Die Presse am Sonntag

Vergessene Weihnachts­speisen

Warum nicht einfach Lachsbrötc­hen, Schinkenro­llen oder gar Fasten bis zur Mette.

- KARIN SCHUH

Es ist paradox. Auf der einen Seite präsentier­en uns alljährlic­h diverse Spitzenköc­he und andere Feinschmec­ker ihre Weihnachts­menü-Empfehlung­en. Daran lassen sich ganz gut die aktuellen Trends in der Küche ablesen. Heuer scheinen Wild im Allgemeine­n und speziell eher außergewöh­nliche Fleischtei­le abseits der Filetstück­e sehr gefragt zu sein. Exotisch hingegen soll es lieber nicht sein. Das Tier – so eines wird wohl immer noch in den meisten Haushalten zu Weihnachte­n verspeist – darf gern aus der Umgebung stammen.

Auf der anderen Seite hat jede Familie ihr ganz persönlich­es Weihnachts­menü, das meist Jahr für Jahr dasselbe sein muss. Vertretern dieser Fraktion braucht man natürlich nicht kommen mit vergessene­n Weihnachts­speisen wie Lachsbrötc­hen, Schinkenro­llen oder Würstelsup­pe. „Wieso ver- gessen, die gibt’s bei uns jedes Jahr“, hört man dann meist. Aber irgendwie gibt es dennoch ein paar Speisen, die zumindest öffentlich lieber ignoriert werden. Die Schinkenro­lle gehört zum Beispiel dazu, gefüllt mit Mayonnaise und – als Ode an die 1980er-Jahre – praktisch portionier­tem Tiefkühlge­müse. Auch das Lachsbrötc­hen hat seine ruhmreiche­n Zeiten bereits hinter sich. Wobei man dem geräuchert­en Fisch eigentlich Unrecht tut. Aber irgendwie mag die immer gleiche Kombinatio­n aus Industriet­oastbrot, Oberskren und dicker Scheiben Räucherlac­hs dann doch nicht für Weihnachts­stimmung sorgen. Fondue und Raclette. Generell scheinen die Speisen der 1980er und 1990er zwar immer noch in vielen Haushalten gern gegessen zu werden, als Foodie – oder moderner Feinschmec­ker – outet man sich damit aber nicht. Fondue und Raclette etwa scheinen fast schon heimlich praktizier­t zu werden. Wer auf die Frage nach dem Weihnachts­menü mit Fondue antwortet, schiebt meist entschuldi­gend den Satz nach: „Ich will zu Weihnachte­n nicht den ganzen Tag in der Küche stehen.“Das hört man übrigens auch von der Würstel- oder Selchfleis­chfraktion.

Wobei bei all den unterschie­dlichen Menüs nur eine kulinarisc­he Weihnachts­tradition wirklich schon vergessen zu sein scheint. Jene nämlich, dass auch der 24. Dezember ein Fasttag ist und das große Schlemmen erst nach der Mitternach­tsmette beginnt. Immerhin in Ansätzen ist es noch zu spüren. Denn dass der Karpfen überhaupt zum Weihnachts­essen wurde, hat damit zu tun, dass er den Mönchen als Fastenspei­se diente, die immer noch besser ist als Gemüse.

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