Wo Jesus auf die Welt kommt
360 Grad. In Österreich gibt es viele bemerkenswerte Weihnachtskrippen, aber ein paar stechen hervor: etwa die von Franz Mittendorfer mit geschätzten 1000 Figuren.
Menschen mit Traditionsbewusstsein halten sich strikt an diese Zeiten: Die Weihnachtskrippe wird am ersten Adventwochenende aufgestellt, am 24. Dezember wird das Jesuskind hinzugefügt, und die Krippe steht bis 2. Februar, dem Fest Mariä Lichtmess und dem offiziellen Ende der Weihnachtszeit. Für Franz Mittendorfer sind diese Daten in Stein gemeißelt, bis auf eine Ausnahme: Mit dem Aufstellen der Krippe beginnt er am 1. November – „sonst werd i’ net fertig“.
Es gibt sehr große private Weihnachtskrippen in Österreich, etwa die der Familie Eberharter im Zillertal mit 250 Figuren, und es gibt die Krippe von Franz Mittendorfer in Ebensee: Sie ist 14 Quadratmeter groß, hat etwa 1000 Figuren und ist damit zweifellos die größte private Krippe Österreichs, vielleicht sogar Europas.
„Na ja, das ist Leut’gredat“, sagt Mittendorfer über die 1000 Figuren und meint damit, dass die Leut’ draußen gern übertreiben. Der 75-Jährige ist ein bescheidener Mensch, der eher zur Untertreibung neigt. „Ich sag immer: Wär mein Großvater 100 Jahre alt geworden, hätt’ er vielleicht 1000 Figuren zusammengebracht.” Der Großvater wurde 92 Jahre alt. 1000 Figuren ist daher eine recht gute Schätzung für die sogenannte Pendler Krippe, außerdem kann Franz Mittendorfer das „Leut’gredat“nicht widerlegen: Die Figuren, die er jedes Jahr wieder aufs Neue in seiner Garage aufstellt, hat er noch nie gezählt.
Seit einigen Jahren boomen Weihnachtskrippen wieder. Das neue Heimatgefühl, das anhaltende Biedermeier – in Wien sind viele Krippenbaukurse ausgebucht, in Tirol bietet man sogar eine Ausbildung zum Krippenbaumeister an. Und Franz Mittendorfer In diesem Jahr wurde erstmals eine Weihnachtskrippe erwähnt, die von Jesuiten in Prag aufgestellt wurde. Ein paar Jahre später sind Krippen in München und Innsbruck belegt. Unter Kaiserin Maria Theresia und Joseph II. wurden Krippen aus öffentlichen Gebäuden, vor allem Kirchen, verbannt. Dadurch hielten sie Einzug in Privatwohnungen. Am 40. Tag nach Weihnachten, am 2. Februar (Mariä Lichtmess), endet die Weihnachtszeit offiziell. Bis dahin bleiben die Krippen üblicherweise aufgestellt. muss jetzt schon im September, Oktober das Moos für seine Krippe sammeln gehen, „weil es mittlerweile so viele Krippen bei uns gibt, dass d’ später im Jahr kein Moos mehr findest“.
Im oberösterreichischen Ebensee ist man bei den Weihnachtskrippen noch ein wenig genauer, weil es dort einen schönen Brauch gibt: die „Kripperlroas“. Dabei geht man von einem privaten Haus zum nächsten – auch in das von Franz Mittendorfer – und schaut sich die Familienkrippen an, von denen manche 200 Jahre alt sind. (Ab 25. Dezember, Informationen bei Gerhard Spengler vom Tourismusbüro Ebensee.)
Einzigartig sind auch die Krippen, die man in Christkindl bei Steyr besichtigen kann. Die Pöttmesser Krippe etwa, die 18 Meter lang ist und das ganze Jahr im Pfarrhof aufgestellt ist. „Es ist eine orientalische Krippe mit 778 Figuren, die der Südtiroler Ferdinand Pöttmesser gemacht hat“, erzählt Ferdinand Jakob, der für den Pfarrhof Führungen macht. Die Landschaftskrippe ist mit einer Fläche von 58 Quadratmetern die größte orientalische Krippe Europas. Erst seit 1999 ist sie in diesem Umfang zu sehen. Krippe aus einem Baumstamm. Bemerkenswert ist auch eine zweite Krippe, die in Christkindl ausgestellt ist: die Klaudakrippe, eine mechanische Krippe, die der aus Böhmen zugewanderte Schlosser Karl Klauda ab 1880 gebaut hat. „Diese Krippe ist eine besondere Rarität“, weiß Karl Hennerbichler, Obmann des Krippenverbands Oberösterreich. „Ein raffinierter mechanischer Ablauf lässt fast 300 Figuren lebendig werden und zur Musik einer böhmischen Walzenorgel durch eine biblische Landschaft ziehen.“
Ursprünglich musste man an einer Handkurbel drehen, um die Fahrradketten und Zahnräder in Gang zu bringen. Mittlerweile gibt es einen Elektromotor samt Waschmaschinengetriebe. Gesteuert wird damit auch das Jesuskind, das sich in der Krippe aufsetzt, den Segen gibt und wieder niederlegt.
Die vermutlich schwerste Krippe Österreichs findet man im südsteirischen Heiligenkreuz beim Bildhauer Franz Donner. Vor vielen Jahren hat er einen Stamm eines Makore-Laubbaums aus Afrika gekauft. Lang stand er herum, dann griff Donner zum Werkzeug. Mit Motorsäge, Schnitzeisen und Schleifpapier holte er aus einem 2,6 Meter hohen und 1,6 Meter dicken Teil des Holzstamms, der 4,5 Tonnen wog, in zehnmonatiger Arbeit Maria, Josef, das Jesuskind, einen Ochsen, einen Esel und eine Futterkrippe heraus. Die Arbeit kann man nach Voranmeldung besichtigen (Tel.: 03134/ 24 09).
»Mittlerweile gibt es so viele Krippen, dass d’ später im Jahr kein Moos mehr findest.« Die Krippe entstand aus einem 2,6 Meter hohen und 1,6 Meter dicken Holzstamm.
Zurück nach Ebensee in die Garage von Franz Mittendorfer. Seit 1962, seit sein Großvater gestorben ist, stellt er die Krippe auf. Jedes Jahr ein wenig anders, weil es keinen Plan und auch keine Schablonen gebe. Da steht er dann, prüft, steigt wieder auf die Leiter, schaut wieder. „An manchen Tagen lauft’s, da machst Meter um Meter“, erzählt der pensionierte Maurer. „An anderen Tagen geht’s gar nicht.“
Zu allen ungezählten Figuren habe er einen Bezug, aber zu einer besonders. Es ist ein Lamplträger, der sehr detailverliebt geschnitzt ist. „Wenn man ihn länger anschaut, glaubt man, dass er einem nachschaut. Ich stell ihn immer so hin, dass er hinüberschaut zum Jesuskind. Das ist meiner.“