Sie sagen der feindlichen Welt: »Ich bin so frei«
»MEISTERERZÄHLUNGEN«
Ein Mann zwischen Leben und Tod denkt sich: „Nun ja, er sollte also erfrieren, da konnte er sich ebenso gut ordentlich benehmen.“Ein paar Männer versuchen einen mutmaßlichen Mörder zu besänftigen: „Wir wollen dich ja nur hängen, und du machst eine solche Unordnung und ein solches Spektakel.“Allerdings kommen sie dann drauf, dass sie hier im Packeis gar nichts finden, was als Galgen dienen könnte.
Was soll man in Österreich 2016, satt und sicher, mit solchen Situationen anfangen? So fremdartig wirken für Heizkörpergewohnte die Regeln, nach denen Londons Figuren sich in ihrer feindlichen Umwelt bewegen. Warum sie unter schrecklichsten Umständen noch Reste von Anstand und Würde zusammenklauben, scheint dem Autor der „Meistererzählungen“(Diogenes) selbst ein Rätsel. Aber am meisten liebt er wohl all jene Männer (immer Männer), die denen, die sie quälen, ein Schnippchen schlagen. Das ist heute noch erfrischend: wie der alte reiche Chinese seine Familie mit ihren Intrigen allein lässt und fern seiner Altersruhe frönt, kichernd über die komische Welt. Wie der von seiner Familie gegängelte alte Mann sich in den Kopf setzt, noch einmal Gold zu finden, und ihm das dank unfassbarer Zähigkeit gelingt. Oder wie der Teenager, der von Kindesbeinen an in der Fabrik geschuftet hat, sich in einen Güterwaggon setzt und einfach fortfährt – und im Dunkeln lächelt.
Man liebt diese Figuren, weil man ein paar Buchseiten lang miterleben darf, wie sie einer feindlichen Welt sagen: „Ich bin so frei.“