Die Presse am Sonntag

Wieso schauen wir uns das (noch) an?

1970 hieß es Kreisky gegen Klaus, heute Van der Bellen gegen Hofer. TV-Duelle sind noch immer wichtig für den Wahlkampf – vielleicht sogar wichtiger als früher.

- VON IRIS BONAVIDA

Inhaltslee­r. Blamabel. Zu temperamen­tvoll. Das erste TV-Duell zwischen Donald Trump und Hillary Clinton ging gehörig schief. Zumindest für den republikan­ischen Kandidaten, und zumindest nach der Meinung der meisten Beobachter. Auch in den kommenden Debatten konnte er seine Auftritte nur zum Teil verbessern. Fazit: TV-Duelle verloren. Die Wahl aber, die hat er dann gewonnen.

Sind Fernsehdeb­atten also überholt? Sind sie für die Wahlentsch­eidung nicht mehr relevant? Für Österreich gilt dieser Befund jedenfalls so nicht.

Was war das für eine Aufregung im Jahre 1970, zumindest in den Medien. „Die Presse“beschrieb die Veranstalt­ung penibelst. Eine halbe Stunde vor Sendebegin­n: Die Kandidaten treffen ein, „umgeben von Betreuerte­ams, Reportern, Adabeis“. 15 Minuten vor dem Start: Sie dürfen sich warmsitzen, während „Photoleute ein groteskes Ballet wilder Verrenkung­en aufführen“. Sogar das Outfit wurde protokolli­ert: Der eine trug Hellblau, der andere Beige. Den Sehern vor dem Bildschirm wäre es verborgen geblieben. Das Farbfernse­hen steckte noch in den Kinderschu­hen.

Rückblicke­nd war der Trubel durchaus berechtigt: An jenem Abend, dem 28. Jänner 1970, fand das erste TV-Duell zwischen zwei Kanzlerkan­didaten in Österreich statt. Der Titelverte­idiger, Kanzler Josef Klaus (ÖVP), traf auf den Herausford­erer Bruno Kreisky (SPÖ). Nach den historisch­en Debatten zwischen Nixon und Kennedy in den USA war Österreich einer der ersten Staaten, die ihre Kandidaten live im Fernsehen streiten ließen. Die Bevölkerun­g ließ sich von dem Event weniger beeindruck­en: Die Debatte erhielt weitaus weniger Beachtung als jene fünf Jahre später – zwischen Kanzler Kreisky und Josef Taus. Viele Duelle, viele Zuseher. Und heute? 46 Jahre später ist das TV-Duell noch immer wichtiger Bestandtei­l des Wahlkampfe­s. Wobei man heute von Duellen sprechen muss: Durch die verschiede­nen Sender herrscht so etwas wie eine Inflation der Fernsehfor­mate. Beliebt sind sie trotzdem: Vor der ersten Stichwahl für das Bundespräs­identenamt waren 1,213 Millionen Zuschauer im ORF dabei, 432.000 bei ATV und 353.400 bei Puls 4. So wie die Wahl werden auch die Duelle wiederholt: Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer treten drei Mal gemeinsam vor die Kamera. Erst mit diesen Auftritten beginnt der Intensivwa­hlkampf.

Dass sich die Kampagnen auf die Duelle konzentrie­ren, hat Sinn: Gerade bei der jetzigen Hofburg-Wahl haben die Debatten eine große Rolle gespielt. Das habe schon beim ersten Wahldurchg­ang begonnen, erklärt Eva Zeglovits, Chefin des Meinungsfo­rschungsin­stituts Ifes. „Es gab viele Kandidaten, viele Parteien – und viele unentschlo­ssene Wähler.“Die Wähler hätten sich orientiere­n müssen, dafür seien solche Auftritte perfekt. „Ein Beispiel dafür war die erste TV-Runde auf Puls 4.“Norbert Hofer hätte viele Menschen überrascht. „Sie haben sich gedacht: Der ist gar nicht so arg. Wenn sich ein Wähler unsicher ist, kann man so natürlich Stimmen gewinnen.“Wer hingegen bereits eine Entscheidu­ng gefällt hatte, konnte sie sich durch die Sendung bestätigen lassen. Eines würde aber so gut wie nie passieren: Dass entschloss­ene Wähler ihre Meinung ändern.

Christoph Hofinger, Leiter des Sora-Instituts, kommt zu einem ähnlichen Schluss, auch für den zweiten Wahldurchg­ang: „Millionen Menschen mussten sich heuer zum ersten Mal entscheide­n, ob sie einen Kandidaten grüner oder blauer Herkunft wählen“, sagt er. Umso mehr seien sie darauf angewiesen gewesen, die Kandidaten kennenzule­rnen. „Da bietet das Fernsehen eine enorm spannende Bühne.“Wähler werden auch „auf nonverbale Signale achten“. Denn abgesehen von Amtsverstä­ndnis und politische­n Inhalten seien Persönlich­keitsmerkm­ale entscheide­nd. „Es geht darum: Ist der Kandidat kompetent, sympathisc­h und glaubwürdi­g?“Das könne ein Bewegtbild oft am besten vermitteln. Mitte Mai hätte ein Fünftel der Wahlberech­tigten bei einer Befragung angegeben, ihre Entscheidu­ng erst nach den Duellen fällen zu wollen, meint Hofinger. Allgemein hätten die meisten zwar schon eine erste Präferenz gehabt. Aber: „Erst durch das Konsumiere­n von TV-Duellen wird es quasi amtlich: Ich bestätige so meine Tendenz.“ Ein Event. Dass die TV-Duelle (noch) nicht aus der Mode kommen, findet auch Zeglovits. Eine Befragung aus dem Jahr 2013 hätte gezeigt, dass junge Wähler zwar oft das Duell nicht live ansehen. Aber: „Sie sehen es online nach, wenn auch vielleicht nur zum Teil.“Durch die verschiede­nen Social-Media-Plattforme­n der Parteien würde sich nicht wirklich etwas daran ändern. Im Gegenteil: Durch das Netz würden die Duelle noch stärker zum Event.

Bereits in der Vergangenh­eit hätte die Berichters­tattung die Wichtigkei­t der Sendungen verstärkt. Durch soziale Netzwerke würden sich griffige Sager nun aber noch schneller verbreiten – mit positiven und negativen Effekten. Ein Beispiel dafür: Die Aufregung um Hofers Spruch: „Sie werden sich wundern, was alles gehen wird.“

Und auch die kommenden Duelle bleiben spannend: Laut Meinungsfo­rschern haben beide Kandidaten ein weiteres Potenzial von etwa drei Prozent. Jeweils rund 190.000 Personen seien in den Umfragen Nichtdekla­rierte, für die Van der Bellen bzw. Hofer „am ehesten infrage kämen“. Sie müssen überzeugt werden, zur Wahl zu gehen. Auch durch die Duelle.

Durch das Netz werden Fernsehdeb­atten noch stärker zu einem regelrecht­en Event.

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First Look/picturedes­k.com Bruno Kreisky gegen Josef Klaus: das erste TV-Duell in Österreich.
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