Das Werben um die Verweigerer
Wie Großkonzerne versuchen, junge Menschen mit Influencer Marketing zu inspirieren.
umfasst, arbeitet Kranner nun daran, selbst so einen Platz zu organisieren.
Die Kunden, das sind längst nicht nur die Jungen, das sind, erzählt sie, Wiener Foodies, Studenten und Professoren, Leute, die in der Gegend arbeiten, oder Mütter mit ihren Kindern oder Leute, die sie etwa für eine Dachgeschoßburgerparty buchen. Über- haupt ist das Geschäft der jungen Unternehmer keines mehr, das sich auf eine Klientel aus nur der eigenen Szene beschränkt – von Studenten und Berufseinsteigern könnten viele, Stichwort Wiener Mode, nicht leben.
Dass Jungunternehmertum in einer Trendsparte kein sicheres Geschäft ist, dafür gibt es in Wien mit den Gebrüdern Stitch und der Insolvenz ihres Maßjeans-Salons auf der Mariahilfer Straße ein Paradebeispiel. Überhaupt sind die mutigen Jungen, das belegen Was tun, wenn die jüngere Generation die wirtschaftlichen Erwartungen in sie einfach nicht erfüllt? Wenn sie, statt sich einen Neuwagen zu leasen, lieber öffentliche Verkehrsmittel und Carsharingmodelle nutzt, mit dem Fahrrad fährt oder zu Fuß geht? Wenn sie sich mit Anfang 30 nicht hoch verschuldet, um ein Haus zu kaufen, sondern in (Miet-)Wohnungen und Wohngemeinschaften lebt? Wenn sie sich nichts aus teuren Uhren als Statussymbol macht?
Angesichts dieser Entwicklung herrscht in den Marketingabteilungen vieler US-Konzerne Ratlosigkeit. Der amerikanische Traum von einer Familie mit Eigenheim und mindestens einem Auto ist für viele junge Menschen nicht mehr erstrebenswert, wie zahlreiche Studien belegen. In ihrer Not haben daher beispielsweise Autohersteller begonnen, ihre neuesten Modelle einflussreichen Bloggern für (teilweise monatelange) Testfahrten zur Verfügung zu stellen.
In der Hoffnung, die jüngere Zielgruppe besser zu erreichen und sie dazu zu animieren, dem Lebensstil ihrer Eltern- und Großelterngeneration doch eine Chance zu geben. Glaubwürdigkeit und Authentizität. Influencer Marketing nennt sich dieses Phänomen und macht in den USA mittlerweile einen beträchtlichen Anteil der Werbeetats aus. Blogger sollen also als Influencer ihre Leser auf den Geschmack von Produkten bringen, denen sie den Rücken gekehrt haben. Eine Methode, die auch in Österreich angekommen ist, wie Katharina Schmalzl von Ketch’em Bunnies (www.ketchembunnies.com) bestätigt, einem der erfolgreichsten Lifestyleblogs über das Leben in Wien, Beauty, Essen, Mode und Reisen. Funktionie- die Zahlen vom Kreditschutzverband KSV 1870, teilweise nicht erfolgreich: Der Anteil an Jungunternehmen bei Insolvenzen steige, besonders in Wien. Fast die Hälfte der insolventen Unternehmen sei weniger als drei Jahre alt. Aber im Schnitt überlebt nur eines von zehn neu gegründeten Unternehmen die ersten fünf Jahre nicht, das ist eine vergleichsweise niedrige Quote. Dramatischer ist die Situation in der Gastronomie: Dort sperrt in Wien laut Wirtschaftskammer eines von fünf Lokalen binnen eines Jahres wieder zu. Selbstverwirklichung bis Ausbeutung. Auch jene, die es schaffen, erzählen davon, dass sich das Leben der (mit Studienabschluss oft heillos überqualifizierten) Neo-Kaffeeköche oder Modeverkäufer irgendwo zwischen Selbstverwirklichung und Selbstausbeutung abspielt. Trotzdem, die Generation, die als weltfremde Träumer, Weltverbesserer, Selbstverwirklicher ohne Karrierebewusstsein beschrieben wurde, hat eines sicher geschafft: Ihre Viertel geprägt – und Trends gesetzt, die auf dem Massenmarkt angekommen sind. ren kann diese Art von Marketing ihrer Erfahrung nach nur, wenn bei der Bewerbung eines Produkts die Glaubwürdigkeit und Authentizität gegeben sind.
