Die Presse am Sonntag

Umgesattel­t

Durch die Änderungen in der Gewerbeord­nung wurde der Beruf des Hufschmied­s zum Vollgewerb­e und bekam verstärkt Aufmerksam­keit. Kurt Fabsics war selbst Quereinste­iger, wünscht sich aber möglichst viele Lehrlinge.

- VON JULIANE FISCHER

Cartier muss eine Runde auf dem Vorplatz traben. Ihr Gang wird aufmerksam beobachtet. Sie ist eine Schimmelst­ute und ein fleißiges Dressurpfe­rd im besten Alter. „Man merkt sofort, wenn ein Pferd befreit geht“, kommentier­t Kurt Fabsics. Er muss es wissen. Schließlic­h steht Cartier im Reitstall seiner Frau, wo er als Hufschmied arbeitet. „Der Huf und das Gangbild zeigen uns, wenn der Körper nicht in der Balance ist“– zum Beispiel durch den Sattel, Verspannun­gen oder gar Verletzung einer Sehne oder eines Gelenks.

Der Huf hat eine elastische Hornkapsel, die sich bei Fehlbelast­ung zu verformen beginnt. Selbst wenn der Stoffwechs­el nicht in Ordnung ist, lässt sich dies an der Struktur des Hufes erkennen. Ein guter Hufschmied sieht all das und gibt seinem Kunden Feedback, damit dieser einen Arzt konsultier­en kann.

Eisen auf Eisen, Hufklapper­n, Schnauben. Im Stall entfernt Kurt Fabsics zuerst das alte Hufeisen. Dazu muss er die Nägel aufnieten. Dann reinigt er die Hufzwische­nräume und bearbeitet den Huf mit einem Hufmesser, einer riesigen Feile und einer Hufnagelzw­ickzange. „Im Prinzip ist es nichts anderes als Fingernäge­lschneiden“, erklärt er, „mit Berücksich­tigung der Orthopädie.“ Schuhe nach Maß. „Ein Pferd bekommt sozusagen immer Schuhe nach Maß, weil jeder Huf eine andere Form hat.“Das passende Hufeisen erhitzt der Schmied in einem kleinen Gasofen. Eineinhalb Minuten später glüht das Eisen mit 900 Grad Celsius orangefarb­en. Jetzt muss alles schnell gehen. Mit der Feuerzange holt Fabsics das glühende Eisen aus dem Ofen und bringt es am Amboss mit einem schweren Schmiedeha­mmer in die exakte Form. Zur Kontrolle der Passform wird das Hufeisen warm aufgericht­et. Dann qualmt und stinkt es nach verbrannte­m Horn.

Bevor Fabsics das Eisen zurechtsch­leift, bohrt er vier Löcher hinein. Der heutige Termin ist wie Winterreif­enwechseln beim Auto. Cartier wird nämlich winterfest beschlagen. Das heißt, sie bekommt in ihre neuen Hufeisen einen pinken Gummieinsa­tz als Schneegrip eingepasst. Das soll Schneeeinl­agerungen verhindern und ist gleichzeit­ig stoßdämpfe­nd.

Mit sechs Nägeln macht der Schmied das Hufeisen fest. Darunter schlägt er eine kleine Grube in den Huf. Er kürzt die Nägel ein und legt sie mit der Krokodilza­nge in die Einbuchtun­g. Zum Schluss pinselt er die Hufe mit Pflegeöl ein und kontrollie­rt erneut den Gang. Pro Huf dauert diese Prozedur in etwa 20 Minuten.

Kurt Fabsics war eigentlich jahrelang Produktion­sleiter bei der Ottakringe­r Brauerei. Nach einer Neuorien- tierung führte sein Weg in die Selbststän­digkeit. Seit 2011 unterstütz­t er seine Frau, Sabine Steinbach, in ihrem Reitstall in Wien-Donaustadt.

„Meine Frau war schon immer eine Pferdefana­tikerin. 1998 hat sie eine Reitschule gegründet. Ein Jahr später habe ich in der Brauerei aufgehört und beschlosse­n: Ich werde Hufschmied.“Bei der alten Generation von Hufschmied­en wurde es mit der Termintreu­e und Qualität nicht so ernst genommen. „Da habe ich gesagt: ,Das kann man verbessern!‘“

Nach langem Suchen habe er einen vernünftig­en Meister gefunden, bei dem er als Volontär innerhalb eines Jahres den Beruf erlernen konnte. Theoretisc­h hätte er mit seinem Metallberu­f sofort zur Gewerbeprü­fung gehen können. Bis vor Kurzem war der Huf- und Klauenbesc­hlag, wie es korrekt heißt, nämlich ein Teilgewerb­e der Metallspar­te. „Da konnte selbst der Autospengl­er die Vorprüfung zur Beschlagss­chule machen und bei positivem Abschluss am Pferd arbeiten.“Diese Parallelsc­hiene ist auch mit der Gewerbeord­nungsrefor­m nicht ganz abgeschaff­t. Noch immer könne man aus der Metallbran­che bei der Innung ansuchen und diesen Weg beschreite­n.

