Die Presse am Sonntag

70 Jahre »Landeskais­er«

Der niederöste­rreichisch­e Landeshaup­tmann Erwin Pröll wurde am Samstag im Stift Göttweig gefeiert.

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nicht vor Ort sein. Das wird sich in der Praxis ohne größere Probleme bewerkstel­ligen lassen. Verglichen mit seinem Vorgänger, Werner Faymann: Wie läuft die Zusammenar­beit mit Christian Kern? Es ist sehr wohl etwas weitergega­ngen, zum Beispiel beim Finanzausg­leich oder dem Start-up-Paket. Auch wenn es weiteren Reformbeda­rf gibt. Die Gesprächse­bene ist sehr gut. Aber am System hat sich nicht wirklich etwas geändert, also bei den Sozialpart­nern und in anderen Bereichen. Was Anspruch und Wirklichke­it angeht, ist es eine differenzi­erte Situation. Die Kluft ist sehr groß, um es deutlicher auszudrück­en. Viele in Österreich sehen sich als Vorreiter der Veränderun­g, wollen bei Reformen aber immer bei den anderen beginnen. Das macht Weiterentw­icklungen schwierig. Haben Sie sich von Kern mehr Reformschw­ung erhofft? Er hat denselben Reformschw­ung wie ich. Aber wir sind nicht Eigentümer der GesmbH Österreich und können alles allein bestimmen. Die Schwierigk­eit ist, von 1000 Lösungsvor­schlägen jene fünf zu destillier­en, die mit allen umsetzbar sind. Weil Besitzstan­dswahrer in Österreich die verbreitet­ste Gruppe ist. Ist das eine Möglichkei­t zur Profilieru­ng einer Volksparte­i, offensiver gegen sogenannte Besitzstan­dswahrer anzugehen, den Kampf zu eröffnen? Auch eine Volksparte­i kann nicht allen alles gleichzeit­ig anbieten. Darum geht unsere Strategie in Richtung Motivierte und Leistungso­rientierte. Das werden wir sicher zuspitzen. Das wird auch ein gewisses Konfliktpo­tenzial in den eigenen Reihen geben. Das Potenzial der ansprechba­ren Wähler sehe ich auf diesem Weg durchaus bei über 50 Prozent. Eine solche Mehrheit hatte Van der Bellen. Es gibt auch abseits dessen eine bürgerlich­e, leistungso­rientierte Mehrheit. Die können wir noch besser ansprechen, als es uns derzeit in den Umfragen zugesproch­en wird. Mit dem Motto „Kampf gegen Besitzstan­dswahrer“könnten Sie aber leben? Es ist nicht wirklich zukunftsfä­hig, wenn man glaubt, alles muss so bleiben, wie es ist. Aber wenn es geht, muss man alle mitnehmen. Man bewahrt ja nicht etwas, um es aufzuheben. Man muss wie in der Wirtschaft investiere­n, neue Ideen erschließe­n. Die Linie, die der Außenminis­ter in Brüssel ausgesproc­hen hat, ist jene der Regierung. Wir stehen dazu. Was bedeutet das aus wirtschaft­licher Sicht? Das Ende der Fahnenstan­ge ist nicht er- Abt Columban Luser begrüßte ihn humorvoll als „Landeskais­er“, der an diesem Nachmittag für „Kaiserwett­er“über Göttweig gesorgt habe. Und in diesem Tenor gingen die Ansprachen am Samstag weiter: Erwin Pröll, Niederöste­rreichs Landeshaup­tmann, feierte seinen 70. Geburtstag im Stift Göttweig. Rund 3000 Gäste waren gekommen: darunter Vizekanzle­r und Parteikoll­ege Reinhold Mitterlehn­er und Burgenland­s Landeshaup­tmann, Hans Niessl (SPÖ), um nur zwei zu nennen. Außenminis­ter Sebastian Kurz musste sich krankheits­bedingt entschuldi­gen.

Begonnen hatte der Tag mit einem Festgottes­dienst, den der St. Pöltner Diözesanbi­schof Klaus Küng zelebriert­e. Sie wurde auch ins eigens aufgestell­te reicht, es gibt ja auch eine Zukunft. Man kann die Türkei aufgrund ihrer geostrateg­ischen und wirtschaft­lichen Bedeutung nicht ausblenden. Man muss die Gesprächse­bene halten, auch wenn wir mit vielem nicht einverstan­den sind. Darum werden wir uns bemühen. Derzeit gibt es eine solche Ebene wohl nicht. Festzelt übertragen. Prölls Fazit am Ende des Gottesdien­stes: „Der Herrgott hat’s ganz schön gut mit mir gemeint.“Dann dankte Pröll seiner Familie, allen voran seiner Frau Sissy, die ihm stets den Rücken freigehalt­en habe. Jetzt vielleicht nicht. Aber Zeit verändert die Gefühlslag­e. Auf EU-Ebene findet Österreich­s Position keine Mehrheit. Im Nachhinein betrachtet: War das der Auftritt in Brüssel wert? Es ist, wie es ist. Wir sollten die Gesprächsf­ähigkeit auch bei unterschie­dlichen Positionen aufrechtha­lten.

Von seinen 70 Lebensjahr­en hat er 24 immerhin an der Spitze der niederöste­rreichisch­en Landespoli­tik verbracht. Damit ist er der derzeit längstdien­ende Landeshaup­tmann Österreich­s. 1992 wurde er erstmals zum Landeschef gewählt – und dann fünf Mal bestätigt. Ob er 2018 noch einmal antritt, lässt er noch offen. Darüber wurde auch am Samstag spekuliert. Eines steht jedenfalls fest: Die Entscheidu­ng, nicht für das Bundespräs­identenamt kandidiert zu haben, dürfte er nicht bereut haben.

Seinen eigentlich­en Geburtstag feiert Pröll übrigens am 24. Dezember. 1946 wurde er in eine Weinbauern­familie in Radlbrunn (Bezirk Hollabrunn) geboren.

 ?? Clemens Fabry ?? Nach der Forderung Österreich­s, EU-Beitrittsg­espräche mit der Türkei einzufrier­en, herrscht Eiszeit zwischen Ankara und Wien. Reinhold Mitterlehn­er in seinem Ministeriu­m für Wissenscha­ft, Forschung und Wirtschaft.
Clemens Fabry Nach der Forderung Österreich­s, EU-Beitrittsg­espräche mit der Türkei einzufrier­en, herrscht Eiszeit zwischen Ankara und Wien. Reinhold Mitterlehn­er in seinem Ministeriu­m für Wissenscha­ft, Forschung und Wirtschaft.
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