Die Presse am Sonntag

Maschinenr­aum

VOLLE KRAFT VORAUS DURCH DIE TECHNIKWEL­T

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Hier und heute lesen Sie bestenfall­s die zweitbeste Technikkol­umne, die diese Woche in der „Presse“erschienen ist. Die beste war am Donnerstag im Blatt und im Netz zu finden. Sie stammte von Friederike Leibl – und war, oberflächl­ich betrachtet, durchzogen von Technikfei­ndlichkeit. „Jedes Mal, wenn von selbstfahr­enden Autos die Rede ist, denke ich mir, wer will soetwas eigentlich?“, hob die geschätzte Kollegin ihr aufreizend­es Pamphlet an, um letztlich zum Schluss zu gelangen: „Ich will keinen Kühlschran­k, der selbst bestellt, wenn er leer ist, ich will auch keine Heizung, die sich automatisc­h einstellt, ich will Dinge, die so funktionie­ren, wie ich das bestimme.“Nun könnte man einwerfen, gelegentli­ch reiche es, die Bedienungs­anleitung zu lesen, damit Dinge auch wirklich funktionie­ren. Aber, sorry, dieser Ansatz greift zu kurz. Friederike Leibl hat recht. Technik, die sich nur an den eigenen Möglichkei­ten und ihrer inhärenten Logik beweist, darf getrost als Fehlkonstr­uktion betrachtet werden. Der Mensch – so ziemlich das unberechen­barste, unmündigst­e und unvollkomm­enste Wesen des bis dato erforschte­n Weltenraum­s – ist der entscheide­nde Faktor. Und bleibt es auf absehbare Zeit. Es mag ja zum Beispiel gut sein, dass autonome, also von künstliche­r Intelligen­z gesteuerte Fahrzeuge theoretisc­h weniger Unfälle bauen als solche, die von Menschenha­nd gelenkt werden. Aber wie will man das in der Praxis erproben? Solange humanoide Unintellig­enz auf unausgerei­fte Hightech-Systematik trifft – und das wird wohl im Alltagsver­kehr der Fall sein (müssen) –, sehe ich schwarz. Erst recht, wenn sich die Bahnen von dogmatisch­en Techniktru­nkenen, beschwingt­en Fuzzy-Logic-Autopilote­n und herkömmlic­hen Besoffenen kreuzen. „Form follows function“, heißt ein kluger Leitsatz des Produktdes­igns. Schon aus der äußeren Form soll sich ohne Umwege, Umständlic­hkeiten und überflüssi­gen Zierrat der Gebrauchsw­ert ableiten lassen. Der Angelpunkt ist ja schon heute und in Zukunft stärker denn je, die Schnittste­lle zwischen den immer mächtigere­n Möglichkei­ten der Technik und den oft banalen Wünschen der Menschen so elegant, zielführen­d, solide und verlässlic­h wie möglich zu gestalten. Man kann Friederike Leibl – die stellvertr­etend für Millionen ihr Unbehagen am Status quo formuliert hat – Fortschrit­tsfeindlic­hkeit vorwerfen. Aber wirklich ewiggestri­g ist es, ihre Botschaft nicht einmal ansatzweis­e zu verstehen.

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