„Unternehmen sind daher gut beraten, die für ihre jeweiligen Produkte ,richtigen‘ Blogger auszusuchen und nicht nur auf die Reichweite des Blogs zu achten“, sagt die 27-jährige Salzburgerin, die seit vier Jahren in Wien lebt. „Blogger wiederum sollten transparent agieren und zielgruppenrelevante Marken als Werbepartner auswählen, die für ihre Leser auch wirklich einen Mehrwert darstellen.“
Sinnvoll sei Influencer Marketing also vor allem dann, wenn alle Beteiligten etwas davon haben: das werbende Unternehmen, weil die richtige Zielgruppe angesprochen wird; der Blogger – entweder durch die Bezahlung oder einen wertvollen Artikel bzw. eine spannende Erfahrung; und der Leser, der etwas Neues, für ihn Gehaltvolles erfährt. Als vielleicht größten Vorteil dieser Marketingstrategie bezeichnet sie die Möglichkeit, „ganz gezielt die relevanten Zielgruppen anzusprechen und Werbebotschaften kreativ sowie maßgeschneidert dort zu deponieren, wo man sie haben will – und wenn der Leser sie nicht lesen will, klickt er sie einfach weg, das ist eine Win-winSituation für alle“.
Wie sehr sich Influencer Marketing für die Konzerne lohnt, ist wie bei allen neuartigen Werbestrategien (den Begriff gibt es erst seit rund sieben Jahren) noch schwer abzuschätzen. Das Ziel ist
Blog.
Katharina Schmalzl ist gebürtige Salzburgerin und lebt seit vier Jahren in Wien. Die 27-Jährige betreibt den Blog Ketch’em Bunnies, einen der erfolgreichsten Lifestyleblogs über das Leben in Wien, Beauty, Essen, Mode und Reisen. jedenfalls eine, wie Schmalzl es nennt, „subtile Meinungsbildung. Denn, weil ja die Leser das Gefühl haben, dich als Bloggerin persönlich zu kennen, und dich und deine Meinung im Idealfall auch schätzen, kann die Assoziation einen positiven Einfluss haben, wenn eine Kaufentscheidung ansteht.“
Man müsse dabei aber unbedingt berücksichtigen, wie kritisch und anspruchsvoll Leser von Blogs sind. „Sie akzeptieren keine Schleichwerbung und bemerken sofort, wann etwas gesponsert ist. Deswegen ist Transparenz und Offenheit mit dem Thema sowie der Mehrwert, der durch Kooperationen geschaffen wird, enorm wichtig. Je ehrlicher man agiert, umso mehr Integrität zeigt man.“
Trotz des Hypes: Die Wiener Street-Food-Szene kommt nicht vom Fleck. »Die Leser haben ja das Gefühl, dich als Bloggerin persönlich zu kennen.«
„Alte Muster funktionieren nicht“. Die in vielerlei Hinsicht unkonventionelle Haltung und Einstellung der jüngeren Generation erklärt Schmalzl auch damit, dass sie es satt hätten, sich einen Stempel aufdrücken zu lassen. „Wir haben so viele Optionen, wie wir unser Leben gestalten können, da funktionieren die alten Muster nicht mehr“, sagt sie. „Das gilt für die Art, wie wir unsere Jobs gestalten, uns weiterbilden und eben auch dafür, wie wir Marketing empfangen und entwerfen.“
Das Internet bzw. die sozialen Netzwerke spielten dabei selbstverständlich eine wichtige Rolle – denn im Prinzip drehe sich alles um Kommunikation. „Sie ist viel einfacher geworden und auch der Vergleich mit anderen. Deswegen habe ich das Gefühl, dass wir durch diesen Spiegel, den wir uns ständig vorhalten, stets nach , etwas Besserem‘ streben, um unser Leben unabhängig von Bräuchen und Gewohnheiten so zu gestalten, wie wir es haben wollen.“