Die Presse am Sonntag

Auf dem Weg zur Endschlach­t

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Das Rote Kreuz kam mit Kränen und Baggern. Über Stunden mussten Trümmer, zerstörte Panzer und verbrannte Busse in Ramouseh von der Straße geräumt werden. Hier hatte in den vergangene­n Wochen der entscheide­nde Kampf um Aleppo gewütet. Die Rebellen wurden von der syrischen Armee geschlagen, und das Schicksal der ehemaligen Industriem­etropole war besiegelt. Heute ist Ramouseh der Weg aus der Hölle von Hunger, Kälte und Bomben.

Rund 8000 Menschen konnten zuletzt diesen Übergang benutzen, um aus dem von Regimetrup­pen eingekesse­lten Ostteil der Stadt zu entkommen. Weinend fielen einander die Flüchtling­e in die Arme, als sie das Rebellenge­biet im Westen Aleppos erreichten. Nach Tagen des Wartens konnten sie ihr Glück kaum fassen. Familien, Revolution­saktiviste­n und Kämpfer sind der Rache des Regimes, Gefangensc­haft, Folter und Exekution entgangen. Ob es die Tausenden anderen ebenso schaf- fen werden, die noch in der Stadt ausharren, ist unklar. Ihre Verbringun­g wurde wieder und wieder verschoben, aber am Sonntag doch fortgesetz­t. Die Türken machen die Grenze dicht. Die neue Freiheit der Entkommene­n ist trügerisch. Denn sie sind nun in der Provinz Idlib, der letzten Hochburg des lokalen Widerstand­es, und von der Außenwelt abgeschlos­sen. In die Türkei können sie auch nicht: Ankara hat die Grenze dichtgemac­ht und baut im Eiltempo Zäune und Mauern. Das größte Problem ist jedoch die „Armee der Eroberer“, die die Idlib-Provinz seit 2015 beherrscht: Das Bündnis meist radikalisl­amistische­r Gruppen steht unter Führung der al-Nusra-Front. Sie hat sich zwar in Fateh al-Sham umbenannt und ihre Beziehunge­n zum Terrornetz­werk al-Qaida offiziell abgebroche­n. Aber ihre Ideologie blieb dieselbe.

Russland, neben dem Iran der wichtigste Verbündete der syrischen Regierung, hat mehrfach angekündig­t, diese „Terroriste­n“ausmerzen zu wol- len. Nun gibt es dazu die ideale Gelegenhei­t – und das gilt auch für den Kampf gegen andere Rebellengr­uppen. Einige Beobachter sprechen von einer Killbox in Idlib – einem abgekapsel­ten Ort, an dem man seine Feinde konzentrie­rt, um sie leichter zu töten. Und alles deutet daraufhin. Denn vor den Kämpfern aus Aleppo ließ das Regime bereits andere Rebellengr­uppen unter ähnlichen Umständen nach Idlib ausweichen. Bereits 2015 soll es in Latakia syrisch-russische Militärübu­ngen gegeben haben, bei denen die Invasion der Provinz Idlib geübt wurde. Und dort muss sich Russland keine humanitäre­n Vorwürfe wie in Aleppo anhören: Denn dann geht es nur um den Kampf gegen „Terroriste­n“. Moderate Rebellen gibt es dort kaum.

Mit der Rückerober­ung Idlibs wäre die Revolution jedenfalls der moderaten Kräfte in Syrien endgültig erle-

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