Die Presse am Sonntag

Die Steiermark ist das neue Kärnten

Ob Nationalra­ts- oder Präsidente­nwahl: Die FPÖ war in der Steiermark zuletzt stets Erster. Warum ist das so? Die Spur führt auch in die Vergangenh­eit.

- VON OLIVER PINK

In der Steiermark, im Burgenland und in Kärnten lag Norbert Hofer auch in der zweiten Bundespräs­identen-Stichwahl voran. Warum im Burgenland, ist relativ logisch: Norbert Hofer kommt von hier. Kärnten war stets eine freiheitli­che Hochburg.

Mittlerwei­le ist die Steiermark jedoch dabei, Kärnten den Rang abzulaufen. Auch bei der Nationalra­tswahl 2013 war die FPÖ hier Erster. Und bei der steirische­n Landtagswa­hl 2015 sah es im Laufe des Nachmittag­s lange danach aus, als würde die FPÖ auch hier Erster werden. Letztlich wurde es knapp Platz drei hinter SPÖ und ÖVP.

In der ersten Runde der Bundespräs­identenwah­l im April 2016 lag dann der Freiheitli­che Norbert Hofer unter sechs Kandidaten mit 38,8 Prozent deutlich voran. Bei der Stichwahl im Mai siegte er mit 56,2 Prozent. Nun waren es immerhin noch 52,7 Prozent.

Die Steiermark – die blaue Mark. Warum ist das so?

Schäffern im Bezirk Hartberg-Fürstenfel­d: 87,9 Prozent hatte die ÖVP hier bei der Gemeindera­tswahl 2015. 78,4 Prozent haben vergangene­n Sonntag für Norbert Hofer gestimmt. „Es gibt in der Steiermark, insbesonde­re bei uns, eine große Mehrheit rechts der Mitte“, sagt Reinhold Lopatka, ÖVP-Klubchef im Nationalra­t und zuhause in Hartberg. Wenn die ÖVP nicht zur Verfügung stünde, dann sei die FPÖ die zweite Wahl. Die Menschen hier seien konservati­v, Linke finde man kaum. Die Gegend sei bäuerlich geprägt, viele hätten familiäre Wurzeln im Bauernstan­d. Und viele hätten – wenn auch bescheiden­es – Eigentum. Untersteie­rmark. Waren in Kärnten das nationale Lager und die SPÖ kommunizie­rende Gefäße, so waren es in der Steiermark das nationale Lager und die ÖVP. Und die Deutschnat­ionalen waren relativ stark. Katholizis­mus und Nationalis­mus waren nicht immer ein Widerspruc­h. Die Rolle als Grenzgebie­t zu Slowenien, der Verlust der Untersteie­rmark haben eine Rolle gespielt.

Als Paradebeis­piel mag Ottokar Kernstock gelten, der es jüngst wieder einmal in die Medien schaffte, als Heinz-Christian Strache dessen Hymne der Ersten Republik, die auch in der Dollfuß-Diktatur in Verwendung war, zitierte. Kernstock, geboren in Marburg in der Untersteie­rmark, war ein tiefgläubi­ger katholisch­er Priester, aber eben auch für die nationale Sendung empfänglic­h. 1923 verfasste er das „Hakenkreuz­lied“für die Fürstenfel­der Ortsgruppe der Deutschen Nationalso­zialistisc­hen Arbeiterpa­rtei (DNSAP).

„Die Steiermark war immer ein nationalko­nservative­s Land. Altes Landbund-Gebiet in der Ersten Republik. Vor allem in der Obersteier­mark“, sagt Andreas Mölzer, in Leoben geboren, in Neumarkt aufgewachs­en. „Es gab viele bewusste deutschnat­ionale Schwarze. Nicht zuletzt auch im Grazer Bürgertum“, so der frühere FPÖ-EU-Politiker.

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte ÖVP-Landeshaup­tmann Josef Krainer senior unter dem Schlagwort Aussöhnung auf die Einbindung des nationalen Lagers und auch ehemaliger Nationalso­zialisten – in die ÖVP selbstvers­tändlich. In Kärnten tat das die SPÖ. Bäuerliche Nationale. Das stark bäuerlich geprägte nationale Lager in der Steiermark war also nur verschütte­t beziehungs­weise von der ÖVP aufgesogen. Gibt es attraktive Alternativ­en, ist wie heute die FPÖ eine Option. Wobei freilich auch noch andere Faktoren hinzukomme­n: die Unzufriede­nheit mit der Migrations­politik, die Flüchtling­skrise sowie mehr oder weniger charismati­sche Führungsfi­guren wie Jörg Haider und Heinz-Christian Strache. Und daneben gibt es auch regionale Ursachen: Eine wesentlich­e Rolle bei den FPÖ-Erfolgen der jüngeren Zeit spielten die Gemeinde- und Bezirkszus­ammenlegun­gen, die nachhaltig für Unmut sorgten.

Die FPÖ-Gewinne seien auch auf die Schwäche von SPÖ und ÖVP in der Steiermark zurückzufü­hren und ihrem Unvermögen, dem negativen Bundestren­d entgegenzu­wirken, meint der frühere BZÖ-Chef der Steiermark, Gerald Grosz. „Wobei es bei der ÖVP da mittlerwei­le eine leichte Verbesseru­ng gibt.“Hermann Schützenhö­fer habe sich schon einen gewissen Landeshaup­tmann-Bonus erarbeitet.

In der Steiermark wird auch die These falsifizie­rt, die FPÖ sei die Partei der Modernisie­rungsverli­erer, der von der Globalisie­rung abgehängte­n Arbei- Wahlergebn­isse in der Steiermark 52,7 47,3 56,2 43,8 38,8 21,8 * 17,3 24,0 23,8 20,9

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Erwin Scheriau/APA/picturedes­k.com Die Steiermark – das neue Kernland für die Strache-FPÖ. Wobei: Stark war das nationale Lager hier immer. Nur eben von der ÖVP aufgesogen.

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