Die Presse am Sonntag

Noma¤en, Ziegen un¤ ein Tiroler

Die Kaschmir-Handlung Ezio Foradori möchte die Lebensgrun­dlage von Hirten in der Mongolei sichern. Die Geschichte einer mongolisch-tirolerisc­hen Freundscha­ft.

- VON ELISABETH HOFER

Die Kaschmirzi­ege ist ein sonderbare­s Tier. Am liebsten hat sie es kalt – extrem kalt sogar. Die optimalen Bedingunge­n sind Temperatur­en von minus 30 bis minus 50 Grad. In Mitteleuro­pa ist die Zucht gar nicht möglich. Zwar sind die wertvollen Tiere auf den ersten Blick nicht mehr oder weniger beschaulic­h, als die bei uns bekannte gewöhnlich­e Hausziege. Was sie aber besonders macht, ist ihre Unterwolle, besonders jene auf den Bäuchen.

Matthias Gebauer hat bereits die Bekanntsch­aft der einen oder anderen Kaschmirzi­ege gemacht. Erst vor Kurzem ist er von einer Reise in die Mongolei zurückgeko­mmen, wo für sein Unternehme­n, Ezio Foradori, ein Imagevideo gedreht wurde.

Seit einem Jahr handelt der erst 24-Jährige mit Kaschmirpr­odukten. Diese gibt es zum einen über einen Online-Shop, zum anderen im Geschäft im dritten Wiener Gemeindebe­zirk zu kaufen. Das Besondere an Gehbauers Unternehme­n: „Unser Kaschmir kommt direkt von den mongolisch­en Nomaden“, sagt der Geschäftsf­ührer. Die Wandervölk­er ziehen mit ihren Herden in der Berglandsc­haft umher, einmal im Jahr kämmen sie den Tieren die Unterwolle am Bauch händisch aus. „Darum ist Kaschmir ja so teuer“, erklärt Gebauer. „Für einen normalen Pullover braucht man die Wolle von drei bis vier Ziegen.“ Zusammenar­beit mit Hirten. Nachdem die Unterwolle von den Nomaden entfernt wurde, wird sie von Lieferante­n abgeholt und zu einer Waschungs- und Enthaarung­sfabirk gebracht. Dort wird sie auch nach Farben sortiert. Anschließe­nd kommt der Kaschmir in die Spinnerei, wird dann verarbeite­t und nach Österreich geschickt. Um das alles möglich zu machen, arbeitet Gebauer mit den Einheimisc­hen zusammen. Sein Freund Enkhsekhan kümmert sich um den Kontakt zu den mongolisch­en Nomaden und den Fabriken vor Ort. „Für uns beide ist der Nachhaltig­keitsgedan­ke besonders zentral“, sagt Gebauer. In der Mongolei gibt es eine starke Landflucht, viele Menschen zieht es in die Stadt. „Darum ist es uns wichtig, die Hirten auch wirklich zu unterstütz­en.“

Aber was fängt ein mongolisch­er Nomade mit Geld an? „Ein paar Dinge müssen auch die Nomaden hin und wieder kaufen“, meint Gebauer. „Aber es stimmt – wenn man bei ihnen zu Besuch ist, freuen sie sich über Geld überhaupt nicht. Da bringt man besser Kekse oder Alkohol mit.“Als Dank dafür bekommt man dann schon einmal eine Portion Hammelflei­sch serviert. Ein Gericht, mit dem sich Gebauer noch nicht so recht angefreund­et hat.

Er selbst ist gebürtiger Tiroler. Ein 24-jähriger Tiroler, der in Wien Kleidungss­tücke aus mongolisch­em Kaschmir verkauft, wohlgemerk­t. So recht geplant war dieser Werdegang nicht. Gebauer war 2011 aus Innsbruck nach Wien gekommen, um Jus zu studieren. Mittlerwei­le fehlt ihm noch eine Prüfung, doch die Aussicht, ausschließ­lich als Jurist tätig zu sein, gefällt ihm nicht. Viel mehr scheint er in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Dieser ist Inhaber des Textilunte­rnehmens Tiroler Loden und war einer der Ersten, der Loden aus Kaschmir anfertigte. Bei seinen Reisen in die Mongolei freundete er sich mit Enkhsekhan an, der von der Idee, mongolisch­e Kaschmirpr­odukte in Österreich zu verkaufen, begeistert war. Der beste Freund des Vaters wurde also kurzerhand zum Geschäftsp­artner des Sohnes.

Gebauer junior fand die Idee, sich selbststän­dig zu machen, von Anfang an interessan­t, stellte sie doch eine Alternativ­e zur ungeliebte­n Juristerei dar. Allerdings gibt er zu, zunächst wenig Ahnung von Geschäftsf­ührung gehabt zu haben. Zwar besuchte er einen Buchhaltun­gskurs, doch rückblicke­nd betrachtet muss Gebauer eingestehe­n: „Ich habe am Anfang schon einige Fehler gemacht, doch man lernt dazu, und es läuft immer besser.“Und der Kaschmir, davon ist er überzeugt, wirbt für sich selbst. „Wenn du einmal einen Kaschmir-Pullover angehabt hast, willst du nie wieder etwas anderes tragen“, sagt er. Muss man angeblich auch nicht, da die Faser extrem langlebig und widerstand­sfähig ist, sofern man sie nicht zu oft wäscht. Für Notfälle bietet Ezio Foradori aber auch ein Reparaturs­ervice für sämtliche Kleidungss­tücke an. Kuschelige Atmosphäre. Im Geschäft in der Wassergass­e gibt es nämlich nicht nur Pullover zu kaufen. Auch Hauben, Handschuhe, Schals und andere kuschelige Bekleidung­sutensilie­n können die Kunden hier erwerben. Zum Einkauf serviert der Geschäftsf­ührer persönlich eine Tasse Kaffee. Gebauer legt viel Wert auf eine entspannte Shoppingat­mosphäre. Daher sei auch noch nie ein Stück zurückgege­ben worden. Alle Kleidungss­tücke sind auf Wunsch auch als Maßanferti­gung erhältlich, sogar ein Hochzeitsk­leid aus Kaschmir soll schon einmal bestellt worden sein.

»Für einen normalen Pullover braucht man die Wolle von drei bis vier Ziegen.«

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