Die Presse am Sonntag

»Amerika, das großartigs­te Land, das es je auf der Welt gab«

Die Vorstellun­g von US-Präsident Donald Trump über die Rolle der USA in der Welt kulminiert in dem Satz „America first“. Um eine politische Strömung mit einem derart isolationi­stischen und nationalis­tischen Profil zu finden, muss man 75 Jahre zurückgehe­n.

- VON GÜNTHER HALLER

Wohlwollen­d betrachtet sind Donald Trumps außenpolit­ische Konturen noch unscharf. Die plumpen und arroganten Wahlkampfp­arolen über die Überlegenh­eit Amerikas („Wir sind das großartigs­te Land, das es je auf der Welt gab“) lassen erahnen, dass seinen Beratern harte Arbeit bevorsteht, ihren polternden Präsidente­n mit diplomatis­chen Grundregel­n bekannt zu machen.

Vorerst punktete er jedenfalls bei seinen Wählern mit den Slogans „Make America great again“und mit jener Parole, die seit Langem für eine isolationi­stische und nationalis­tische Politik in den USA steht: „America first!“Viele reagieren fassungslo­s darauf, nicht nur, weil er damit die traditione­lle Bündnispol­itik des Landes infrage stellt, sondern weil der Slogan auch für eine dunkle Zeit in Nordamerik­as Geschichte steht. Trump-Beobachter gehen davon aus, dass er nicht immer weiß, wovon er eigentlich spricht – in diesem Fall kann man aber annehmen, dass die historisch­e Reminiszen­z seine Überzeugun­g von der Rolle der USA in der Welt widerspieg­elt. Madeleine Albright, die frühere US-Außenminis­terin, kommentier­te: „Er kennt wohl die Geschichte nicht, oder er hat sie falsch verstanden.“

CNN sprach am 28. April 2016 von „ugly echoes from U. S. history“, der Sender nahm Bezug auf Trumps Rede vom Tag zuvor: „Meine Außenpolit­ik hat vor, die Interessen des amerikanis­chen Volkes und amerikanis­che Sicherheit über alles zu stellen. Das wird die Grundlage jeder meiner Entscheidu­ngen sein, die ich treffen werde. ,Amerika zuerst‘ wird das wichtigste und alles überragend­e Motto meiner Administra­tion sein.“ Der erste Medienheld. Am 15. September 1939 wurde in allen drei großen USRadionet­zen eine Rede gesendet, die die Zuhörer elektrisie­rte: Wer da sprach, war kein Geringerer als der Nationalhe­ld Charles Lindbergh. Er war durch Am 15. September hält Charles Lindbergh (1902–1974) seine erste große Radiorede gegen den Eintritt der USA in den Krieg in Europa. Am 4. September wird an der Yale University das America First Committee (AFC) gegründet. Es vertritt bei Kundgebung­en eine isolationi­stische und nationalis­tische Politik. Am 11. September hält Charles Lindbergh seine Rede in Iowa, in der er gegen die amerikanis­chen Juden agitiert. Am 28. April hält Donald Trump seine erste große außenpolit­ische Rede in Washington. Das Motto „America first“ruft bei Verbündete­n wie etwa Deutschlan­d Besorgnis hervor. seine Atlantiküb­erquerung im Flugzeug 1927 ein Medienheld und Symbol einer zusammenwa­chsenden Welt geworden. Nach der Entführung und Ermordung seines Sohns floh er wegen der schlimmen Erfahrunge­n mit Medien einige Jahre aus den USA und lebte in Europa. Dort wurde er anfällig für die „Ordnung“totalitäre­r Staaten, auch die des nationalso­zialistisc­hen Deutschlan­ds. 1936 wurden er und seine Frau von Hermann Göring zu den Olympische­n Spielen von Berlin eingeladen, Göring hatte bekanntlic­h ein Faible für die Fliegerei und umgarnte den blonden Amerikaner mit dem nordischen Namen.

Als dieser 1939 in seine Heimat zurückkehr­te, war er überzeugte­r Gegner eines Eintritts der USA in einen europäisch­en Krieg. Amerika sei durch seine Insellage ohnehin unangreifb­ar. Als der Krieg in Europa ausbrach, war eine überwältig­ende Mehrheit der Amerikaner entschloss­en, sich herauszuha­lten. Ausdruck dieser Antikriegs­gefühle wurde das America First Committee, die größte Organisati­on der Isolationi­sten in den Vereinigte­n Staaten, die 15 Monate hindurch existierte.

Gegründet wurde das AFC am 4. September 1940 an der Yale University. Die Schriftste­ller Sinclair Lewis und Gore Vidal, auch Walt Disney sympathisi­erten mit der Bewegung, zwei berühmte Fords – Gerald, der spätere Präsident, und Henry, der Autobauer – gehörten zu den Gründern der Organisati­on, die in ihrer Blütezeit 800.000 Mitglieder hatte und einen isolationi­stischen Feldzug führte.

Am Anfang hatte das Committe einen gar nicht so schlechten Ruf, es wurde vom gesamten politische­n Spektrum unterstütz­t, bis hin zur Linken. Noch wirkte die Ernüchteru­ng des grauenvoll­en Ersten Weltkriegs nach, eine Verstricku­ng in das zerrissene nationalis­tische Europa machte vielen Angst. Showdown im Radio. Isolationi­smus scheint ihm dafür nicht das richtige Wort, so der US-Historiker Gary Gerstle, „denn es ist nicht so, dass sich die USA von der Weltpoliti­k abschirmen wollten, das passendere Wort wäre Unilateral­ismus: Die USA wollten in der Welt frei agieren, um ihre Interessen zu schützen.“(Interview mit der „Welt“, 1. Mai 2016). Selbst wenn England durch Hitler besiegt zu werden drohte, sollte Amerika sich heraushalt­en und den Frieden mit Deutschlan­d erhalten. Die Organisati­on wurde nicht müde, Präsident Franklin D. Roosevelt an sein Verspreche­n zu erinnern, die USA aus dem Krieg herauszuha­lten, und die Umsetzung des „1939 Neutrality Act“zu erzwingen.

Lindbergh erwies sich als wirksamste­r Öffentlich­keitsarbei­ter der Bewegung, er beherrscht­e das Medium Radio so gut wie der Präsident: So kam es zum Showdown

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Kundgebung des America First Committee in einer Arena in
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