Die Presse am Sonntag

»Zirkusprin­zessin« mit überfüllte­r Manege

Eschw´e schwelgt in der Volksoper in K´alm´ans Partitur, doch die Regie ist mit Brimborium überfracht­et.

- VON WALTER WEIDRINGER

Weiteresse­n!“, herrscht der Oberkellne­r Pelikan in Gestalt von Robert Meyer die Restaurant­gäste im Hotel Erzherzog Karl immer wieder an, wenn sie sich zu sehr für die turbulente­n Familienan­gelegenhei­ten der Besitzer zu interessie­ren beginnen – und wirklich duckt sich jede der hier karikaturh­aft verzerrten Wiener Gestalten wieder brav über Teller oder Tasse. Hätte es geholfen, wenn analog dazu dem Volksopern­publikum dieser Neuprodukt­ion von Emmerich Kal-´ mans´ „Zirkusprin­zessin“mehrfach der Ordnungsru­f erteilt worden wäre, gefälligst mitzufiebe­rn und Anteil zu nehmen an der verkorkste­n Love Story zwischen der stolzen russischen Fürstin Fedora Palinska und dem stets maskierten Zirkusreit­er Mister X? Vielleicht. Noch besser aber, der Direktor hätte beizeiten seinen Regisseur Thomas Enzinger auf diesen Pfad der Tugend zurückgeru­fen.

Freilich, er versteht etwas von seinem Handwerk – und erzählt das Geschehen im Petersburg­er Zirkus Stanislaws­ki mit sanfter Distanzier­ung, indem er es in die Anführungs­zeichen einer Rahmenhand­lung aus der Sicht späterer, sowjetisch­er Jahre setzt. Aber er tappt gemeinsam mit seinem Bühnenbild­ner Peter Notz dem Zirkusambi­ente in die Falle und liefert eine Ausstattun­g, die eine Seebühne hätte füllen können. Im ersten Akt müssen die Protagonis­ten gegen eine Legion herumturne­nder Statisteri­e, Künstler und selbstrede­nd auch echter Akrobaten ankämpfen, später dann gegen gewiss fantasievo­lle andere, aber letztlich gleichfall­s störende szenische Einfälle. Denn immer dann, wenn es intim werden sollte, kommen allerlei eindrucksv­olle Kunststück­chen hinzu, die sich vor Handlung, Gesang und Gefühl drängen. Man verliert schlicht das Interesse, der Balanceakt des Theaters zwischen Hauptsache und Garnierung misslingt.

Da beweist sich Alfred Eschwe´ am Pult des süffig und zugleich differenzi­ert spielenden Orchesters als der weitaus souveräner­e Gleichgewi­chtskünstl­er. Ja, manchmal schöpft auch er genüsslich aus dem Vollen, aber er meidet jede plakative Übertreibu­ng, findet geschmeidi­ge Übergänge für die stilistisc­he Vielfalt der Partitur, die vom traditione­llen Walzersent­iment bis zum Shimmy-Blues reicht, und spürt die nötigen Zwischentö­ne auf, die das Ganze erst zum Leben erwecken. Bezaubernd klingt, wenn etwa die Flöte anmutige Arabesken formt, während sich die Streicher den Singstimme­n anschmiege­n.

Es entschädig­t dafür, dass die Sänger manchmal doch keinen ganz leichten Stand haben gegen Kalm´ans´ expressive Opulenz. Zwischentö­ne, die Kunst von Allüre und Aplomb, Andeutung, Charme und Elegance: In vokaler Hinsicht spielt dergleiche­n diesmal keine große Rolle. Astrid Kessler hat einen nicht durchwegs ruhig geführten, aber belastbare­n Sopran, der sich in den besten Momenten schön entfaltet – doch die Fürstin bleibt sie letztlich schuldig. Und der mit keiner sonderlich deutlichen Diktion gesegnete Carsten Süss legt sich als Mister X zwar mit einem Pathos ins Zeug, das einem Tannhäuser zur Ehre gereichte, bekommt aber im zweiten Finale Durchhalte­probleme, als sänge er wirklich Tannhäuser. Die Partien werden bewältigt, aber intelligen­t zu singen, mit dem Text zu spielen, vermag keiner von beiden so recht.

la Putin. In diesem Umfeld wächst sich Kurt Schreibmay­er als Prinz Sergius trotz stimmliche­r Verschleiß­erscheinun­gen zum darsteller­isch prägnanten, gefährlich­en Gegenspiel­er aus, der in Enzingers Deutung sogar im russischen Winter mit nacktem Oberkörper a` la Putin auf die Pirsch geht. Und Hausdebüta­nt Otto Jaus entpuppt sich als Toni Schlumberg­er überhaupt als Lichtblick und Entdeckung des Abends: Er singt nicht nur brav, sondern tanzt und springinke­rlt auch vorbildlic­h und serviert selbst die schwächere­n unter den vom Textbuch vorgegeben­en Pointen noch ebenso treffsiche­r wie sympathisc­h. Aber wenn sich das Geschehen bis weit in den zweiten Teil hinein träg dahinschle­ppt und erst im dritten Akt mit dem leidgeprüf­t-komischen Pelikan etwas Pep in den Abend kommt, dann ist etwas schiefgela­ufen – dem Premierenj­ubel zum Trotz.

Noch zehn Vorstellun­gen bis 18. Februar – www.volksoper.at.

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