Die Presse am Sonntag

Der ewige Vater-Sohn-Vergleich: »Jeder gottverdam­mte Meter«

Nur GrŻhŻm un© DŻmon Hill haben es bislang geschafft, als Vater und Sohn in der Formel 1 die WM zu gewinnen. Ein Kunststück oder ein Fluch?

- VON MARKKU DATLER

Als Damon Hill in den 1990erJahr­en in der Formel 1 fuhr, waren noch ganz andere, unangenehm­ere und härtere Typen als heutzutage mit ihm unterwegs. Ayrton Senna, Exzentrike­r wie Michael Schumacher, Despoten wie Alain Prost – und dennoch, der Brite, der 1992 für Brabham in der Königsklas­se debütierte, fand immer seine Linie. War er jedoch zu erfolgreic­h, wurde Hill zumeist von Schumacher eher unsanft von der Strecke bugsiert. Unvergessl­ich bleibt etwa der Abschuss beim GP von Australien 1994. Weltmeiste­r wurden zu oft andere, und dennoch, 1996 gelang es dem Williams-Piloten und damit wurde Sportgesch­ichte Wirklichke­it. In der Familie Hill wurden sowohl der Vater Graham (1962, 1968) als auch der Sohn F1-Weltmeiste­r.

Was von vielen als Kunststück bewundert wird, ist für Damon Hill, 1960 im Londoner Stadtteil Hampstead geboren, oft ein Fluch. Er verlor bereits als 15-Jähriger seinen Vater, der bei einem Flugzeugun­glück ums Leben kam. Schlagarti­g war das komfortabl­e, aus der Formel 1 bekannte Leben passe.´ Hill jr. finanziert­e seine Ausbildung mit Aushilfsjo­bs, er war Motorradku­rier für einen Pizzadiens­t. Ob sich dort seine Liebe zum Speed herauskris­tallisiert hat, ist nicht überliefer­t. „Lewis ist schneller!“In der Gegenwart ist Hill als Ko-Kommentato­r für Sky auf den Rennstreck­en zugegen. Er bewundert die Serie, deren Entwicklun­g, die Autos, er schaut seinen Nachfolger­n quasi auf die Finger. Dass sich mit Nico Rosberg nun ein Pilot anschickt, das Alleinstel­lungsmerkm­al seiner Familie auszulösch­en – siehe Artikel links – nimmt Hill nicht weiter krumm. „Er hat gezeigt, dass er Rennfahren kann. Und wenn er es schafft, einen so außergewöh­nlichen Fahrer wie Lewis Hamilton zu besiegen, hat er sich den Titel verdient.“

Dass er allerdings Hamilton für schneller und für den besseren Fahrer hält, daraus machte Hill kein Geheimnis. Offen bezog er stets Position für seinen Landsmann und dreimalige­n Champion. Wenn er es denn richtig mache und nicht von Elektronik, Computern und Technikern an seiner Arbeit gehindert werde, „sehe ich keine Chance, dass ihm Nico überhaupt nahekommt“. Es gebe einen gewissen Punkt, an dem Talent eben nicht mehr reiche. Es sei eine Gabe – und die habe Hamilton und gewiss nicht Rosberg.

Was dem Briten allerdings großen Respekt abverlangt, ist der Werdegang des Deutschen. Auch er kam aus einem Weltmeiste­rhaus mit Vater Keke, über die Kart-Szene und andere Serien zur

WM-Titel

gewann Graham Hill in der Formel 1. 1962 siegte der Brite für British Racing Motors, 1968 für Lotus.

Siege für ©ie Ewigkeit

Als einziger Rennfahrer trug Graham Hill die Triple Crown des Motorsport­s. Es ist ein Ehrentitel, für den Sieger des GP von Monte Carlo, der 24 Stunden von Le Mans und des Indy 500.

Titel

schmückt die Vita von Damon Hill. Er wurde 1996 im Williams Formel-1-Weltmeiste­r. Formel 1. Er fuhr im gleichen Team wie Schumacher, halte mit Hamilton mit und habe nun die Möglichkei­t, in Abu Dhabi Weltmeiste­r zu werden. Wider alle aufheulend­en Kritiker müsse man das achten, ja respektier­en, Rosberg wäre gewiss ein würdiger Sieger. Und damit wäre eine der ihm meistgeste­llten Fragen womöglich nicht weiter von so großer Bedeutung, sagt Hill. Dann gebe es endlich eine andere VaterSohn-Geschichte. GitŻrre gegen Depression. Dass Gene und Neigungen vererbbar sind, daran hat Damon Hill allerdings keinen Zweifel, über die freut er sich. Gaspedal, Auftreten, Witz, das Geschick, dumme Sprüche anderen zu überlassen, Hill nannte im „Guardian“einige Punkte. Doch er sagt auch, dass es nicht immer leicht gewesen ist, der Sohn eines Weltmeiste­rs, einer Ikone zu sein. Er selbst hatte Depression­en, ihn plagten Zweifel, die ewige Fragerei wurde ihm oft zu viel und war nur mit stundenlan­gen Gitarren-Solosessio­ns zu meistern.

Dieses voyeuristi­sche Spiel der Gesellscha­ft beginne schon in Kindertage­n, wenn alle immer nach Autogramme­n oder Fotos fragen. Und als er selbst Rennfahrer wurde, verglich man ihn „auf jedem gottverdam­mten Meter“mit seinem Vater. „Auf der Rennstreck­e hilft dir das überhaupt nicht, im Gegenteil: Es belastet dich.“Womöglich sogar mehr als manch Fliehkraft, den diesem Vergleich könne man nicht entkommen. „Selbst wenn du Erfolg hast, die Menschen blicken immer auf den zurück, der es zuerst geschafft hat.“Das sei die Härte des Rennsports, gepaart mit der Strahlkraf­t der Glorifizie­rung alter Zeiten, Errungensc­haften, dem dröhnenden Motor. Früher . . .

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Reuters Damon Hill: ergraut, aber eine Eminenz der Formel 1.

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