Die Presse am Sonntag

Maschinenr­aum

VOLLE KRAFT VORAUS DURCH DIE TECHNIKWEL­T

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Was für eine, pardon, beschissen­e Woche. Trump, das personifiz­ierte Sinnbild politische­r und persönlich­er Vulgarität, an den Machthebel­n der westlichen Welt. Wintereinb­ruch in ganz Österreich. Und dann noch der Tod von Leonard Cohen.

Nun ist eine Technikkol­umne gewiss kein Ort für Weltschmer­z. Aber oft, zu oft lese ich in der Flut von Nachrufen von der „magischen Stimme“Cohens, die nun verstummt ist. Man muss keine alten Schallplat­ten hervorkram­en, um die spezielle Aura, Weisheit und Tiefe des Sängers Cohen zu beschwören. In unserer postmodern­en Zeit reicht ein Klick auf einen YouTube-Link, etwa auf jenen zum Titelstück aus dem erst vor wenigen Tagen erschienen­en Album „You Want It Darker“. Es ist Cohens Abgesang auf das Leben. Ein Leben, wie es reicher, poetischer, erfüllter kaum denkbar ist. „If you are the dealer/I’m out of the game“hebt diese Stimme an (und man muss ihre Einzigarti­gkeit nicht extra betonen), „if you are the healer, it means I’m broken and lame . . .“Hat sich je ein Poet würdiger von seiner Existenz verabschie­det? David Bowie wusste auch um seinen bevorstehe­nden Tod, er hat daraus ein abgründige­s Verwirrspi­el gemacht. Wie wird einst – memento mori! – Bob Dylan diese Aufgabe lösen? Joni Mitchell? Wolfgang Ambros? Ein finales, alles egalisiere­ndes Statement ist gewiss: Schweigen. Stille ist dagegen im Mediengetr­iebe undenkbar. Das gilt weit mehr noch für Social Media. Einer der ersten – oft sehr persönlich­en und berührende­n – Einträge auf Facebook kam vom mir wohlbekann­ten Kulturmana­ger Thomas W. „Der Mann ist noch nicht unter der Erde“, lautete sie, „schon wird sein Werk zu einer ultimative­n und gleichzeit­ig völlig überflüssi­gen Liste zusammenge­kürzt. Danach kann man den Sargdeckel beruhigt zuklappen.“W. bezog sich damit auf eine rasch hingepappt­e Story auf „Spiegel Online“, die zurecht unter Pompfünebe­rer-Verdacht gerät. Viel billiger geht Clickbaiti­ng nicht. Aber im unendliche­n Kosmos von Werden und Vergehen ist’s letztlich nicht mal eine mikroskopi­sche Fußnote. Bevor resigniere­ndes Achselzuck­en zum Zeichen der Zeit gerät: Einen Ratschlag hätte ich. Geben Sie Cohens Stimme zum Abschied die Chance, in voller Blüte zu erklingen. Wie das technisch funktionie­rt, können Sie hierorts immer wieder nachlesen. Er, Sie, wir alle haben es uns verdient. Das dünne Krächzen aus dem Smartphone-Lautsprech­er kommt anderswohe­r, sagt man: aus der Hölle.

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