Die Vielseitigkeit von flüssigem Gold
Während Süßwein in vielen Ländern einen hohen Stellenwert genießt und Österreichs Topsüßweine dort auch in den besten Hotels und Restaurants zu finden sind, fristen sie bei uns in Österreich ein Mauerblümchen-Dasein. Angeboten werden sie bestenfalls als Dessertwein, weil sich Süß und Süß bekanntlich gut verträgt. Süßweine – oft auch als Prädikatsweine bezeichnet – stellen die höchste Qualitätsstufe beim Wein dar. Generell gibt es sechs Spielarten von Prädikatsweinen (siehe Kasten), die sich in der Zuckergradation unterscheiden. Spätlese und Auslese zählen zu den fruchtsüßen Weinen; Beerenauslese, Trockenbeerenauslese (TBA), zu der auch der Ruster Ausbruch gehört, Eiswein und Strohwein bilden die hohen Prädikatsweine. Dass es von praktisch allen Prädikaten rebsortenspezifische Weine mit all ihren Eigenschaften gibt, macht das Thema zusätzlich spannend und Süßweine zu enorm vielseitigen Speisebegleitern. Das geht so weit, dass sie ganze Menüs begleiten können. Gänseleber oder Foie gras bilden als klassische Vorspeise dabei häufig einen guten Anfang. Gereicht wird dazu oft eine nicht zu üppige Beerenauslese, die ruhig etwas Säurebiss haben darf. Wer bei seiner Gänseleber einmal den Mainstream verlassen und sich auf eine geschmackliche Entdeckungsreise begeben will, sollte eine Gewürztraminer-Auslese dazu probieren, wie es sie beispielsweise im Vulkanland rund um Klöch gibt. Man muss sich nur trauen, dann wird man geschmacklich oft belohnt: Mutige kombinieren etwa eine der Leibspeisen der Österreicher – das Wiener Schnitzel – mit einer gereiften Spätlese vom Veltliner oder einer WeißburgunderAuslese aus der Steiermark. Generell funktionieren fruchtsüße Weine bei allerlei Gebackenem – vor allem, wenn sie aus Jahrgängen stammen, die den Weinen neben süßer Fülle auch viel lebendige Säure mit auf den Weg geben konnten – wie bei 2013, 2010 und 2008. Im Winter, wenn Entengerichte Saison haben, ist ein Glas Beerenauslese, zum Beispiel vom Chardonnay, zu einer karamellisierten Entenbrust mit süßem Rotkraut ein lohnendes Wagnis. Auch zu Asia-Gerichten und allgemein beim Zusammenspiel von Süß-Sauer auf dem Teller, sind dezente, nicht zu üppige Süßweine tolle Begleiter.
Bei Käse ist Süßwein der König
Damit sind wir bereits bei der Paradedisziplin von Prädikatsweinen: der Umrahmung von Käse. Vom Weichkäse, den Auslesen und Beerenauslesen fein untermalen, über Hartkäse, der von Eisweinen mit ihrer generell höheren Säure profitiert, bis zu Edelschimmelkäse, zu dem es nichts Besseres gibt als einen Botrytiswein, also eine TBA oder einen Ruster Ausbruch. Doch nicht der Käse schließt den Magen, sondern das Dessert beendet ein Menü. Ob Schoko- oder Creme-Dessert: Mit einer im Holz gereiften TBA aus dem Burgenland kann nichts schiefgehen. Wer das Mahl mit einem leichten Früchtedessert beendet, ist beim Eiswein bestens aufgehoben – kein anderer Süßwein verfügt über eine derart betörende Fruchtcharmanz und Säurepikanz.