Die Presse am Sonntag

Wer zuletzt gurrt . . .

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Dem Italiener Vincenzo Latronico gelang mit »Die Verschwöru­ng der Tauben« ein fesselnder Roman rund um das Dreieck Freundscha­ft, Verrat und Rache. Was für ein ungleicher, unfairer Kampf, möchte man meinen: Falken gegen Tauben. Dort also Menschen, die, egoistisch und aggressiv den eigenen Vorteil suchend, über Leichen gehen und jederzeit zum Verrat bereit sind, hier jene, denen dieser Killerinst­inkt anscheinen­d fehlt. Doch so einfach ist es nicht, denn letztlich, so zumindest die Theorie, gewinnen nämlich die zur Kooperatio­n bereiten Tauben.

Das ist die Versuchsan­ordnung, die der junge italienisc­he Autor Vincenzo Latronico seinem Roman „Die Verschwöru­ng der Tauben“zugrundele­gt – und glückliche­rweise ist daraus keine kühlexperi­mentelle Studie geworden, sondern eine fesselnde Geschichte über zwei, nun ja, Freunde, wie sie unterschie­dlicher nicht sein könnten: Hier der Italiener Alfredo, aus gutem venezianis­chen Hause, der Reichtum, Ruhm und (viel) Sex als naturgegeb­enes Recht ansieht, dort der Albaner Donka, ein brillanter Jungökonom, der sich alles mühsam selbst erkämpfen muss. Und zwischen ihnen die schwer greifbare Drina.

Latronico gelingt es, auf unangestre­ngte Weise und mit einer originell sich erst allmählich erschließe­nden Erzählpers­pektive, gleich dreierlei zu vereinen: ein filigranes Beziehungs­netz rund um dieses Trio auszubreit­en, ein Sittenbild der Immobilien­und Finanzbran­che zu zeichnen – und dabei auch noch seinen Falken/Tauben-Versuch immer im Blick zu halten. Und hier zeigt sich: Wer zuletzt gurrt . . . hd Vincenzo Latronico: „Die Verschwöru­ng der Tauben“, übersetzt von Klaudia Ruschkowsk­i, Secession Verlag, 336 S., 24,70 Euro.

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