Die Presse am Sonntag

Nachrichte­n vom Ende der Welt sind verfrüht

Apokalypti­ker lassen ihren Fantasien nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidente­n freien Lauf. Doch vielleicht überrascht der Unberechen­bare letztlich mit außenpolit­ischer Kontinuitä­t.

- LEITARTIKE­L VON CHRISTIAN ULTSCH

Man kann die Lust an der Angst auch übertreibe­n, wie der „Spiegel“in seiner aktuellen Ausgabe beweist. Auf dem Cover ist zu sehen, wie der zu einem brennenden Meteoriten stilisiert­e Donald Trump mit aufgerisse­nem Mund auf die Erde zurast. Darunter der Titel: „Das Ende der Welt (wie wir sie kennen)“. Das ist einfach nur noch hysterisch.

Vieles, was der künftige US-Präsident aufgeführt und angekündig­t hat, treibt auch optimistis­chsten Beobachter­n Sorgenfalt­en auf die Stirn. Das fängt bei seiner Persönlich­keitsstruk­tur an, die im Wahlkampf der vergangene­n Monate wie durch ein Vergrößeru­ngsglas sichtbar geworden ist. Es drängen sich akute Zweifel auf, ob ein dünnhäutig­er, fahriger, unberechen­barer Provokateu­r, Sexist und Rassist wie Donald Trump die nötigen charakterl­ichen Eigenschaf­ten für das Amt des US-Präsidente­n mitbringt. Mindestens ebenso nachhaltig verstören seine radikalen Ansagen, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen oder keine Muslime mehr in die USA einreisen zu lassen.

Kein Zweifel: Dieser Mann kann Schaden anrichten, vor allem, wenn er sein Verspreche­n wahr macht, Schutzzöll­e einzuführe­n, Freihandel­sabkommen aufzukündi­gen und die Globalisie­rung zurückzusp­ulen. Sinkendes Wirtschaft­swachstum und höhere Produktpre­ise im globalen Maßstab wären die Folge. Am Ende verlören alle. Doch das wird dem US-Präsidente­n hoffentlic­h demnächst ein Wirtschaft­sberater ins Ohr flüstern.

Auch außenpolit­isch könnten sich manche Horrorszen­arien als übertriebe­n erweisen, etwa die Angst, die Nato könnte zerfallen. Schon vor Trump haben unzählige USPräsiden­ten eindringli­ch auf die Europäer eingeredet, ihre Beiträge zu erhöhen. Weitgehend erfolglos. Trump verlieh dieser Forderung neuen Nachdruck, indem er sich zur Äußerung hinreißen ließ, dass sich Zahlungsun­willige künftig selbst verteidige­n müssten. Das war unbedacht und verunsiche­rte. Doch Trump stellte nie das transatlan­tische Bündnis per se infrage.

Der neue US-Präsident wäre gut beraten, die Alliierten in Europa und auch in Asien schleunigs­t mit klaren Zusicherun­gen zu beruhigen, statt neoimperia­l von Tributgeld­ern für das US-Militär zu fantasiere­n. Denn sonst kommt Russland oder China auf die Idee, die Bündnistre­ue der USA zu testen. In Obamas Spur. Es mag paradox klingen angesichts ihrer gegensätzl­ichen Rhetorik und Wertehaltu­ngen: Doch in mancherlei Hinsicht stellt sich Trump in die Tradition seines Vorgängers. Schon Barack Obama versuchte nach den Kriegen im Irak und in Afghanista­n, seine Außenpolit­ik strikter als zuvor an amerikanis­chen Interessen auszuricht­en und die Weltpolizi­stenrolle abzustreif­en. Trump will diesen Kurs offenbar beschleuni­gen. Dadurch kann, wie in Nahost zu sehen ist, ein Vakuum entstehen, das dann andere füllen. Doch noch ist unklar, wie weit Trumps Rückzugsab­sichten gehen. Sein realpoliti­scher Zugang ist jedenfalls rigider und moralbefre­iter als Obamas: Trump hat auch kein Problem mit autokratis­chen Verbündete­n, solange sie für Stabilität sorgen – und keine radikal-islamistis­chen Ideen verbreiten. Den Reset-Knopf mit Russland hatte schon Obama gedrückt, Trump will es nun auch versuchen. Dabei könnten ihm jedoch geopolitis­che Deals a` la Jalta vorschwebe­n, was für die Osteuropäe­r schlechte Nachrichte­n wären.

Ein gravierend­er außenpolit­ischer Unterschie­d zu Obama besteht freilich darin, dass sich Trump nicht als Multilater­alist versteht, sondern glaubt, dass Amerika am stärksten allein ist. Er fühlt sich nicht an Verträge wie den Pariser Klimapakt oder das Atomabkom- men mit dem Iran gebunden und hat auch keinen Drang zur Zusammenar­beit mit internatio­nalen Organisati­onen. Das kann neue Instabilit­ät ins globale System bringen.

Der größte Unsicherhe­itsfaktor bleibt jedoch die Persönlich­keit Trumps. Keiner weiß, wie dieser Mann reagiert, wenn er in einer Krise herausgefo­rdert wird. Sich davor jetzt schon zu Tode zu fürchten, hilft allerdings auch nicht weiter.

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