»Besitzstandswahrer die verbreitetste Gruppe«
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner will seine Partei jetzt profilieren – und von der FPÖ abgrenzen. Der ÖVP-Chef über Wahlkampfstrategien, Ex-Hofburgkandidatin Griss, das Burkaverbot und die Beziehungen zu der Türkei.
Der Vizekanzler und ÖVP-Chef über mögliche Koalitionen. Herr Vizekanzler, eine Szene aus der österreichischen Innenpolitik: SPÖ-Chef Kern hat Probleme mit der Wiener Partei. Dann Auftritt Mitterlehner, Reinhold Lopatka. Sie lenken die Aufmerksamkeit durch interne Querelen auf sich. Warum ist die ÖVP so erfolgreich, Flügelkämpfe nach außen zu tragen? Reinhold Mitterlehner: Auch die SPÖ, die Grünen oder die FPÖ sind nicht davor gefeit. Das Problem mit dem Klubobmann war, dass sein Vorgang (Lopatka sprach sich für Norbert Hofer aus, Anm.) nicht abgesprochen war. Das war nicht von Vorteil, und das habe ich öffentlich klargestellt. Das zeugt nicht von einem großen Vertrauen zwischen Parteichef und Klubobmann. Wir haben das Problem ausgeredet. Wäre die Äußerung abgestimmt gewesen, hätte man es auch als Strategie sehen können: um Van-der-Bellen- und Hofer-Wähler in der Partei anzusprechen. Bei der Präsidentenwahl gab es unterschiedliche Meinungen. Die SPÖ schließt eine Koalition mit der FPÖ nicht mehr aus. Sie machen die Tür zu den Freiheitlichen hingegen einen Spalt weit zu. Ist das klug, angesichts dieser unterschiedlichen Meinungen? Hier muss man zeitlich unterscheiden: Wir müssen uns jetzt abgrenzen und profilieren. Wenn man als Partei voreilig über Koalitionen spekuliert, stärkt man nur den Konkurrenten. Deswegen muss man zuerst die Wahl durchführen, dann erst darüber entscheiden. Nach der Wahl ist alles offen. ÖVP-Generalsekretär Werner Amon kann sich aber eine Koalition mit der EU-kritischen FPÖ nur schwer vorstellen. Und Sie? Dieser Punkt ist sicher ein kritischer, aber man könnte ihn prinzipiell sicher ausräumen. Nach der Wahl, wenn die Bedingungen klar sind. Sie sprechen innerhalb weniger Minuten mehrfach Wahlen an. Gehen Sie davon aus, dass 2017 gewählt wird? Nein. Ich habe ja auch erwähnt, dass es verschiedene Phasen gibt, jetzt jene der Profilierung. Mit der SPÖ findet kein Wähleraustausch statt, mit der FPÖ schon. Ich sehe die Wähler dort aber nur geparkt, nicht auf Dauer. Wie wollen Sie sich abgrenzen? Sprechen Sie stärker Themen an, die die FPÖ besetzt? Wir müssen zeigen, dass wir Lösungen anbieten – die FPÖ nicht. Zum Beispiel für die Wirtschaft oder die Flüchtlingsproblematik. Hier bewegen wir uns auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit. Die FPÖ hat schon einmal einen Zaun rund um Österreich vorgeschlagen. Gibt es nicht Bereiche, in denen es mehr Überschneidungen mit der FPÖ als mit dem Koalitionspartner SPÖ gibt? Die Kunst eines Koalitionsprogrammes ist, einen Modus Vivendi zu finden. Das geht mit allen Parteien. Also: Ja, es gibt auch mit der FPÖ Berührungspunkte, zum Beispiel in der Sicherheitspolitik. Die Tür zur FPÖ bleibt also offen? Die Tür zu allen Parteien bleibt offen. Außenminister Sebastian Kurz soll Gespräche mit der ehemaligen Hofburg-Kandidatin Irmgard Griss geführt haben, um eine bürgerliche Wahlplattform zu gründen. Stehen Sie auch mit ihr in Kontakt? Durchaus. Jetzt ist die entscheidende Frage aber die Positionierung der Partei. Nach der Wahl redet man über Fakten. Alles andere sind Gerüchte, die bei Journalisten beliebt sind. Diese Gerüchte können Sie jetzt beseitigen. Wollen Sie Griss an Bord holen? Jetzt wollen wir uns positionieren, möglichst vielen Wählern ein Angebot machen. Alles andere wird sich ergeben. Sie schließen es also nicht aus. Ich kann es weder etwas bestätigen noch ausschließen. Wenn ich etwas zu sagen habe, sage ich es. Sie können es jetzt ja sagen. Da müsste ich eine eigene Pressekonferenz machen. Jetzt im Ernst: Entscheidend ist jetzt die Profilierung der ÖVP. Sie haben eine Überarbeitung des Regierungsprogramms verkündet. Was soll der Inhalt des neuen Pakets sein? Wir befinden uns in der Halbzeit der Legislaturperiode. Es ist also Zeit, Bilanz zu ziehen und Neuerungen zu diskutieren: Was sind unsere Prioritäten, was unsere Zeitpläne? Was soll also jedenfalls im Pakt drinstehen? Die Auseinandersetzung mit dem Standort Österreich sowie Leistungsanreize, etwa durch die Abschaffung der kalten Progression. Auch dem Thema Sicherheit wird man einen hohen Stellenwert einräumen. Dazu das Integrationsgesetz. Dieses Paket scheiterte unter anderem auch an dem sogenannten Burkaverbot: Außenminister Kurz will es, die SPÖ wehrt sich. Selbst die CDU in Deutschland stellt sich dem Thema. Das ist eine symbolische Problematik: Eine Burka ist eine Metapher für das Nicht-Kommunizieren-Wollen. Das ist in unserer offenen Gesellschaft fehl am Platz. Man muss ernsthaft diskutieren, wie man dem entgegentritt. Sind Sie also auch für ein Verbot? Man muss sich damit auseinandersetzen. Auch für Touristinnen aus dem arabischen Raum? Das sind Gäste. Aber bei Gericht, in Schulen werden sie