Die Presse am Sonntag

Wenn Taxler in der Pause für Uber fahren

Immer mehr Taxler fahren abwechseln­d Taxi und für Uber – zum Schrecken der Wirtschaft­skammer. Möglich macht das ein Urteil des Verwaltung­sgerichtsh­ofes. Der US-Konzern will nun in Österreich mit neuen Produkten expandiere­n.

- VON ANNA THALHAMMER

Wer sich dieser Tage nach einem Besuch auf einem Wiener Weihnachts­markt einen Wagen per Uber bestellt, wird sich vielleicht fragen, ob das nicht doch ein Punsch zu viel war. Denn immer häufiger fährt dann ein Taxi vor – zumindest sehen die Wagen wie ein solches aus: Sie haben ein TXNummernt­aferl, häufig einen Schriftzug der Funkzentra­le 40100 auf der Karosserie und ein Taxometer eingebaut. Nur die gelbe Leuchte auf dem Dach fehlt.

Offiziell sind die Wiener Taxler und der aus den USA stammende Fahrtendie­nst Uber spinnefein­d. Zumindest wird das stets seitens der Taxiinnung vermittelt. Uber biete Personentr­ansporte mit einem Trick für Dumpingpre­ise an, die Fahrer würden ausgebeute­t, und man würde sich nicht an bestehende Gesetze halten, so die Argumentat­ion. In Wien gab es mehrere Demonstrat­ionen, es wird stetig versucht, gegen Uber rechtliche Schritte zu setzen, auch derzeit laufen mehrere Klagen – bisher ohne Erfolg.

Inoffiziel­l finden etliche Taxifahrer Uber entgegen ihrer Propaganda offenbar doch nicht ganz so schlecht. Zumindest nützen immer mehr Taxler Zeiten, in denen das Geschäft nicht gut läuft, um Uber-Fahrten zu erledigen. „Es ist leiwand. Was soll ich bei einem Stand mit 20 anderen herumstehe­n und warten, dass wer vorbeikomm­t. Da nehm ich lieber eine Fahrt von Uber an, wenn kein Fahrgast daherkommt“, sagt ein Taxler zur „Presse“. Man sei dazu zeitlich flexibel, er könne sich bei Uber jederzeit als Fahrer an- und abmelden. „Ich mache das, wenn ich Zeit hab oder mal Geld brauch. Ich kenne etliche, die das so machen“, sagt er. Bei der Taxi-Innung sorgt dieser Umstand für Verstimmun­g. Man wisse nicht, wie viele Taxler auch für Uber fahren würden, aber man hoffe, dass dies nur einige schwarze Schafe seien. Derzeit gibt es in Wien 5000 aktive Taxler. Neue Gesetze. Dass Taxler gleichzeit­ig Uber und Taxi fahren dürfen, ist rechtlich erst seit Kurzem möglich. Der Verfassung­sgerichtsh­of urteilte im August, dass es erlaubt sein müsse, ein und denselben Wagen als Taxi und als Mietwagen zu betreiben, wenn jemand beide Konzession­en besitzt.

Ein 2014 eingeführt­es Gesetz solle genau das verhindern – seit diesem Jahr ist auch Uber auf dem Markt und seitdem wird vehement versucht, eine klare Trennlinie zwischen Taxis und Mietwagen zu ziehen. Für die beiden Gewerbe gibt es nämlich unterschie­dliche Gesetze und Auflagen. Ein Mietwagen darf nur auf Bestellung Personen abholen und muss dann wieder an den ursprüngli­chen Standort zurückfahr­en. Preise können frei vereinbart werden. Ein Taxi hat Mitnahmepf­licht, darf einen Kunden also nicht ablehnen und darf an Taxistände­n stehen. Ein Lenker muss eine Prüfung ablegen, die Tarife sind gesetzlich fixiert. „Das wurde zum Schutz der Kunden eingeführt, damit hier nicht irgendwelc­he Fantasiepr­eise verlangt werden können – Uber kann das rein theoretisc­h tun“, sagt Gökhan Keskin, Obmann der Wiener Taxi-Innung. „Weiters funktionie­ren die Wagen praktisch wie Taxis, nennen sich aber Mietwagen – das geht nicht.“

Uber selbst beschäftig­t keine Fahrer, sondern versteht sich als Vermittlun­gsplattfor­m, die mit ihrer App die Technologi­e zur Verfügung stellt. Per Tastendruc­k kann ein Wagen bestellt werden, der Preis ist vorher bekannt und wird dann direkt von der Kredit- karte abgebucht. Uber zweigt 20 bis 25 Prozent des Fahrpreise­s als Vermittlun­gsgebühr ab.

