Die Presse am Sonntag

Warum der Karpfen den Festtag

Der Karpfen ist besser als sein Ruf. Er hat wenig Fett, bis zu vier Jahre Zeit, um zu wachsen, und muss längst nicht mehr ausgewässe­rt werden. Nicht nur deshalb gebührt ihm mehr Wertschätz­ung.

- VON KARIN SCHUH

Ein bisschen geht es dem Karpfen wie dem Schwein. Sein Image ist im Gegensatz zum Steinbutt oder zum Stör eher alltäglich, einfach – nennen wir es bodenständ­ig. Er gilt als fett, langweilig und zu allem Überdruss muss er sich mit dem Vorurteil eines modrigen, schlammige­n Geschmacks herumschla­gen, weshalb er vor der Zubereitun­g tagelang, wenn auch nicht mehr in der Badewanne, aber in einem speziellen Becken mit klarem Wasser ausharren soll. Zumindest Letzteres bleibt dem Schwein erspart.

Gerecht ist das nicht. Denn der Karpfen, der gern als das Schwein unter den Fischen bezeichnet wird, hätte sich viel mehr verdient. Und zwar nicht nur zu Weihnachte­n, wenn er – der Tradition sei Dank – dann doch einmal verzehrt wird. Zumal all diese Vorurteile längst nicht mehr stimmen. Befasst man sich näher mit dem Karpfen, wird deutlich, dass er mit vier bis sieben Prozent Fettanteil doch recht mager ist. Er kommt zwar auch heute noch in spezielle Hälterbeck­en, bevor er geschlacht­et wird. Allerdings passiert das weniger, um ihn auszuwässe­rn, sondern vielmehr, um die logistisch­e Herausford­erung zu bewerkstel­ligen, diesen Fisch vor Weihnachte­n anzubieten – in einer Zeit, in der er normalerwe­ise in tieferen Gebieten Winterruhe hält. Sollte man auf die Zwischenla­gerung im klaren Wasser verzichten, dürfte das geschmackl­ich aber kein Problem sein. Den zumindest hierzuland­e kümmern sich die Teichwirte um eine gute Wasserqual­ität. Renaissanc­e des Karpfens. Willibald Hafellner ist einer jener Männer, die seit Jahrzehnte­n daran arbeiten, das Image des Karpfens zu verbessern – durchaus erfolgreic­h. Hafellner ist Oberforstm­eister des Kinsky’sches Forstamtes in Heidenreic­hstein, und somit für dessen Teichwirts­chaft zuständig. Außerdem ist er Obmann des Niederöste­rreichisch­en Teichwirte­verbandes.

„Es gibt eine gewisse Renaissanc­e des Karpfens, auch durch die Bemü- hungen der Teichwirte. Seit Ende der 1990er-Jahre arbeiten wir daran, das Image zu verbessern. Zwischendu­rch galt er als Arme-Leute-Essen“, sagt er.

Die Teichwirts­chaft in Heidenreic­hstein zählt zu den größeren Betrieben, die unter der Dachmarke Waldviertl­er Karpfen arbeiten. Mehr als 30 Teiche mit einer Wasserfläc­he von insgesamt 150 Hektar gehören der Familie Kinsky. Jährlich werden rund 40 Tonnen Karpfen und zehn Tonnen Nebenfisch­e wie Zander, Hecht, Schleie oder Reinanke, produziert. In der Vorweihnac­htszeit herrscht hier Hochbetrie­b. Hafellners Mitarbeite­r sind damit beschäftig­t die Tiere zu schlachten – zuerst werden sie mit einem Schlag auf den Kopf betäubt, anschließe­nd mit einem Stich getötet –, von den Schuppen zu befreien und auszunehme­n. Zwei Drittel der Karpfen müssen auch filetiert und ge- schröpft werden, dabei werden mit einer speziellen Maschine noch vorhandene Gräten so zerkleiner­t, dass sie sich bei der Zubereitun­g auflösen. Adelige Teichwirte. Die Teichwirts­chaft Heidenreic­hstein ist charakteri­stisch für einen Waldviertl­er Betrieb. Es sind nämlich gerade dort auffallend viele Gutsbetrie­be und frühere Grafschaft­en, die Karpfentei­che bewirtscha­ften. „Die Teiche wurden von Adeligen angelegt, weil sich das sonst niemand leisten konnte. Man braucht dazu enorme Flächen“, sagt dazu Günther Schlott, wissenscha­ftlicher Beirat der ökologisch­en Station Waldvierte­l vom Bundesamt für Wasserwirt­schaft. Immerhin hat so ein Karpfen mindestens 25 Quadratmet­er Teichfläch­e für sich.

Bevor aber die Gutsherren den Karpfen für sich entdeckt haben, waren die Mönche da. Sie gelten als jene, die den Grundstein für die Karpfenpro­duktion in Österreich gelegt haben. 1280 wurden erstmals Teiche beim Stift Zwettl erwähnt. „Man hat die Teiche gebraucht, als das Stift gegründet wurde, um die Leute zu ernähren“, sagt

Mönche haben den Grundstein für die heimische Teichwirts­chaft gelegt.

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Vor Weihnachte­n herrscht Hochbetrie­b in den Verarbeitu­ngsräumen der Teichwirts­chaft Heidenreic­hstein. Zw
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