Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

An entschiede­nen Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawande­l führt kein Weg vorbei. In der Praxis ist das allerdings nicht so einfach, wie man vielleicht denken möchte.

Kaum in Kraft getreten, ist der Pariser Klimaschut­zvertrag nun wieder in ernsthafte­r Gefahr. Der eben gewählte nächste US-Präsident sieht im Konzept des Klimawande­ls einen Schwindel, den sich die Chinesen ausgedacht haben, um der amerikanis­chen Wirtschaft zu schaden. Er hat mehrfach angekündig­t, aus dem Vertrag auszusteig­en.

Das macht die Aufgaben, denen sich die Verhandler von fast 200 Staaten dieser Tage in Marrakesch stellen, nicht einfacher: Bei der laufenden UN-Klimakonfe­renz soll das politische Abkommen von Paris nun mit Leben erfüllt werden. Vordergrün­dig geht es um eine deutliche Reduktion des Treibhausg­asausstoße­s, um die Erderwärmu­ng auf weniger als zwei Grad zu begrenzen. Doch das reicht nicht aus: Selbst wenn die CO2-Emissionen von heute auf morgen auf null gestellt würden, wären die Konsequenz­en der bisherigen Emissionen noch lang zu spüren. So hat die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO etwa berechnet, dass ohne entschiede­ne Maßnahmen bis 2030 zusätzlich 35 bis 122 Millionen Menschen in Armut und Hunger gestürzt würden – vor allem Kleinbauer­n in Afrika und Südasien. Mindestens genauso wichtig ist daher der zweite große Ast der Klimaverha­ndlungen, die Anpassung an den Klimawande­l.

In der Praxis ist das allerdings eine haarige Sache. Trotz aller Fortschrit­te ist die Klima(folgen)forschung mit großen Unsicherhe­iten behaftet. Ein Beispiel dafür lieferte diese Woche ein Forscherte­am aus Holland und Nepal: Die Wissenscha­ftler haben verschiede­ne Szenarien für den Wasserhaus­halt im Industal (in dem 200 Millionen Menschen leben) durchgespi­elt und kamen zu dem Ergebnis, dass sich das Wasserange­bot mittelfris­tig um minus 15 bis plus 60 Prozent verändern könnte (Plos One 9. 11.). Da ist guter Rat teuer. Die einzig sinnvolle Antwort darauf ist wohl die Steigerung der Resilienz (Widerstand­sfähigkeit) von Gesellscha­ft und Wirtschaft gegen die Risken.

Das Beispiel zeigt, dass man wesentlich weiter denken muss als bisher – wie österreich­ische Forscher kürzlich auch in „Science“(21. 10.) ausgeführt haben. Da spielen Versicheru­ngen eine wichtige Rolle, aber auch kurative Maßnahmen (etwa besserer Hochwasser­schutz an Küsten) und im schlimmste­n Fall auch transforma­tive Maßnahmen (wie etwa Umsiedlung­en).

Wie solche Dinge realisiert und vor allem wie sie finanziert werden können, ist Gegenstand der laufenden Debatten. Ob mit oder ohne USA. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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