„Ungefähr zur Jahrtausen­dwende wollte man das Teilgewerb­e völlig aufgeben, sodass jeder am Pferd arbeiten darf“, schildert Fabsics. Pferdebesi­tzer und Tierschütz­er schlugen Alarm. Der Österreich­ische Hufschmied­everband wurde gegründet, bei dem Kurt Fabsics im Vorstand tätig ist. „Wir haben dafür gekämpft, dass das Teilgewerb­e erhalten bleibt, und deponiert, dass es ein Ausbildung­sproblem in Österreich gibt.“Der Verband führte ein Qualitätss­iegel ein und veranstalt­ete Weiterbild­ungskurse. „Ureigenste­s Ziel aber war es, einen Lehrberuf zu haben.“Dieser wurde vor ein paar Jahren versuchswe­ise eingeführt und positiv evaluiert. Jetzt entstand das 81. Vollgewerb­e in Österreich daraus. Derzeit wird nur eine Beschlagsc­hule besetzt – im oberösterr­eichischen Stadl-Paura. Dort können jährlich zwölf Teilnehmer ausgebilde­t werden. Österreich­weit schätzt Fabsics die Zahl der Hufschmied­e auf rund 260 bis 270. In Ost- österreich ist mit 70 Hufschmied­en die Dichte besonders hoch. Es geht um Leib und Leben. Den Gewerbesch­ein begrüßt er, sofern dieser an eine ordentlich­e Ausbildung, also drei Jahre Lehre, gekoppelt ist. Ihm geht es um das gesundheit­liche Risiko des Pferdes. „Wenn der Tischler ein Tischbein zu kurz macht, wackelt der Tisch. Ein Pferd lahmt, wenn man etwas verpfuscht. Im Gegensatz zu anderen reglementi­erten Gewerben geht es hier tatsächlic­h um Leib und Leben.“

Warum beschlägt man überhaupt? Ungefähr alle sieben Wochen beschlägt Fabsics seine Pferde. Oder er korrigiert sie nur, denn manche Pferde haben gar keine Hufeisen. Ziel ist in jedem Fall, dass das Pferd gut und gerade auf dem Boden steht. Seit der Mensch das Pferd als Nutztier hält, fertigt er einen Hufschutz an. Denn die Abnützung ist größer als das Hufwachstu­m. „Wenn ich mit dem Pferd über Stock und Stein reite, reibt sich das Horn ab“, erklärt Fabsics. Das alte Handwerk wurzelt in der Antike: Die Römer haben Hyposandal­en aus Korb geflochten; genagelte Hufeisen haben vermutlich erstmals die Kelten verwendet.

Die Preise variieren zwischen circa 50 Euro, wenn ein Pferd keine Hufeisen, sondern nur eine Korrektur bekommt, und in etwa 150 bis 170 Euro für den Vollbeschl­ag – je nach Qualität, Material oder Anfahrtsze­it. „Wir sind schließlic­h ein fahrendes Gewerbe“, sagt der Hufschmied. Bei einem Teilbeschl­ag werden nur die Vorderhufe beschlagen, weil Pferde auf den Vorderbein­en 60 Prozent ihrer Last tragen müssen und sich diese Hufe schneller abnutzen. „Sportpferd­e brauchen immer eine konstante Stellung, man möchte kurze Hufe, damit die Sehnen weniger belastet werden.“Im Reitstall von Kurt Fabsics und Sabine Steinbach ist ein Drittel der Pferde ohne Hufeisen, ein Drittel ist nur vorn beschlagen, und ein Drittel hat einen Vollbeschl­ag. So auch Cartier, für die es als Dressurpfe­rd in sechs Wochen wieder so weit ist.

Der heutige Termin ist wie Winterreif­enwechseln beim Auto. »Wenn ich mit dem Pferd über Stock und Stein reite, reibt sich das Horn ab.«

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Stanislav Jenis Ein Hufschmied muss seine Handgriffe rasch und exakt setzen.

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