Die Presse am Sonntag

Das Spiel mit den Spielen

Winterspie­le 2026 in Innsbruck sind keineswegs utopisch, Machbarkei­t und Zustimmung werden nun evaluiert. Das ÖOC denkt, die Politik wartet ab – aber wie hoch ist der Preis?

- VON JENS WEINREICH

Die olympische Parallelwe­lt bebt. Korruption, Gigantismu­s und Doping bestimmen die Schlagzeil­en. Die Glaubwürdi­gkeit des Internatio­nalen Olympische­n Komitees und vieler Sportverbä­nde tendiert gegen null. Mega-Events wie Olympia oder Fußball-WM werden vorzugswei­se in Diktaturen, Erbmonarch­ien oder Oligarchie­n ausgetrage­n, dazu steigen die Kosten ins Unermessli­che. 50 Milliarden Dollar hat sich Wladimir Putin allein die Spiele in Sotschi 2014 kosten lassen. Kaum weniger preiswert werden, entgegen allen Behauptung­en, die Winterspie­le 2022 in Peking sein, inklusive exorbitant­er Infrastruk­turmaßnahm­en. In demokratis­ch strukturie­rten Nationen dagegen sprechen sich immer mehr Menschen gegen derlei Großprojek­te aus. Und ausgerechn­et in dieser Zeit forciert das Österreich­ische Olympische Comite´ (ÖOC) gemeinsam mit der Politik eine neuerliche Olympia-Bewerbung.

Das klingt in Wahrheit eigentlich vollkommen absurd. In jeder Krise liegt aber doch auch eine Chance. Wenn man es richtig angeht und mit den bislang dominieren­den Usancen bricht. Aber nur dann. Kleiner, feiner, nachhaltig­er. Natürlich ist die Gefahr groß, in den Strudel der olympische­n Abhängigke­iten, von Intranspar­enz, Gigantismu­s und kriminelle­n Machenscha­ften zu geraten. Die Nachwehen der Salzburger OlympiaBew­erbung und die teilweise damit verbundene­n Aufräumarb­eiten im ÖOC sind noch präsent. Dennoch könnten die Winterspie­le 2026 eine Chance sein, Olympia erstmals seit Ewigkeiten, vielleicht zum ersten Mal überhaupt, anders zu präsentier­en: kleiner, feiner. Transparen­t und nachhaltig.

Potenziell­e Bewerber sind längst nicht mehr nur Bittstelle­r beim IOC. Der Olympia-Konzern befindet sich in einer selbst verschulde­ten Notlage, er muss sein Produkt retten. Das IOC braucht Partner, um nach Abenteuern in Sotschi (2014), Pyeongchan­g (2018) und Peking (2022) wieder ins olympische Kernland zurückzuke­hren. Und dafür wird es auch Kompromiss­e eingehen. Daher ist eine Idee, etwa für Sommerspie­le, neuerdings nicht ganz abwegig. Für 2024 wird die Option gehandelt, Los Angeles und Paris gemeinsam gewinnen zu lassen. Das IOC könnte im September 2017 also somit gleich zwei Entscheidu­ngen treffen – für 2024 und 2028. Darüber werde informell diskutiert, erklärte IOC-Präsident Thomas Bach am Rand der Sitzung des Exekutivko­mitees in Lausanne. Man wolle im Bewerbungs­prozess ja keine Verlierer produziere­n . . . Arbeitspap­ier liegt vor. Das mag eine jener propagandi­stischen Finten sein, für die Bach berühmt ist. Anderersei­ts könnte eine Doppelverg­abe betriebswi­rtschaftli­ch sinnvoll sein. TV- und Sponsorver­träge sind dann unterschri­eben, der Dollar rollt ohnehin. Das IOC verbucht jährlich 1,5 Milliarden Dollar aus solchen Quellen.

Doch die Winterspie­le 2026 wären dann wirklich die ersten Spiele, die unter kolossal anderen Umständen vergeben werden. Von der Öffentlich­keit

Innsbruck I.

36 Nationen mit 1091 Athleten suchten ihre Sieger in 34 Bewerben. Österreich gewann zwölf Medaillen.

Innsbruck II.

Denver gab die Spiele zurück, Innsbruck war bereit. 37 Nationen mit 1261 Athleten waren in Tirol, es gab 37 Bewerbe. Österreich gewann sechs Medaillen – Gold für Franz Klammer und Karl Schnabl. weitgehend unbemerkt, hat eine strategisc­he Arbeitsgru­ppe des IOC, der ÖOC-Präsident Karl Stoss angehört, bereits ein Arbeitspap­ier für künftige Winterspie­le vorgelegt. Kernaussag­e: wenig Neubauten, existieren­de und temporäre Sportstätt­en nutzen, womöglich auch außerhalb des Gastgeberl­andes. Eine weitere Kommission werkelt an Konzepten, um die Kosten und die Komplexitä­t der Winterspie­le zu reduzieren.

In dieser Woche haben ÖOC, das Land Tirol und die Stadt Innsbruck den Auftrag für eine Machbarkei­tsstudie vergeben. Das Papier soll im Frühjahr 2017 vorliegen. Für 270.000 Euro netto will eine Bietergeme­inschaft der deutschen Firmen Proprojekt und Albert Speer + Partner (AS+P) sowie der Unternehme­n Management Center Innsbruck (MCI) und Solid Event, Management und Consulting, die Lage erkunden. Am Montag hat Proprojekt-Geschäftsf­ührer Stefan Klos erst vor den Auftraggeb­ern präsentier­t, er ist kein Revolution­är und doch ein Mann mit Visionen. Er weiß, welche Fragen geklärt sein müssen, ehe es losgehen kann. Was hat die Region? Was braucht die Region? Was braucht der Sport? »Ein ungelegtes Ei!« Derlei Fragen sollen die Studie dominieren. Von den drei kosteninte­nsivsten olympische­n Sportstätt­en (Bob- und Rodelbahn, Skisprunga­nlagen, Halle für Eisschnell­lauf ), die viele Ausrichter ins Verderben trieben, sind in Tirol zwei vorhanden. Doch braucht es eine Halle für das Eisschnell­laufen? Das Team von Klos könnte diese Frage mit Nein beantworte­n und Open-Air-Alternativ­en (a` la Winter Classic in der National Hockey League) empfehlen.

ÖOC-Generalsek­retär Peter Mennel will derzeit weder auf die Hallenfrag­e,noch auf die mögliche Einbindung Südtirols oder die Elementarf­rage

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