem Iran gebunden und hat auch keinen Drang zur Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen. Das kann neue Instabilität ins globale System bringen.
Der größte Unsicherheitsfaktor bleibt jedoch die Persönlichkeit Trumps. Keiner weiß, wie dieser Mann reagiert, wenn er in einer Krise herausgefordert wird. Sich davor jetzt schon zu Tode zu fürchten, hilft allerdings auch nicht weiter.