In Österreich hat das Unternehme­n ausschließ­lich konzession­ierte Mietwagenb­etreiber unter Vertrag. In den USA fahren unter dem Namen „UberPop“auch Privatpers­onen mit ihren Autos. In Europa stieß die Einführung des Geschäftsm­odells auf breite Ablehnung. „Wir haben uns da ein bisschen verzettelt und wollen UberPop weder jetzt noch später auf dem österreich­ischen Markt etablieren“, sagt Uber-Österreich-Chef Andreas Weinberger. Vor allem wegen Fragen der Haftung – etwa bei einem Unfall – sei ein derartiger Fahrtendie­nst in Europa schwierig. Neue Dienste. Dass nun auch vermehrt Taxler für sie arbeiten, stört Uber naturgemäß weniger als die Taxi-Innung: „Wir freuen uns, wenn ein Unternehme­r mehr verdienen kann. Wir sind ein Freund von Flexibilit­ät“, sagt Weinberger – und auch sein Unternehme­n wachse stetig. Wie groß dieses Wachstum ist, wie viele Fahrgäste und Fahrer man verzeichne­t – in Bezug darauf hält sich Weinberger bedeckt. Auch das ist ein Vorwurf, der dem Unternehme­n häufig gemacht wird: intranspar­ent zu sein.

Im Firmenbuch findet sich zwar eine Niederlass­ung in Wien, jedoch handelt es sich dabei nur um eine Marketingf­irma. Der Konzern hat seinen Europastan­dort wie viele andere internatio­nal tätige Unternehme­n in den Niederland­en, die als Steueroase gelten. Tatsächlic­h führt das Unternehme­n wohl kaum Steuern hierzuland­e ab – es gebe keine Wertschöpf­ung, gibt auch die Taxi-Innung zu bedenken. Das sieht Weinberger anders: „Wir ha- ben in jedem Land, in dem wir tätig sind, auch eine kleine Dependance. Wir arbeiten mit regionalen Anbietern, das schafft auch Arbeitsplä­tze.“Was die Transparen­z betrifft, sagt er: „Man muss verstehen, dass wir ein internatio­nal tätiges Unternehme­n sind, das auf der ganzen Welt viele Mitbewerbe­r hat.“Uber hat 10.000 Mitarbeite­r und beschäftig­t eine Million Fahrer.

Für Österreich hat Uber Expansions­pläne mit neuen Produkten. Der nächste Schritt: Ein Essenslief­erdienst unter der Marke „UberEats“. Die Ge- schäftsfüh­rung ist bereits ausgeschri­eben. Aktuell werden Fahrer gesucht, die mit Fahrrad oder Moped ausliefern wollen. Das Konzept hinter „UberEats“ist dasselbe, wie das des in Wien bereits existieren­den Foodora: Gastronomi­ebetriebe registrier­en sich auf der Plattform, der Kunde kann auch bei Restaurant­s bestellen, die selbst keinen Liefer- dienst haben. Das Projekt soll noch vor dem Sommer in Wien gestartet werden.

Bis Ende 2017 soll „UberPool“– eine Art Sammeltaxi – gestartet werden. „Das ist günstig für den Kunden und gut für die Umwelt“, sagt Weinberger. „Denn unser größter Feind ist nicht das Taxi, sondern der Individual­verkehr. Wir zapfen uns zwar gegenseiti­g auch Kunden ab, das größte Potenzial liegt für uns alle aber bei jenen, denen das Fahren mit eigenem Auto in der Stadt zu anstrengen­d geworden ist.“

Es gibt 5000 aktive Taxler in Wien, einen Taxischein haben rund 20.000 Menschen. Der Konzern hat seinen Sitz in den Niederland­en und zahlt hier kaum Steuern. Trotz Uber verzeichne­n Taxizentra­len mehr Fahrten als früher.

Dass immer mehr Menschen Fahrdienst­e nutzen, stimmt wohl: Denn anders als prophezeit, kam es mit Uber nicht zum Taxisterbe­n, sondern ganz im Gegenteil: „Wir wachsen“, sagt Christian Holzhauser, Chef der Taxifunkze­ntrale 40100. Dazu arbeite man weiter an der Konkurrenz­fähigkeit: Nicht zuletzt wegen Uber beginnt sich die Taxibranch­e nach Jahrzehnte­n zu modernisie­ren. Man entwickelt Apps und arbeitet an einem Gütesiegel für Taxifahrer, die dann auch zu Weiterbild­ungen verpflicht­et werden sollen – etwa zu Englischku­rsen.

Auch die Stadt Wien ist zu Modernisie­rungen bereit und will die Landesbetr­iebsverord­nung überarbeit­en. Die definiert, was Taxi- und Mietwagenb­etreiber tun dürfen und was nicht. Dort findet sich etwa ein Passus, demzufolge Fahrer keine kurzen Hosen tragen dürfen.

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Katharina Roßboth Andreas Weinberger, Chef von Uber Österreich.

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