»Das könnte die Kirche in China zerstören«
Papst Franziskus ist um eine Annäherung an Peking bemüht – zum Verdruss der chinesischen Untergrundkatholiken. Sie fühlen sich verraten, denn die chinesische Regierung geht weiter rigoros gegen sie vor.
Zur Eucharistie können sie einander nur in Privatwohnungen oder Hinterräumen von Restaurants oder Geschäften treffen. Finanzielle Hilfe erhalten sie keine. Viele von ihnen waren auch schon staatlicher Verfolgung ausgesetzt. Trotzdem haben sie über Jahrzehnte treu zum Papst gehalten.
Doch nun ist zwischen den chinesischen Untergrundkatholiken und dem Vatikan heftiger Streit ausgebrochen. „Wenn Franziskus einem Abkommen mit Peking zustimmt, werde ich aufhören zu sprechen“, drohte der emeritierte Bischof von Hongkong, Kardinal Joseph Zen, stellvertretend für die Millionen Katholiken auf dem chinesischen Festland. Zen mahnt, eine Annäherung könne „die gesamte Kirche in China zerstören“.
Zwischen der Volksrepublik und dem Heiligen Stuhl herrschte mehr als 60 Jahre Eiszeit. Als einziger europäischer Staat erkennt der Vatikan bis heute die Führung in Peking nicht als rechtmäßige Regierung Chinas an und unterhält auch keine diplomatischen Beziehungen. Zwar ist der Katholizismus in China nicht verboten. Doch chinesische Katholiken dürfen ihren Glauben nur dann ausüben, wenn sie nicht dem Vatikan gehorchen, sondern der staatlich kontrollierten Patriotischen Vereinigung. Das akzeptieren viele Christen aber nicht. Sie haben sich daher in Untergrundgemeinden organisiert.
Offiziellen Angaben zufolge gibt es in China rund 16 Millionen Christen. Zur von Peking kontrollierten Staatskirche bekennen sich rund fünf Millionen. Die katholische Untergrundkirche zählt angeblich rund zehn Millionen Gläubige. Christliche Religionsgemeinschaften gehen jedoch davon aus, dass es mindestens 25 Millionen weitere Christen gebe, die sich aus Angst vor staatlichen Repressionen nicht offiziell zu be- kennen wagen. Einige gehen gar von über 100 Millionen aus.
Die Untergrundkatholiken sind meist in sogenannten Hauskirchen organisiert. Ihre Aktivitäten sind so unübersichtlich wie ihre Zahl – über 3000 Haus- und Untergrundkirchen soll es allein in Peking geben. Damit gibt es auch prozentual in der Volksrepublik mehr Christen als auf der de facto unabhängigen Insel Taiwan, wo die Chinesen ihren Glauben ausüben dürfen.
Der chinesische Staat weiß von diesen Untergrundgemeinden und hat sie zwischenzeitlich auch gewähren lassen – sofern sie ihren Glauben still und leise praktizierten. Doch in den vergangenen Jahren ist die kommunistische Führung wieder verstärkt gegen sie vorgegangen. In Wenzhou, einer Küstenstadt im Osten des Landes, die wegen ihrer vielen Christen auch als Jerusalem Chinas bekannt ist, haben die Behörden mehrfach Kreuze von Kirchen und Gebäuden abnehmen lassen. Christen, die sich dem entgegenstellen wollten, wurden festgenommen. Trotz der Schikanen bemüht sich der Vatikan unter Papst Franziskus um Annäherung an Chinas Führung. Anfang des Jahres deutete er erstmals an, dass es Gespräche mit der Volksrepublik gebe, seit dem Frühjahr ist eine Kommission im Einsatz, die ein Konkordat aushandeln soll. Beobachter gehen davon aus, dass schon in den nächsten Wochen ein solcher Staatsvertrag zwischen Peking und dem Vatikan stehen könnte. Die Untergrundgemeinden fühlen sich nun vom Vatikan verraten.
Konkret geht es darum, dass vor einigen Monaten Gerüchte auftraten, die „inoffizielle Gemeinde der katholischen Kirche in Kontinentalchina“habe eigenmächtig Priester zu Bischöfen geweiht, darunter auch den UntergrundPriester Dong Guanhua. Dabei sind die Herkunft der Nachrichten wie auch die genauen Umstände nicht erwiesen. Dennoch griff der Vatikan seine Anhänger in China mit scharfen Worten an und warnte davor, unerlaubte Bischofsweihen vorzunehmen. „Der Heilige Stuhl hat weder irgendeine Weihe erlaubt, noch ist er über solche Vorkommnisse offiziell in Kenntnis gesetzt worden“, erklärte Vatikansprecher Greg Burke Mitte November.
Unerlaubte Bischofsweihen stellten nach katholischer Lehre einen Bruch mit dem Papst dar und würden die Exkommunikation nach sich ziehen. Rom hoffe, dass die Berichte nicht zuträfen. Andernfalls werde man verlässliche Informationen abwarten, um „die Fälle angemessen zu prüfen“. Verhaftet. Von „breiter Enttäuschung in der Untergrundkirche über den Vatikan“berichtete daraufhin Asianews, ein katholischer Pressedienst. Viele Anhänger seien geschockt und verbittert über die harschen Worte des Heiligen Stuhls. Unvergessen ist für sie der Fall Thaddeus Ma Daqin: 2012 hatten sich der Vatikan und Peking auf ihn als neuen Bischof des Bistums von Shanghai geeinigt. Als er aber unmittelbar nach seiner Weihe den Austritt aus der Staatskirche erklärte, nahmen die Behörden ihn sofort fest und stellten ihn an einen unbekannten Ort unter Hausarrest.
Vor Kurzem ist er mit einem Blogeintrag wieder in Erscheinung getreten. Darin erklärt er: Er bereue sein Vorgehen – und bekenne sich zur chinesischen Staatskirche.
In Wenzhou nahmen die Behörden mehrfach Kreuze von Kirchen ab.