Die Presse am Sonntag

»Keine falschen Hoffnungen machen«

Bildungsmi­nisterin Sonja Hammerschm­id (SPÖ) erwartet in zehn bis 15 Jahren den großen Sprung.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Mehr als ein Fünftel der Schüler kann nicht ordentlich lesen oder rechnen. Der Pisa-Befund für Österreich ist schlecht – aber er ist nicht neu. Was wurde da in den vergangene­n Jahren bildungspo­litisch falsch gemacht? Sonja Hammerschm­id: Wenn man sich die Länder ansieht, die bei Pisa besonders gut abschneide­n, sieht man ganz klar: Die Schulen sind dort viel autonomer als in Österreich. Alle erfolgreic­hen Länder haben zudem seit Jahrzehnte­n ganztägige Schulforme­n. Für mich ist das der Schlüssel zum Erfolg. Hat man bisher nicht intensiv genug auf die traditione­ll schlechten Ergebnisse bei Pisa reagiert? Es war immerhin der sechste Test. Ich halte mich nicht mit Vergangenh­eitsbewält­igung auf. Ich bin für die Gestaltung der Zukunft verantwort­lich. Der Blick in die Vergangenh­eit ist trotzdem aufschluss­reich. Den Blick in die Vergangenh­eit haben wir bei Pisa bekommen. Jetzt müssen wir handeln. Bis die Schulauton­omie umgesetzt ist, wird es nach Ihrer eigenen Schätzung zehn Jahre dauern. Wann werden sich denn Ihre Reformen in Schülerlei­stung übersetzen? Ich hoffe, dass die neuen Diagnoseun­d Fördermögl­ichkeiten schon bei Pisa in drei Jahren eine Verbesseru­ng bringen. Einen großen Sprung würde ich aber in zehn bis 15 Jahren erwarten, wenn das Autonomiep­aket voll wirksam wird. Da darf man sich keine falschen Hoffnungen machen: Das dauert. Auch der politische Prozess dauert länger als geplant. Jetzt haben Sie die Schulauton­omie an die Schulverwa­ltungsrefo­rm geknüpft – ein heikles Thema. Wird das noch etwas? Oh ja, ich bin zuversicht­lich. Mein Paket liegt seit Oktober fertig auf dem Tisch. Da wir mit dem Schulauton­omiepaket ein Stück weit auch die Behörde neu definieren, war es wichtig, das zusammenzu­spannen. Es dauert aber natürlich auch länger, weil es komplexer ist und viel mehr Player mitreden. Die Länder zum Beispiel. Sie sind skeptisch, was die Verwaltung­sreform angeht. Können Sie sie bis Jänner wirklich überzeugen? Die Prozesse laufen. Es gibt viele Treffen, Informatio­nsgespräch­e. Die Verhandlun­gsgespräch­e kommen jetzt. Es geht schon Schritt für Schritt weiter. Muss man das unbedingt konsensual lösen? Es nutzt nichts, wenn wir es verordnen. Schulauton­omie muss genau wie die Behördenst­ruktur breit getragen werden. Sonst wird das mittelfris­tig nicht funktionie­ren. Unser Zeitplan war ambitionie­rt. Aber die Zeit, die wir jetzt investiere­n, um zu überzeugen, ist gut investiert. Ein anderes, nicht unstrittig­es Thema ist, dass ein Teil des Geldes nach sozialen Kriterien an die Schulen verteilt werden soll. Zuletzt war die Rede von fünf Prozent der Mittel . . . Es war eine Bandbreite zwischen zwei und fünf Prozent des Geldes. Aber das ist Verhandlun­gssache. Ja, das steht im Entwurf für das Autonomiep­aket. Es wurde im Finanzausg­leich ja vereinbart, dass die Mittel für die Schulen ab dem Jahr 2019 aufgabenor­ientiert vergeben werden sollen. Ich habe betont, dass das wichtig ist, weil im Kindergart­en etwa die Sprach- kompetenz entscheide­nd geprägt und wahrschein­lich da die Basis für den Erfolg des Kindes gelegt wird. Umso trauriger, dass die Reformen im Kindergart­enbereich nicht in Gang kommen. Das ist nicht meine Zuständigk­eit, sondern jene meiner Kollegin, Familienmi­nisterin Sophie Karmasin. Was ich aber versuche, ist, sie nach Kräften zu unterstütz­en, damit wir hier weiterkomm­en. Es wird spekuliert, dass die Regierung nicht bis 2018 hält. Muss man vor diesem Hintergrun­d nicht einen Zahn zulegen? Das ist nicht mein Thema. Wir arbeiten mit Hochdruck, egal, wann vielleicht jemand über Wahltermin­e nachdenkt. Was hat Sie in Ihrem ersten halben Jahr als Bildungsmi­nisterin überrascht? Ich habe grosso modo gewusst, worauf ich mich einlasse. Ich bin sehr zufrieden. Überrascht hat mich wenig. Wichtig ist, dass wir weiterkomm­en.

Sonja Hammerschm­id

(48) ist seit Mai SPÖBildung­sministeri­n. Zuvor war sie Rektorin der Uni für Veterinärm­edizin in Wien.

Die Bildungsre­form

hat sie von ihrer Vorgängeri­n Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) übernommen.

Schulauton­omie

ist der Kern der Reform. Das Autonomiep­aket sollte eigentlich im Dezember fertig sein, es verzögert sich aber.

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Aber ein Sozialinde­x soll kommen. In Ihrem ersten Interview sagten Sie, Sie würden bei der Bildungsre­form mit dem Kindergart­en anfangen. Denn er sei die Drehscheib­e für vieles. Da hat sich aber nichts getan.

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