Maschinenraum
VOLLE KRAFT VORAUS DURCH DIE TECHNIKWELT
Man wird mir bei dieser Kolumne Eigeninteressen – in meiner hauptberuflichen Rolle als Labelbetreiber und Musikproduzent – nachsagen. Aber sie sind, wenn, nur am Rand gegeben. Ich schreibe vorrangig als Konsument. Als jemand, der schätzt, dass es in vielen Städten, Märkten, Bezirken Österreichs noch Nahversorger gibt. Also Geschäfte, in denen man Lebensmittel, Kleinkram und sonstige Dinge des täglichen Bedarfs erwerben kann, ohne einen Tagesausflug planen zu müssen. Zu meinen Über-Lebensmitteln zählen auch Papierprodukte wie Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, weiters Batterien, Schreibstifte, Technikaccessoires und, ja, Musik. Hier bin ich in einer privilegierten Situation: Im 7. Wiener Gemeindebezirk gibt es Elektronikmärkte, Plattenläden und Bürowarenspezialisten. Wenn ich aber ins nördli- che Weinviertel fahre, wird mir die Misslichkeit der schwindenden Nahversorgung bewusst. Was es in Hollabrunn grad noch gibt, ist in Retz schon ein fragliches Gut. Apropos: Nutzen Sie noch CDs und DVDs? Weit mehr als die Hälfte der Österreicher tun das. Ungebrochen. Nun, es hat sich noch nicht weiter herumgesprochen, ist in der Branche aber kein Geheimnis mehr: Der heimische Handelsriese Libro plant, 2017 keine CDs mehr in die Regale zu stellen. Außer eventuell eine Handvoll Kinderprodukte und Chartsgiganten. DVDs stehen „auf dem Prüfstand“, wie es firmenintern heißt. Man will sich wohl komplett aus diesem Geschäft zurückziehen. Nun ist Libro nicht irgendwer. Im Non-Food-Bereich hat das aktuell 241 Filialen und 1600 Mitarbeiter zählende Unternehmen österreichweit fast ein Monopol. Und einen überproportionalen Marktanteil bei Schlager- und Volksmusik-CDs, Middle-of-the-Road-Pop und Charts-Compilations. Warum will das Management freiwillig auf einen Umsatz- und Frequenzbringer verzichten? Hat man ein geheimes PR-Abkommen mit Amazon abgeschlossen? Andersrum (und härter) gefragt: Glaubt man noch an die eigene Zukunft? Ich bin kein Experte für Groß- und Einzelhandel im Hier und Heute. Aber physische Produkte mit einer aus Glamour, Marketingbudgets und Medienaufmerksamkeit gespeisten Strahlkraft tolldreist zum Gerümpel von gestern zu erklären erscheint mir dann doch wie Selbstmord mit Anlauf. Ja, Amazon, Netflix, Download und Streaming kennt man auch in Retz und Hollabrunn. Manchmal möchte man aber doch eine handfeste Silberscheibe kaufen.