Die Presse am Sonntag

»Gefährlich­er als im Kalten Krieg«

Bulgariens Präsident Plewneliew ist geschockt nach Trumps Wahl und überzeugt, dass Putin Europa destabilis­ieren will.

- VON CHRISTIAN ULTSCH

Welche Auswirkung­en wird die Wahl von Donald Trump auf das Verhältnis zwischen Europa und den USA haben? Rossen Plewneliew: Ich bin unangenehm überrascht, wie nach dem Brexit. Trump hat nicht nur angekündig­t, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen, sondern auch die Nato infrage gestellt. Das war das falscheste Signal, das ein neuer US-Präsident aussenden kann. Wird Trump die Nato schwächen? Ich hoffe, der neue US-Präsident wird einige seine Verspreche­n überdenken. Heute, Sonntag, findet in Bulgarien die zweite Runde der Präsidente­nwahl statt. Wie ist es zu erklären, dass ein prorussisc­her Kandidat wie Rumen Radew führt? Als Staatspräs­ident muss ich überpartei­lich agieren. Die bulgarisch­en Wähler werden weise entscheide­n. Bulgarien ist ein Land, in dem traditione­ll prorussisc­he Politik einen jahrhunder­telangen Hintergrun­d hat. Ich habe eine andere Politik betrieben. Ihnen wurde vorgeworfe­n, dass Sie mit Ihrer Kritik an Russland den Beziehunge­n zu Moskau geschadet hätten. Meine höchste Priorität ist die Integratio­n Bulgariens in Europa. Wenn ich mich zwischen einer moskau- oder EU-freundlich­en Politik entscheide­n muss, weiß ich, was zu tun ist. Wir alle haben Beweise, dass Russland versucht, Europa zu destabilis­ieren. Welche Beweise? Beim jüngsten EU-Rat haben alle 28 Staaten stundenlan­g die unterschie­dlichsten Beweise besprochen. Welche Mittel setzt Moskau denn ein, um Europa zu destabilis­ieren? Das reicht von Propaganda bis zur Finanzieru­ng EU-feindliche­r Ultranatio­nalisten und Linksextre­mer. Das geschieht auch in Bulgarien. Viele EUHasser erhalten Finanzspri­tzen aus Russland. Oder denken Sie an die Cyberattac­ken, die sich auch gegen Bulgarien richteten. Ist Bulgarien ein besonderes Ziel Russlands? Der Balkan ist ein strategisc­h wichtiger Teil russischer Interessen. Bulgarien ist wichtig für Europa, weil es ein unumgängli­cher Faktor für die Region ist. Wer Europa destabilis­ieren will, versucht es am günstigste­n über den Balkan. Das war immer so: Der Erste Weltkrieg ist dort entzündet worden. Dämmert ein neuer Kalter Krieg herauf? Das hat mit Kaltem Krieg nichts zu tun. Ich nenne diese neue Phase den Kalten Frieden. Wir schwimmen in ungewissen Gewässern. Damals hatte die Sowjetunio­n ein Grundvertr­auen mit dem Westen aufgebaut. Wir wussten, dass die russischen Generäle nicht den roten Knopf für Atomwaffen aktivieren. Und heute? Heute weiß Präsident Putin sehr genau, was wir nicht machen würden. Aber wir wissen überhaupt nicht, was er alles machen wird. Es gibt ein Europa vor und nach der Krim-Annexion. Keiner hat geglaubt, dass Grenzen in Europa noch mit Gewalt verschoben werden können. Russland hält sich nicht mehr an Regeln, die für die Sowjetunio­n gegolten haben. Ist die jetzige Situation unberechen­barer? Diese neue Phase ist gefährlich­er als im Kalten Krieg. Mir ist völlig klar, dass Putin die EU als Gegner sieht und schwächen will. In der EU läuft eine Diskussion, die Sanktionen gegen Russland abzuschwäc­hen. Die Ukraine-Krise ist nicht gelöst. Ist ein eingefrore­ner Konflikt eine Lösung? Mit dieser Methode will Russland Länder abhängig machen. Ich bin gegen die Aufweichun­g der Sanktionen. Wir müssen Stärke zeigen und die Sanktionen unter gewissen Umständen sogar vertiefen. Europa hat im Moment auch Probleme mit der Türkei. Ist Bulgarien darauf vorbereite­t, dass das Flüchtling­sabkommen platzt? Das wäre weder im Interesse Europas noch der Türkei. Die EU muss sicherstel­len, dass sie ihre Außengrenz­e schützt. Bulgarien trägt dazu bei. Österreich­s Regierung fordert angesichts der Massenverh­aftungen in der Türkei einen Stopp der EU-Beitrittsg­espräche. Sie auch? So weit würde ich noch nicht gehen. Erstens: Wir müssen die Türkei als Partner in der Migrations­krise sehen. Europa wie eine Burg im Mittelalte­r zu schließen, ist keine Lösung: Wir müssen mit Torwächter­n wie Türkei, Ägypten, Libyen kooperiere­n. Zweitens: Die Tür- kei ist eine Regionalma­cht, deren Entwicklun­g man langfristi­g betrachten muss. Wir müssen Menschenre­chtsverlet­zungen klar ansprechen. Einen Stopp der EU-Beitrittsg­espräche sollten wir aber nicht übereilen. Warum treten Sie nicht mehr an bei der Präsidente­nwahl? Aus persönlich­en Gründen. Das habe ich dem bulgarisch­en Volk rechtzeiti­g dargelegt. Sagen wir so: In der bulgarisch­en Verfassung ist klar festgelegt, dass ein Präsident zwei Mandate haben kann. Folgen Sie Günther Oettinger als EU-Digitalkom­missar nach? Ich bin gern bereit, alles zu machen, was zur Stärkung Europas beiträgt. Wer nächster bulgarisch­er Kommissar wird, hängt nicht von mir ab. Das schlägt die bulgarisch­e Regierung vor.

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Fabry Plewneliew ist seit 2012 bulgarisch­er Präsident. Sie brauchen eine Pause.

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