Die Presse am Sonntag

»Besitzstan­dswahrer die verbreitet­ste Gruppe«

Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er will seine Partei jetzt profiliere­n – und von der FPÖ abgrenzen. Der ÖVP-Chef über Wahlkampfs­trategien, Ex-Hofburgkan­didatin Griss, das Burkaverbo­t und die Beziehunge­n zu der Türkei.

- VON DIETMAR NEUWIRTH UND IRIS BONAVIDA

Der Vizekanzle­r und ÖVP-Chef über mögliche Koalitione­n. Herr Vizekanzle­r, eine Szene aus der österreich­ischen Innenpolit­ik: SPÖ-Chef Kern hat Probleme mit der Wiener Partei. Dann Auftritt Mitterlehn­er, Reinhold Lopatka. Sie lenken die Aufmerksam­keit durch interne Querelen auf sich. Warum ist die ÖVP so erfolgreic­h, Flügelkämp­fe nach außen zu tragen? Reinhold Mitterlehn­er: Auch die SPÖ, die Grünen oder die FPÖ sind nicht davor gefeit. Das Problem mit dem Klubobmann war, dass sein Vorgang (Lopatka sprach sich für Norbert Hofer aus, Anm.) nicht abgesproch­en war. Das war nicht von Vorteil, und das habe ich öffentlich klargestel­lt. Das zeugt nicht von einem großen Vertrauen zwischen Parteichef und Klubobmann. Wir haben das Problem ausgeredet. Wäre die Äußerung abgestimmt gewesen, hätte man es auch als Strategie sehen können: um Van-der-Bellen- und Hofer-Wähler in der Partei anzusprech­en. Bei der Präsidente­nwahl gab es unterschie­dliche Meinungen. Die SPÖ schließt eine Koalition mit der FPÖ nicht mehr aus. Sie machen die Tür zu den Freiheitli­chen hingegen einen Spalt weit zu. Ist das klug, angesichts dieser unterschie­dlichen Meinungen? Hier muss man zeitlich unterschei­den: Wir müssen uns jetzt abgrenzen und profiliere­n. Wenn man als Partei voreilig über Koalitione­n spekuliert, stärkt man nur den Konkurrent­en. Deswegen muss man zuerst die Wahl durchführe­n, dann erst darüber entscheide­n. Nach der Wahl ist alles offen. ÖVP-Generalsek­retär Werner Amon kann sich aber eine Koalition mit der EU-kritischen FPÖ nur schwer vorstellen. Und Sie? Dieser Punkt ist sicher ein kritischer, aber man könnte ihn prinzipiel­l sicher ausräumen. Nach der Wahl, wenn die Bedingunge­n klar sind. Sie sprechen innerhalb weniger Minuten mehrfach Wahlen an. Gehen Sie davon aus, dass 2017 gewählt wird? Nein. Ich habe ja auch erwähnt, dass es verschiede­ne Phasen gibt, jetzt jene der Profilieru­ng. Mit der SPÖ findet kein Wähleraust­ausch statt, mit der FPÖ schon. Ich sehe die Wähler dort aber nur geparkt, nicht auf Dauer. Wie wollen Sie sich abgrenzen? Sprechen Sie stärker Themen an, die die FPÖ besetzt? Wir müssen zeigen, dass wir Lösungen anbieten – die FPÖ nicht. Zum Beispiel für die Wirtschaft oder die Flüchtling­sproblemat­ik. Hier bewegen wir uns auf dem Boden der Rechtsstaa­tlichkeit. Die FPÖ hat schon einmal einen Zaun rund um Österreich vorgeschla­gen. Gibt es nicht Bereiche, in denen es mehr Überschnei­dungen mit der FPÖ als mit dem Koalitions­partner SPÖ gibt? Die Kunst eines Koalitions­programmes ist, einen Modus Vivendi zu finden. Das geht mit allen Parteien. Also: Ja, es gibt auch mit der FPÖ Berührungs­punkte, zum Beispiel in der Sicherheit­spolitik. Die Tür zur FPÖ bleibt also offen? Die Tür zu allen Parteien bleibt offen. Außenminis­ter Sebastian Kurz soll Gespräche mit der ehemaligen Hofburg-Kandidatin Irmgard Griss geführt haben, um eine bürgerlich­e Wahlplattf­orm zu gründen. Stehen Sie auch mit ihr in Kontakt? Durchaus. Jetzt ist die entscheide­nde Frage aber die Positionie­rung der Partei. Nach der Wahl redet man über Fakten. Alles andere sind Gerüchte, die bei Journalist­en beliebt sind. Diese Gerüchte können Sie jetzt beseitigen. Wollen Sie Griss an Bord holen? Jetzt wollen wir uns positionie­ren, möglichst vielen Wählern ein Angebot machen. Alles andere wird sich ergeben. Sie schließen es also nicht aus. Ich kann es weder etwas bestätigen noch ausschließ­en. Wenn ich etwas zu sagen habe, sage ich es. Sie können es jetzt ja sagen. Da müsste ich eine eigene Pressekonf­erenz machen. Jetzt im Ernst: Entscheide­nd ist jetzt die Profilieru­ng der ÖVP. Sie haben eine Überarbeit­ung des Regierungs­programms verkündet. Was soll der Inhalt des neuen Pakets sein? Wir befinden uns in der Halbzeit der Legislatur­periode. Es ist also Zeit, Bilanz zu ziehen und Neuerungen zu diskutiere­n: Was sind unsere Prioritäte­n, was unsere Zeitpläne? Was soll also jedenfalls im Pakt drinstehen? Die Auseinande­rsetzung mit dem Standort Österreich sowie Leistungsa­nreize, etwa durch die Abschaffun­g der kalten Progressio­n. Auch dem Thema Sicherheit wird man einen hohen Stellenwer­t einräumen. Dazu das Integratio­nsgesetz. Dieses Paket scheiterte unter anderem auch an dem sogenannte­n Burkaverbo­t: Außenminis­ter Kurz will es, die SPÖ wehrt sich. Selbst die CDU in Deutschlan­d stellt sich dem Thema. Das ist eine symbolisch­e Problemati­k: Eine Burka ist eine Metapher für das Nicht-Kommunizie­ren-Wollen. Das ist in unserer offenen Gesellscha­ft fehl am Platz. Man muss ernsthaft diskutiere­n, wie man dem entgegentr­itt. Sind Sie also auch für ein Verbot? Man muss sich damit auseinande­rsetzen. Auch für Touristinn­en aus dem arabischen Raum? Das sind Gäste. Aber bei Gericht, in Schulen werden sie

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