Das Jahr des Ballastabwerfens
Leben im Wald. 2017 wird man Henry David Thoreaus 200. Geburtstag begehen. Man kann das zum Anlass nehmen, um über den Ballast nachzudenken, den man mit sich herumschleppt.
Im Juli kommenden Jahres wird sich der Geburtstag jenes Mannes zum 200. Mal jähren, der eines der berühmtesten Experimente persönlichen Rückzugs unternommen hat. Die Rede ist von Henry David Thoreau. Geboren am 12. Juli 1817 in Massachusetts, gestorben mit gerade einmal 44 Jahren ebenda, in die Literaturgeschichte eingegangen als Autor von „Walden oder Leben in den Wäldern“.
Im Alter von 28 Jahren hatte sich der Eigenbrötler in eine selbst gezimmerte Blockhütte am Ufer des WaldenSees zurückgezogen. Das nächste Nachbarhaus lag knapp zwei Kilometer entfernt. Thoreaus Mutter brachte ihm regelmäßig die eine und andere Leckerei vorbei. Thoreau hatte als Rückzugsort also nicht die absolute Wildnis gewählt, sondern lediglich eine abseits gelegene, selbst erdachte Klause. Dennoch war das Experiment von Entbehrungen geprägt, denn die meiste Zeit über war der junge Schriftsteller allein mit sich.
Zwei Jahre und zwei Monate hauste er in seiner spartanisch eingerichteten Blockhütte. Er baute auf einem Äckerchen Bohnen, Kartoffeln, Erbsen und Rüben an, fing gelegentlich Fisch, trank nur Wasser und backte sein Brot selbst. Seine Bäder nahm er im Teich, sein Tagwerk war reglementiert, sein Fazit schrieb er mit kraftvoller Überzeugung im genannten Buch nieder. „Fast jeder Luxus“, meinte er, „und viele der sogenannten Bequemlichkeiten des Lebens sind nicht nur absolut überflüssig, sondern geradezu Hindernisse für die fortschreitende Entwicklung des Menschen.“
Auch heute, über 160 Jahre nach Erscheinen des Buches sind Thoreaus Betrachtungen über die Einsamkeit, die Tiere, die Bücher, die er am Seeufer gelesen hat, und vieles mehr eine durchaus lohnende Lektüre und können Wirkung im eigenen Umfeld entfalten. Möglicherweise steht, nicht nur wegen des heraufdämmernden Jubiläumsjahrs, eine kleine Thoreau-Renaissance bevor. Denn die Vereinfachung des Lebens, das Abwerfen von Ballast, der Überdruss am Überfluss in einer zerrütteten, rasanten Welt wird zusehends zu einem Thema für so manchen, der, im Gegensatz zu vielen anderen, wie die Maden im Speck lebt und sich dessen auch bewusst ist.
Man muss ja nicht gleich in eine Hütte ziehen. Es reicht, sich zu überlegen, was von dem vielen Zeug, das einen umgibt, das sich über die Jahre angesammelt hat, das verwaltet, gepflegt, gehortet werden will, ja das schließlich zu einer Bürde wurde, man überhaupt braucht. Aus diesem Grund stand das nun zu Ende gehende Jahr im Zeichen des Ballastabwerfens, auch im Garten. Alles, was nicht unbedingt notwendig ist, wurde verschenkt, auf Flohmärkte getragen oder entsorgt. Von den zahllosen, in windschiefen Stapeln in der Gartenhütte gelagerten Blumentöpfen blieben nur die zwei Dutzend übrig, die wirklich gebraucht werden. Die Gartengeräte wurden analysiert, alles Überflüssige wurde aussortiert. Das Resultat waren übersichtliche, wohlgeordnete Regale, ein genauer Überblick über das Vorhandene und die angenehme Gewissheit, künftig ohne Wühlen und Suchen mit einem Griff das Erforderliche zur Hand zu haben. Weg mit den Diven! Der Garten selbst wurde ebenfalls einer Prüfung unterzogen, und alle Pflanzen, deren kapriziöse Pflegeansprüche ganz einfach nicht den hiesigen Bedingungen entsprechen, weil sie zum Beispiel ständig gegossen und betreut werden müssen, wurden ausgegraben, verschenkt, durch genügsamere Alternativen ersetzt.
Das war viel mehr Arbeit als ursprünglich angenommen, zog sich